Das Wort »Karma« nutzt man in unserer Gesellschaft oft klischeehaft. Manchmal verwendet man es, um humorvoll alltägliche Schwächen und Missgeschicke zu beschreiben:
»Ich bin gestolpert und hingefallen, das war sicher mein Karma.«
»Ich habe diese Dummheit begangen und ich werde es wieder tun. Es ist nicht meine Schuld, das ist mein Karma.«
Im ernsthaften Kontext kann das Konzept von Karma mit herzzerreißenden Tragödien in Zusammenhang gebracht werden wie zum Beispiel dem Verlust eines geliebten Menschen oder Naturkatastrophen, die hunderte oder tausende Menschen dahinraffen. Wie soll ein Wort derart unerklärliche Ereignisse erklären? In Wirklichkeit ist das auch nicht möglich. Doch mit dem Wort Karma schwingt etwas mit, das die Tiefen der Psyche von uns allen berührt. Das hat mit unserem Sinn für Bestimmung, Schicksal oder dem zu tun, was jenseits unseres Wissen-Könnens zu liegen scheint. Können wir keine andere Erklärung finden, beginnen wir oft nach einer versteckten Logik zu suchen.
Doch obwohl Karma etwas mit Schicksal und Bestimmung zu tun haben mag, geht Karma über die Arten von Glauben hinaus, die gerne die Grenzen zum Aberglauben überschreiten. Wo Karma mit Aberglauben gleichzusetzen ist, ist das nur der Fall, weil Menschen in dem Versuch das Unerklärliche zu erklären, die Notwendigkeit empfanden, Karma in diesem Licht zu sehen.
Denn im Grunde ist Karma ganz einfach das Prinzip von Ursache und Wirkung, das überall in unserem Leben am Werke ist. Wenn wir Karma in dieser Weise betrachten, dann kann Karma ein großartiges Werkzeug sein, das uns auf unserem spirituellen Pfad zur Verfügung steht. Tun wir dies, dann können wir Karma auf die Ebene einer spirituellen Übung erheben. In diesem Fall sprechen wir von Karma Yoga, was so viel wie göttliche Einheit durch Handeln bedeutet.
Karma bedeutet Handlung und die Auswirkungen dieser Handlung.
»Wir ernten, was wir sähen.«
Und dennoch nutzen wir den Begriff Karma oft in einer Art Resignation, d.h. wir bringen ihn nur mit den Auswirkungen in Verbindung, wenn wir z.B. sagen: »Das, was da passiert, ist unser Karma«, etc.
Zu Karma gehört jedoch nicht nur die Wirkung, sondern auch die Ursache. Das bedeutet: Wir sollten die Wirkungen in gewissem Maße verändern können, indem wir an den zugrundeliegenden Ursachen schrauben. Wir können den Aspekt der Wirkungen unseres Karmas also beeinflussen, und damit auch das Karma der gesamten Welt. Deshalb ist auch nichts notwendigerweise vorherbestimmt oder ein blindes Produkt des Schicksals. Wir können so handeln, dass wir für uns selbst und auch für andere gute Ergebnisse hervorbringen. Das ist die Verheißung von Karma Yoga.
Wie können wie das erreichen? Die Kraft dazu liegt in jedem von uns und in den Entscheidungen, die wir treffen.
Wir alle sind vertraut mit den grundlegenden Zusammenhängen zwischen Verlangen bzw. Wunsch, Handeln und den sich daraus ergebenden Konsequenzen.
Wollen wir ein Arzt werden, dann gehen wir sehr lange in Ausbildung und am Ende werden wir ein Arzt. Wunsch, Handeln und Ergebnis.
Sehr wahrscheinlich haben wir zu Beginn die zahlreichen Auswirkungen nicht in Betracht gezogen, die unser gewählter Pfad mit sich bringt. Es ist einfach nicht möglich, alles im Voraus zu wissen. Doch wir handeln in unserem besten Interesse, wenn wir einem Kurs folgen, der zu unseren Wünschen und Bedürfnissen passt. Wenn es unser sehnlichster Wunsch ist, Arzt zu werden, können sich noch so viele Hindernisse in den Weg legen, wir werden Mittel finden, sie zu beseitigen. Das ist die Kraft, die von einer klaren Vision, einem gewählten Ideal ausgeht. Sollte es so etwas wie Schicksal geben, dann werden unsere Vision und Hartnäckigkeit dieses Schicksal definieren. Das Schicksal liegt in unserer tiefsten Sehnsucht.
