Frage: Ich liebe mein Pranayama und meine Meditation. Aber ich habe so wenig Zeit. Ich gehe morgens um 7:30 Uhr zur Arbeit und komme erst zurück, wenn es bald 6 Uhr abends ist. Es scheint unmöglich. Was soll ich tun?
Antwort: Es heißt: „Wo ein Wille, da ein Weg.“ Schon ganz am Anfang dieser Lektionen haben wir auf den Wunsch als der wichtigsten Komponente hingewiesen. Das ist wirklich der Schlüssel. Wir können das ganze Wissen der Welt besitzen. Doch wenn der Wille nicht vorhanden ist, es zu nutzen, ist das alles umsonst. Das, wofür wir uns jeden Tag entscheiden, bestimmt über unseren Weg und über die Ergebnisse. Merken wir, dass wir nicht in der Lage sind, gemäß den von uns am meisten in Ehren gehaltenen Wünschen zu handeln, dann muss sich die Situation früher oder später ändern. Mit unverrückbarem Verlangen, d.h. Hingabe, und mit einer Selbstverpflichtung zu handeln, werden wir Wege finden, uns um jedes Hindernis herumzuarbeiten.
Wie kann es uns gelingen, zweimal am Tag unsere Übungen zu machen? Dazu gibt es viele Möglichkeiten. Vor allem braucht es aber Flexibilität, die vorhandenen Gelegenheiten auszunutzen. Zur jetzigen Routine gehören zehn Minuten Pranayama und zwanzig Minuten Meditation. Zusammen mit der Ruhephase am Ende summiert sich das zu rund fünfunddreißig Minuten zweimal täglich. Bei einem langen Arbeitstag, wie es deiner ist, mag das zu viel sein. Nicht zu viel Übung, aber vielleicht zu viel Zeit – besonders am Morgen. Du kannst das aber auch etwas kürzer gestalten. Das ist nicht ideal, aber viel besser als überhaupt keine Praxis oder zu versuchen, zu viel in zu wenig Zeit zu machen und sich dabei zu erschöpfen. Es ist sehr wichtig, zweimal am Tag Übungen zu machen – am Morgen und am Abend. Zwei kurze Sitzungen sind viel besser als eine lange Sitzung. Am Morgen wird vielleicht der größte Mangel an Zeit herrschen, während du am Abend eventuell mehr Zeit hast. Aber du bist dann möglicherweise müde und fühlst dich nicht danach, irgendetwas zu tun – nicht einmal zu meditieren.
Entscheide dich, wie viel Zeit du am Morgen hast – egal wie wenig – und arbeite damit. Möglicherweise sind es zwanzig Minuten, vielleicht auch nur fünfzehn. Was immer es ist, fange etwas damit an. Wenn es zwanzig Minuten sind, mache fünf Minuten Pranayama, zehn Minuten Meditation und verwende fünf Minuten auf das Ruhen. Eine Strategie, die bei dir funktionieren könnte, wäre, deine Übungen sobald du aufwachst im Bett zu machen, noch bevor du aufstehst. Das setzt deine Übungen an die erste Stelle der morgendlichen Aufgaben und so wird es unwahrscheinlicher, dass du nicht dazu kommst. Wenn du aufwachst, schiebe dir einfach etwas unter und beginne mit Pranayama. Meditiere danach und so kannst mit all deinen Übungen fertig sein, bevor du aufstehst und völlig aufgeladen mit reinem Glückseligkeitsbewusstsein aus dem Bett springen.
Am Abend kannst du vielleicht flexibler mit der Zeit umgehen. Wenn du müde bist, denke daran, dass Pranayama und Meditation dich regenerieren. Das wird besonders offensichtlich, wenn wir die nächsten der Fortgeschrittenen Yoga-Übungen hinzugefügt haben. Gewöhne dir an, deinen Meditationsplatz so schnell wie möglich aufzusuchen, wenn du von der Arbeit nach Hause kommst. Ist vor dem Abendessen keine Zeit mehr, mache deine Übungen eine oder zwei Stunden nach dem Abendessen oder – wenn es nicht anders geht – unmittelbar vor dem Zubettgehen. Das ist nicht ideal, aber viel besser als gar keine Praxis am Abend. Wenn du kannst, nimm dir die vollen 35 Minuten am Abend Zeit. Aber versuche nicht, die kurze Meditationszeit am Morgen mit einer übertrieben langen am Abend auszugleichen – nicht in diesem Anfangsstadium. Das könnte zu einigen Unannehmlichkeiten führen. Später, wenn du erfahrener bist und dein Nervensystem gereinigter ist, wirst du in der Lage sein, dich auf längere Sitzungen einzulassen, ohne Unbehagen zu verursachen. Auf dieser Stufe und in der gegenwärtigen Situation, bemühe dich, so gut es geht, möglichst viele der 35-Minuten-Übungen am Morgen und am Abend zu machen. Wenn du die Zeit nicht hast, stelle dir selbst eine kürzere Routine zusammen, die du dann zweimal am Tag durchführst. Das liegt in deiner Verantwortung.
