Sobald wir unser Ishta, d.h. unser gewähltes Ideal, ein bisschen in den Griff bekommen haben, auch wenn es sich nur um einen Schimmer davon handelt, finden wir uns in einer Position, dass wir die riesige kosmische Kraft nutzbar machen können, um das zu manifestieren. Sollte dies wie eine Übertreibung klingen, kann ich versichern, dass dies nicht der Fall ist.
Die Kraft der Gefühle ist die Kraft des Kosmos. Warum? Weil alle Gefühle die Kraft der Liebe sind, die versucht, alles, was existiert, zusammenzubinden. Auf dieser materiellen Ebene mag es scheinen, als gingen alle Gefühle in beide Richtungen – sowohl in das, was uns in Einheit zusammenzieht, als auch in das, was uns in Furcht auseinanderzerrt. Doch diese beiden sind Ausdrucksweisen derselben göttlichen Energie, die nach ihrer Erfüllung strebt. Was uns in Furcht, Spott und dem vielem anderen Negativem, das wir auf der Erde manifestiert sehen, zurückschreckt, ist nur eine Fehlwahrnehmung. Die Gefühle sind stets auf der Suche nach Liebe, entweder hier oder, wenn nötig, irgendwo anders.
Doch wir können die Dynamik der Gefühle auf dem Gebiet der Gegensätze zu einem sehr viel produktiveren Zweck umformen und das ist genau das, wozu uns unser Ishta befähigt. Die Kraft des Kosmos erfährt infolge unserer Hingabe an unser erwähltes Ideal eine viel größere Resonanz.
Ähnlich wie ein Kampfsportler die Energie des Gegners nutzen kann, um die gewünschten Ergebnisse hervorzubringen, so kann genauso emotionale Energie aller Art (positiv oder negativ) mit Hilfe unseres gewählten Ideals zu einem höheren Zweck umgelenkt werden. Vergleichbar können auch die vielen Situationen und Beziehungen, mit denen wir im täglichen Leben konfrontiert sind, genutzt werden, unsere Energien zu einem höheren Zweck, dem Zweck unseres gewählten Ideals zu transformieren.
Machen wir Fortschritte bei unserer Fähigkeit und Gewohnheit, unsere Gefühle, ob groß oder klein, zu transformieren, um unserem gewählten Ideal zu dienen, es zu erfüllen, dann werden wir feststellen, wie unsere Hingabe bis zu einem Niveau des ständigen Strömens ansteigt. Dieses Strömen entwickelt sich mit der Zeit und wird in allen Aspekten unseres Lebens automatisch. Das Endergebnis davon ist das andauernde Ausströmen göttlicher Liebe.
Das genau ist Bhakti, das andauernde Strömen von Verlangen hin zu unserem gewählten Ideal, das immerwährend unsere inneren und äußeren Dimensionen ausdehnt. Erreicht wird dies dadurch, dass wir lernen, all unsere emotionale Energie in diesem Sinne umzuformen. Das bedeutet nicht, dass wir unsere Familie oder unsere Karriere vernachlässigen. Es bedeutet, sie und alles in unserem Leben in den Prozess der Transformation einzubeziehen. Auf diese Weise werden unsere jetzigen Aktivitäten und Beziehungen auf eine Ebene der göttlichen Interaktion erhoben und unsere Hingabe wird mit der Konsolidierung aller emotionalen Energie in die Höhe steigen, um zum göttlichen Verlangen zu werden.
Entwickelt sich unser Ishta weiter, wird es später unsere Lieben umfassen, was sich sehr leicht und natürlich ereignet, weil wir bei Familie und Freunden ohnehin dahin tendieren. Von dort wird sich unsere Liebe auf natürliche Weise weiter ausdehnen und andere mit einschließen, denen wir an unserem Arbeitsplatz, unserer Gemeinschaft und in der gesamten Welt begegnen.
Je größer unsere Hingabe an andere ist, desto größer wird der Fluss der göttlichen Energie durch uns, der uns und alle um uns herum weiter erleuchtet.
Wir ziehen dann göttliche Energie an, wo immer wir uns aufhalten. Für jeden, der uns in unserem inneren Fluss unterstützen kann, werden wir zu einem Magneten und sie werden zu einem Magnet für uns. Infolge unserer eigenen Absicht und Einwilligung fließt die göttliche Energie. Von daher stammt die Aussage: »Dein Glaube hat dich geheilt«. Der Empfänger göttlicher Energie bestimmt den Fluss, nicht die Quelle. Göttliche Energie ist überall und kann leicht von jedem gefunden werden, der seine emotionale Energie effektiv in reine Bhakti umformt. Das ganze Universum steht bereit, so jemanden zu unterstützen.