In dieser Art von Szenarien scheint die Wirkungsweise von Karma ziemlich klar zu sein. Wir wählen einen Pfad und arbeiten stetig auf unser Ziel hin. Aber ist die Wirkungsweise von Karma wirklich so klar?
Man sagt, die Auswirkungen von Karma seien unergründlich. Werfen wir einen Stein in einen Teich, können wir dann vollkommen erkennen, welche Wirkungen das hervorbringen wird? Können wir die Wirkungen jeder davon ausgehenden Kräuselung verfolgen und auch die Wirkungen jeder Kräuselung, die vom gegenseitigen Ufer zurückgeworfen wird? Vielleicht können wir das, wenn wir ein mathematisches Modell entwickeln, das ausreichend komplex ist.
Man hat auch gesagt, die Flügelschläge eines Schmetterlings würden die entferntesten Sterne beeinflussen. Können wir die Wirkung davon vorhersagen?
Astrologen verbringen ihr ganzes Berufsleben damit, sich mit derartigen Dingen zu beschäftigen. Sie versuchen, den Einfluss von Gravitationskräften von Planeten und Sternen auf unser Leben zu bestimmen. Ist so etwas möglich? Die besten Astrologen mögen ein bisschen öfter als 50% richtig als falsch liegen, also muss etwas dran sein. Aber reicht das aus, um behaupten zu können, dass wir die Auswirkungen von Karma im kosmischen Kontext kennen?
Es wird auch oft gesagt, dass die Einflüsse auf unser Leben, die man nicht logisch erklären kann, eine Folge unserer Taten in früheren Leben seien, das Ergebnis unserer vielen Inkarnationen in einen menschlichen Körper – unsere karmischen Neigungen, die wir in ferner Vergangenheit angelegt haben, an die wir uns nicht mehr erinnern. Ist dies ein überzeugendes Argument für Reinkarnation? Es liefert eine rationale Erklärung für die unerklärlichen Ereignisse im Leben und auch die offensichtlichen Begabungen und Benachteiligungen, mit denen unschuldige Kinder bei der Geburt ankommen können. Können wir aber wirklich wissen, dass dies der Wahrheit entspricht? Macht es Sinn, unsere kostbare Zeit damit zu verschwenden, in die düsteren Reiche vergangener Leben zurückzublicken, um die Ursachen dessen zu verstehen, was heute in unserem Leben passiert? Wenn wir genügend Zeit darin investieren, finden wir vielleicht etwas Klarheit. In der Regel wird es jedoch unergründlich bleiben, so wie das starren auf Sternkarten oder das Nachgrübeln über alle Effekte, die ein ins Wasser geworfener Stein hervorbringt oder das Flüstern von Schmetterlingsflügeln, das quer durchs Universum reist.
Unser Schicksal mag in den Sternen verborgen liegen, doch der Rest bleibt unsere eigene Aufgabe: durch die von uns täglich getroffenen Entscheidungen, unseren spirituellen Fortschritt mit Übungen voranzubringen. Wir können die Rolle eines Zuschauers einnehmen, der die nachhallenden Wirkungen vergangener Ereignisse betrachtet oder wir können die Rolle eines Mitwirkenden übernehmen und so handeln, dass wir direkten Einfluss auf alle Ergebnisse im Hier und Jetzt haben. In diesen Lektionen nehmen wir eine aktive Rolle ein, um durch das karmische Labyrinth zu navigieren. Dabei transzendieren und verändern wir die Ergebnisse, sodass sie durch Bhakti und unsere täglichen Yoga-Übungen unserem gewählten Ideal dienen.
Tun wir dies, kultivieren wir bleibende innere Stille, ekstatische Leitfähigkeit und Stille im Handeln, was zur natürlichen Fähigkeit führt, die karmischen Auswirkungen an ihrer Wurzel zu transformieren.
Der Guru ist in Dir.