In den Fragen&Antworten zur Meditation haben wir Wege diskutiert, wie man meditieren kann, wenn man reist oder sonst irgendwo fern seines häuslichen Meditationssitzes feststeckt. Diese Vorschläge gelten auch jetzt noch, nachdem Pranayama an das vordere Ende unserer Sitzung angefügt wurde. Pranayama kann ganz unauffällig an öffentlichen Orten gemacht werden. Das sieht genauso aus wie Meditation – eine Person, die einfach mit offenen Augen dasitzt. Wir sind entspannt, während wir Pranayama machen. Unser langsames tiefes Atmen ist für einen äußeren Beobachter kaum wahrnehmbar. So können wir also unsere gesamte Routine an einem öffentlichen Ort durchführen. Wahrscheinlich werden wir in der Öffentlichkeit unsere Beine nicht kreuzen. Das ist in Ordnung. Dies ist eben keine vollkommene Welt.
Wie ist das beim Autofahren? Viele von uns verbringen täglich eine oder mehrere Stunden im Verkehr, wenn sie zur Arbeit und wieder nach Hause fahren. Das ist ein großer Brocken unserer täglichen Zeit. Können wir damit irgendetwas Nützliches anfangen? – Nicht mit geschlossen Augen. Das ist klar. Damit ist Meditation ausgeschlossen. Aber wie ist es mit Pranayama? Am besten ist es, Pranayama mit geschlossenen Augen zu üben. Aber es ist möglich, auch einigen Gewinn daraus zu ziehen, wenn man Pranayama mit offenen Augen durchführt, weil das eine physische Übung ist. Wenn man das während des Autofahrens macht, ist das bei weitem nicht das Ideale, man kann es sich aber doch zu Nutze machen. Vielleicht versuchst du einmal, so ungefähr zehn Minuten lang einige langsame, tiefe Atemzüge zu machen, während du von der Arbeit nach Hause fährst. Auch bei geöffneten Augen kannst du dem Wirbelsäulennerv mit steigendem und fallendem Atem aufwärts und abwärts nachspüren. Sei mit deiner Aufmerksamkeit beim Autofahren und sei dir bewusst, dass Pranayama zweitrangig ist. Bleibe locker dabei. Pranayama mit offenen Augen lenkt weniger vom Straßenverkehr ab als Radiohören. Du bist vor allem dafür verantwortlich, dass du sicher fährst. Im Hintergrund kann da aber auch noch ein bisschen Pranayama laufen.
Wenn du Pranayama im Auto praktizierst, dann übertreibe es nicht. Sobald du nach Hause kommst, setze dich hin und meditiere für mindestens 10 Minuten, damit der Samen reinen Glückseligkeitsbewusstseins in das bestellte Pranayama-Feld gelegt wird. Wir wollen nicht, dass irgendein Unkraut in deinen so schön gepflegten Nerven Wurzeln schlägt. Wenn du wirklich willst, dass die spirituelle Transformation in dir vorankommt, dann ist es deine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass du dich zweimal jeden Tag zum Üben hinsetzen kannst. Es gibt viele Wege, das zustande zu bringen. Sei kreativ, aber achte darauf, dass du dich dadurch nicht in Gefahr bringst.
Natürlich wäre es ideal, wenn wir am Morgen und Abend so viel Zeit hätten, wie wir brauchen. Selbständige oder Rentner können den Fortgeschrittenen Yoga-Übungen so viel Zeit widmen, wie für ein Maximum an Gewinn nötig ist. Werden solche Leute erfahrener, können sie die Übungszeit auch stufenweise ausdehnen, um so ihr Vorankommen noch zu beschleunigen. Fortgeschrittene, die einer regelmäßigen Arbeit nachgehen, können in den Ferien oder am Wochenende ebenfalls ausgedehnter üben oder möglicherweise sogar jeden Tag vor und nach der Arbeit. Viele Wege führen nach Rom. Später erörtern wir noch verschiedene Möglichkeiten des intensiveren Übens, die du in Betracht ziehen kannst, wenn du auf dem Pfad voranschreitest.
Es ist wichtig, sich ausreichend Gedanken über die Zeit für die fortgeschrittenen Yoga-Übungen zu machen, sowohl am Anfang, wenn man sich daran gewöhnt, regelmäßig zweimal am Tag zu üben, als auch später, wenn man in fortgeschritteneren Stadien der Transformation Übungsphasen ausdehnen will. Sei darauf bedacht, die dir in diesem Leben zur Verfügung stehende Zeit, so gut zu nutzen, wie du nur kannst.
Der Guru ist in dir.