Die Transformation positiver emotionaler Energie
Wir alle machen positive emotionale Erfahrungen im Leben. Da sind unsere Lieben, unsere Freunde und die Gefühle, die Erfolge in unseren weltlichen Bestrebungen uns vermitteln. All das können wir für die Ausweitung unserer Bhakti nutzen. Selbst das unscheinbare Gefühl, das wir aus einem kleinen Erfolgserlebnis (wie dem Leeren von Mülleimern) ziehen, kann man zur Förderung unserer Bhakti einsetzen.
Früher mögen wir es so empfunden haben, dass Gefühle von Liebe oder Erfolgen selbst eine Erfüllung darstellen und sicherlich haben wir uns darum bemüht, mehr davon in unserem Leben zu haben. Deshalb trachteten wir nach Verbesserung in unseren Beziehungen und in der Arbeit, damit wir uns noch öfter besser fühlen konnten. Doch es gibt da in all dem eine verborgene Ebene, wo eine viel größere Energie und eine viel größere Erfüllung zu holen ist.
Betrachten wir zum Beispiel die Liebe zu einem Kind. Ein Kleinkind in den Armen zu halten und das Gefühl zu haben, zu erziehen und zu sorgen, ist für die meisten von uns unbeschreiblich. Das ist definitionsgemäß göttlich. Doch unter Nutzung unseres gewählten Ideals kann man damit noch tiefer gehen. Tun wir dies, wir das Kind zu einem Ausdruck unseres Ishta und unser Halten des Kindes wird zu einem Gottesdienst. Das mag es ohnehin gewesen sein, denn das liegt in der Natur von Elternschaft. Für die Eltern-Kind-Beziehung ist es natürlich, dass sie etwas Göttliches ist.
Doch wird es immer noch als so göttlich erscheinen, wenn das Kind erst einmal zu einem »schrecklichen Zweijährigen« geworden ist, das den Schnickschnack von den Regalbrettern reißt und nicht auf die Eltern hört? Oder wie sieht das mit einem rebellischen pubertierenden Jugendlichen aus? Gut, mach dir nichts draus, dass ihn das Göttliche dann verhätschelt. Doch die Liebe wird nicht schwächer, auch wenn sie gepaart mit Stärke auftritt.
Befinden wir uns auf dem Pfad und haben wir unser spirituelles Verlangen kultiviert, wird unsere Beziehung, die durch die tägliche tiefe Meditation in innerer Stille verwurzelt ist, weiterhin göttlich sein. Und diese Göttlichkeit wird sich je nach Bedarf während aller Höhen und Tiefen des Lebens ausdrücken. Dies wird eine tiefgreifende Wirkung auf unsere eigene Entwicklung haben, wie auch auf unsere Kinder, die instinktiv erkennen, dass da jenseits der Ablenkung des Moments etwas am Werk ist – etwas Positives, etwas das jedes Unglück, dem wir im Leben begegnen mögen, überdauert. Das ist ein Erkennen, das unsere Kinder ihr ganzes Leben lang mit sich tragen werden. Auf diese Weise ist göttliche Liebe sehr praktisch. Hat sie uns einmal berührt, wird sie uns niemals mehr loslassen.
So wie wir jedes positive Gefühl nehmen und es, indem wir es unserem gewählten Ideal einverleiben, in einen göttlichen Status erheben können, können wir dasselbe mit Gefühlen tun, die sich aus den sogenannten negativen Erfahrungen unseres Lebens ergeben. In Wirklichkeit gibt es aber gar keine negativen Erfahrungen. Nur durch unsere Färbung von Wahrnehmungen schaffen wir das Positive und Negative. Wir alleine sind es, die über positiv und negativ bestimmen. Wir haben immer eine Wahl. Schreiten wir auf dem Pfad von Bhakti und mit den kraftvollen spirituellen Übungen, die sie inspirieren, voran, erkennen wir, dass es eine Realität jenseits von allem Positiven und Negativen im Leben gibt. Es ist eine Realität von bleibender innerer Stille, ekstatischer Glückseligkeit und ausfließender göttlicher Liebe.
