Frage: Während der Wirbelsäulenatmung und der Meditation hört man verschiedene Töne. Einer davon ist ein tiefer flatternder Ton. Ich nehme mal an, das ist der AUM-Klang. Allerdings höre ich diese Frequenz nicht immer. Manchmal hört man eine Vielzahl von Frequenzen. Stehen diese Tonlagen mit den verschiedenen Chakren in Verbindung und weist dies darauf hin, dass sie aktiv sind und möglicherweise gereinigt werden? Sollte man die Aufmerksamkeit auf diesen Tönen ruhen lassen oder sollte man sie ausblenden?
Antwort: Schon früher hat jemand eine ähnliche Frage gestellt und die Antwort dazu findest du in Lektion 53 – Pranayama F&A – Licht und Ton beim Pranayama. Kurz gesagt, ja, es handelt sich um Reinigung und wir ziehen immer locker und leicht unsere Übungen diesen vielleicht aufkommenden Erfahrungen vor. Und ja, auch die Chakren spielen dabei eine Rolle, aber es besteht keine Notwendigkeit, darauf irgendwie im Detail Einfluss zu nehmen. Es befindet sich sozusagen „unter der Motorhaube“, weißt Du, um die Analogie aus vergangenen Lektionen noch einmal zu zitieren.
In Wahrheit werden mit dem Fortschreiten auf dem Pfad all unsere inneren Sinne überall in unserem Nervensystem (Nadis und Chakren) belebt. Deshalb müssen wir darauf bedacht sein, uns nicht von den Übungen ablenken zu lassen, die unser Nervensystem den göttlichen Erfahrungen öffnen. Im Yoga bezeichnet man den Wandel der sich bei den sinnlichen Erfahrungen vollzieht, „Pratyahara“. Oft interpretiert man das so, als bedeute es das Verlieren oder Aufgeben von Anhaftung an sinnlichen Erfahrungen. Daraus wird dann manchmal gemacht, dass man die Beteiligung an den Sinnen aufgeben, sie abtöten oder kontrollieren soll – also etwas, das gegen die Sinne gerichtet ist. Das hat dann in einigen Fällen zu bizarren Übungen geführt und man läuft von den natürlichen Erfahrungen in der Welt weg. Dies ist eine unvollständige Interpretation von Pratyahara. In Wirklichkeit bedeutet Pratyahara „die Ausweitung der Sinne nach innen“. D.h. wir nehmen mehr und mehr göttliche Erscheinungen in unserem Inneren wahr und diese Wahrnehmungen sind vom Wesen her bezaubernder als die physische Sinnlichkeit. Wir werden also sinnlich davon angezogen. Wir lehnen die physische Sinnlichkeit nicht ab. Wir beginnen uns nur, mit der Öffnung unseres Nervensystems einer größeren Bandbreite von Sinnlichkeit aufzuschließen. Mit der Zeit werden mit der Öffnung unserer inneren Sinnlichkeit auch unsere physischen Sinne geschärft und unsere sinnliche Wahrnehmungsfähigkeit wird zu einem breiten Kontinuum. Die ganze Zeit halten wir aber unsere täglichen Übungen – die dieser Transformation zu Grunde liegende Ursache – aufrecht. Der Anstieg reinen stillen Glückseligkeitsbewusstseins, ein fundamentaler Bestandteil dieses Prozesses, erlaubt es uns, bei der Erweiterung unserer sinnlichen Erfahrungen außerhalb der Reichweite egoistischer Anhänglichkeit zu bleiben.
Einige Traditionen nutzen innere sinnliche Erfahrung für die Übungen. Falls das zu der Tradition gehört, die du gewählt hast, und Du damit gute Ergebnisse erzielst, ist es natürlich nicht falsch, damit zu arbeiten. Doch, wie Du sagst, sind die Erfahrungen abhängig vom Verlauf der Reinigung in verschiedenen Teilen des Nervensystems manchmal da, manchmal sind sie nicht da. Bei den Fortgeschrittenen Yoga Übungen wenden wir unabhängig davon, was sonst in unserem Inneren vorgeht, global wirkende Übungen an, die unser gesamtes Nervensystem reinigen. Deshalb kommen bei uns die Meditation und die Wirbelsäulenatmung zuerst. Diese leisten die Reinigung für das gesamte Haus und wir sind nicht von irgendwelchen besonderen Erfahrungen, die sich in einem bestimmten Teil unserer spirituellen Anatomie einstellen, abhängig.
Früher oder später wird alles aufgeschlossen. Stellen sich Erfahrungen ein – großartig. Wir erfreuen uns daran. Irgendwann werden sie 24 Stunden am Tag 7 Tage die Woche bei uns sein. Ereignen sie sich während unserer Übungen, bleiben wir einfach bei der Übung, die wir gerade machen. Kommen sie auf, während wir mit unseren täglichen Aufgaben beschäftigt sind, können wir uns an ihnen auf jede Art erfreuen, die uns gefällt. Unsere Wahrnehmung unserer inneren und äußeren Welt wird sich sehr zum Besseren verändern. Das ist die Frucht aus den Übungen, nicht die Übung selbst.
Sobald die Meditation und die Wirbelsäulenatmung gut aufgestellt sind, können wir an beiden Enden des Wirbelsäulennervs Übungen zur Stimulation hinzufügen, um diesen Nerv zur ekstatischen Leitfähigkeit zu erwecken. Das breitet sich dann automatisch auf unser gesamtes Nervensystem aus. Die Übungen dazu wurden bereits in früheren Lektionen mitgeteilt (du findest sie in der linken Spalte aufgelistet).
In den noch folgenden Lektionen wenden wir uns weiteren Übungen zur Anregung des Prana-Flusses von beiden Enden unseres Wirbelsäulennervs aus in Richtung auf unser Zentrum, dem Herzen, zu.
Der Guru ist in Dir.