Sowohl die positiven als auch die negativen Emotionen kann man unter dem Aspekt von Bhakti bis ins Extreme, bis zum Punkt des emotionalen Rausches und darüber hinaus bringen. Das ist ein Charakteristikum, das in den Leben von Heiligen und Weisen dokumentiert ist. Die Großen haben sowohl positive wie auch negative Emotionen genutzt. Jedes Gefühl, das sie hatten, wurde für die göttliche Suche eingesetzt. Ist so eine emotionale Verzweiflung notwendig, um auf dem Pfad zur Erleuchtung zu reisen? Das hängt von der Person ab.
Berühmte Weise wie Rumi, Ramakrishna, Buddha und Jesus hatten das alle. Je inspirierter und/oder verzweifelter sie wurden, desto mehr brachten sie das Göttliche in ihrem Inneren zum Ausdruck. Zuweilen mögen sie als verrückt nach Gott oder der Wahrheit angesehen worden sein. Wenn wir schon nach etwas verrückt sind, dann lass uns das danach sein. Göttliche Erfahrung ist eine Mischung aus ekstatischer Freude, Furcht und Tränen, und dient nur dem einzigartigen unbeirrbaren Zweck der Erfüllung unseres gewählten Ideals.
Die Transformation von negativer emotionaler Energie
Es mag nicht immer offensichtlich sein, dass wir eine Wahl haben, in welche Richtung unsere Emotionen gehen und wie sie fokussiert werden. Oft nehmen uns die Ereignisse des Augenblicks in Beschlag und unsere emotionale Energie wird aufgrund von automatischen Reaktionen auf unproduktive Weise fokussiert. Doch dies kann man durch die Methoden von Bhakti ändern.
Nehmen wir z.B. an, dass wir eine Verabredung haben und in einem Stau festsitzen. Je länger wir im Stau stecken, desto mehr tendieren unsere Gefühle vielleicht dahin, aufgrund unseres zunehmenden Zuspätkommens aufzuwallen. Die Reizreaktion in diesem Fall mag vielleicht darin bestehen, dass wir draufloshupen und jemandem aus dem Fenster heraus Beleidigungen zurufen, der uns geschnitten hat und damit verhinderte, dass wir in der riesigen Masse des Verkehrs, die die Autobahn langsamer als ein Fußgänger entlangkriecht, ein oder zwei Wagenlängen gewonnen haben. Haben wir andererseits ein gewähltes Ideal für unsere spirituelle Evolution, das in uns seine Stärke festigt, werden wir in der Lage sein, die emotionale Energie, die in uns aufgrund des Verkehrs und unseres Zuspätkommens aufwallt, zu nehmen und sie so zu transformieren, dass wir nach unserer spirituellen Evolution flehen. Anstatt den Fahrer, der uns geschnitten hat, anzuhupen und anzuschreien, beklagen wir uns beim Göttlichen über unseren langsamen Fortschritt in Richtung Erleuchtung.
»Oh Herr, meine Reise zur Erkenntnis von DIR geht so langsam voran!«
Ja, das Klagen mit tiefempfundenen Gefühlen vor Gott (wie immer wir Ihn/Sie/Es begreifen mögen) kann sehr produktiv sein, solange wir gewillt sind, zu handeln, um das zu lösen, über das wir klagen. Unsere Frustration, dass wir durch den Verkehr aufgehalten werden und zu spät kommen kann man leicht umlenken in eine Frustration, dass wir auf unserem spirituellen Pfad aufgehalten werden und da zu spät dran sind. Welchen Vorteil hat dies?
Während das Hupen und das Aus-dem-Auto-Schreien wenig dazu beiträgt, den Verkehrsstau aufzulösen, kann der Ausdruck von intensiven Gefühlen gegenüber unserem gewählten spirituellen Ideal eine entscheidende Wirkung auf unseren spirituellen Fortschritt haben. Die Wirkungen können sowohl sichtbar als auch unsichtbar sein, solange wir offen für das sind, was kommen kann. Bei Bhakti geht es nicht um das Abladen der von uns so wahrgenommenen Schwierigkeiten. Es geht um die Öffnung des göttlichen Tors in uns.
Auf sichtbarer Ebene kann aufgrund unseres Lamentierens über unser Zuspätkommen infolge des Staus, d.h. unser spirituelles Zuspätkommen, unsere umgelenkte emotionale Energie zu uns kommen und unseren Entschluss stärken, uns vermehrt anzustrengen, Kenntnis über spirituelle Übungen anzusammeln, was wir vielleicht einige Zeit aufgeschoben hatten; oder dass wir regelmäßiger unsere tägliche Meditation und andere sitzende Übungen durchführen und sie nicht so oft verpassen, wie das vorher der Fall war.
Auf unsichtbarer Ebene erhalten wir unter Umständen augenblicklich dort im Stau eine Offenbarung von neuem spirituellem Wissen. Möglicherweise kommt das als Hingabe und Öffnung hin zu aus dem Inneren fließendem Frieden und Liebe zum Ausdruck. So etwas kann sich in den widrigsten Umständen ereignen. Und es kann sich sogar gerade wegen der widrigen Umstände ereignen, sobald wir unsere Gefühle auf unser erwähltes Ideal umlenken. Bei diesen Gelegenheiten können wir dem Wissen begegnen, das wir brauchen, um auf mysteriöse Weise den nächsten Schritt auf unserem Pfad zu gehen – vielleicht scheren wir frustriert aus der verstopften Schnellstraße aus, gehen in ein Café und treffen jemanden, der uns genau das liefert, was wir brauchen, um die nächste Stufe auf unserem Pfad erklimmen zu können. Das geschieht Leuten oft, die unablässig ihre Hingabe in Bezug zu ihrem gewählten Ideal aufbauen. Mehr Bhakti bringt viele kleine Wunder in unser Leben – und auch einige große.
Damit soll keine Propaganda für einen abergläubigen Zugang zur spirituellen Entwicklung gemacht werden. Wir ermuntern nicht dazu, in allem, was in unserem Leben geschieht, »Zeichen« zu suchen. Wir brauchen uns nicht anzustrengen, »aus dem Kaffeesatz zu lesen«, damit wir unsere Erlösung erlangen. Kümmern wir uns nur um die nötigen Ursachen, wird es auch zu den Wirkungen kommen.
Favorisieren wir die Umlenkung unserer emotionalen Energie und die Transformationen unserer alltäglichen Wünsche hin zu unserem gewählten Ideal, dann wird uns das, was wir für unsere spirituelle Erfüllung brauchen, auf die eine oder andere Weise finden. Kümmern wir uns um die Hingabe und sind wir bereit zu handeln, sobald sich die geeigneten Gelegenheiten auftun, dann werden uns das Wissen und die benötigten Hilfsmittel finden.
Viel von dem, was wir bisher gesagt haben, mag darauf hindeuten, dass nach unserer Ansicht jeder hinsichtlich seiner spirituellen Einstellungen einen Enthusiasmus entwickelt, ein klar definiertes erwähltes Ideal besitzt und mit ziemlicher Geschwindigkeit bei der Umwandlung all seiner emotionalen Energie gut vorankommt. Natürlich trifft dies nicht für jeden zu jeder Zeit zu. Doch wissen wir, dass jeder ein emotionales Leben hat, auch wenn sich das als eine Neigung ausdrückt, nicht enthusiastisch oder begeistert über irgendetwas zu sein. Jene, die auffallend desinteressiert sind oder vom Leben davonlaufen, investieren ihre emotionale Energie in dieses Desinteresse und Weglaufen. Doch diese Energie kann man umwandeln, so dass sie einem Ideal dient, wie immer dieses Ideal aussehen mag. Das Ideal muss gar nicht auffällig oder sogar offensichtlich sein. Das kann sogar so bescheiden sein wie die Reservierung von Zeit für die zweimal tägliche Meditation, was gar nicht mal wenig ist. Das führt ganz gewiss zu Öffnungen und Bhakti wird sich damit zusammen ausdehnen. Vor allem müssen wir verstehen, dass jedes unserer Gefühle in eine Richtung eingesetzt werden kann, über die wir selbst bestimmen. Die Energie, die wir vielleicht verausgaben, wenn wir ängstlich oder schuldbewusst weglaufen, ist vom Betrag her gleich der Energie, die wir im Falle von Bhakti für die Suche nach dem Göttlichen aufwenden. Ob unsere negativen oder positiven Gefühle unsichtbar sind oder sehr intensiv und sich nach außen ausdrücken, wir können sie alle für einen von uns gewählten höheren Zweck – unsere Erleuchtung – nutzen.
Denke über die Möglichkeiten deiner unendlichen inneren Natur nach und umfasse diese mit Gefühl. Du wirst es nicht bereuen.
Der Guru ist in dir.