Frage: In Tantra Lektion 4 zur Rückhaltemethode heißt es: „Vor Hunderten von Jahren sagte der große Erneuerer des Yoga in Indien, Shankara: ‚Nicht einmal der größte Yogi kann in die Augen einer schönen Frau blicken, ohne dass sein Samen zu hüpfen anfängt.‘“ Ich finde zwar, dass die FYÜ-Lektionen großartig und begeisternder Stoff sind, doch dieses Zitat treibt mich um.
Bedeutet dies, dass große Yogis wie Yukteswar und Paramahansa Yogananda den Schönheiten und Kurven des weiblichen Körpers nicht standhielten? Ich erinnere mich an eine Zeile in der „Autobiographie eines Yogi.“, in der Yogananda seinen Guru, Yukteswar, zitiert und wo dieser sagt: „Erlaube dir nicht, durch die Schönheit eines hübschen Gesichtes ruiniert zu werden. Lass dich nicht von den Fröschen der Wünsche herumschubsen“, oder so was in der Art. Ausgehend von deinem Zitat Shankaras von damals: Waren fortgeschrittene Yogis wie diese also nicht immun gegen diese Dinge? Ich erinnere mich daran, als ich die Lehrbriefe Yoganandas durchgelesen habe, dass da von der vollkommenen Meisterschaft über Sex die Rede war, und dass es dazu kommt, sobald das Muladhara (Wurzel) Chakra durch die Kundalini völlig erweckt ist.
Wenn du das noch etwas näher erläutern könntest, wäre ich dir dankbar.
Antwort: Es sind die Methoden des Yoga, die uns befähigen, Meisterschaft über sexuelle Wünsche zu erlangen. Zutreffender wäre es, wenn man das als Transzendieren des sexuellen Verlangens bezeichnen würde. Der umfassende Yoga-Ansatz der Fortgeschrittenen Yoga Übungen thematisiert die Bewahrung und Kultivierung sexueller Energie (unabhängig vom Lebensstil) zusammen mit der notwendigen Kultivierung von innerer Stille, ekstatischer Leitfähigkeit und Ausstrahlung. Vor und während all dem kommt unsere Bhakti (spiritueller Wunsch). Die Kombination all dieser Mittel führt zur Transzendierung der Dominanz von reproduktivem Sex.
In der Neurobiologie wird Sex immer anwesend bleiben. Allerdings wird unsere Absicht diese Energie betreffend und die Manifestation, die sich daraus ergibt, aufgrund der Reinigung und Öffnung der spirituellen Neurobiologie in uns in Stille transformiert. Das schließt auch die Öffnung des Muladhara (der Wurzel) und aller anderen Aspekte unserer spirituellen Neurobiologie ein. Dann wird ein „sexueller“ Impuls durch uns als ein ekstatischer spiritueller Impuls aufsteigen, wodurch unser Verhalten entsprechend beeinflusst wird. Diese Reaktion entwickelt sich zu einem Automatismus. Es ist also wahr, dass wir über die Umklammerung oder die Notwendigkeit auf einen derartigen Impuls auf eine sexuelle Weise zu reagieren, hinausgehen. Wenn in einem Weisen der Samen hüpft, hüpft er stattdessen als Teil der aufkommenden ekstatischen Leitfähigkeit und Ausstrahlung in einer Welle ekstatischer Energie durch den Körper (und darüber hinaus) und das Verhalten, das sich daraus ergibt, ist göttlich.
Man braucht also wegen dieser natürlichen biologischen Reaktion keine Furcht zu haben oder besessen zu sein. Wie alles andere in Zeit und Raum wird es zu einer Welle auf dem Ozean unseres unendlichen SEINs, und wir können davon nicht weggewischt werden, genauso wenig wie der Ozean durch eine seiner Wellen weggewischt werden kann.
Betrachtet man Shankaras Aussage in seinem Kontext, dann macht sie absolut Sinn. Denke daran, dass er auf der Höhe seiner großen Mission noch ein junger Mann war. Seine Vitalität stand ohne Zweifel in voller Blüte. Vom Standpunkt der selbst-identifizierten Bewusstheit („Ich bin der Körper“), verstehe ich, dass Shankaras Aussage verwirrend sein kann. Doch hier sprechen wir darüber, dass wir weit über die Grenzen der Selbst-Identifizierung mit dem Körper hinausgehen, von da aus sprach Shankara auch. Es ist viel besser, mit unseren Trieben ehrlich umzugehen und sie durch effektive Methoden zu transzendieren, als sich Sorgen zu machen und mit ihnen auf der Oberfläche des Verstandes zu kämpfen, wo man mit ihnen niemals fertig werden kann.
Weitet man die sexuelle Funktion effektiv aus, so dass sie das volle Potenzial der ekstatischen Leitfähigkeit und Ausstrahlung belebt, wird sie das Vehikel für die in der tiefen Meditation kultivierte Stille. Diese fließt dann in einem nicht endenden Strom göttlicher Liebe aus. Das führt zur Einheit und Befreiung vom Leiden in diesem Leben für uns selbst und für viele andere. Das ist das wirklich Wichtige am springenden Samen eines Weisen, vorausgesetzt die Reise der menschlichen spirituellen Transformation wurde mit Ernsthaftigkeit unternommen. Haben wir effektive Übungen zur Hand, auch tantrische Methoden für die Ausdehnung der sexuellen Funktion nach oben durch die Erweckung der spirituellen Neurobiologie, dann kann uns Sex nicht schaden. Tatsächlich wird dann dieser riesige Speicher von Vitalität im spirituellen Leben zu einem Segen.
Nicht alle spirituellen Lehren werden Sex mit demselben Grad von Optimismus betrachten. Doch das Ergebnis aller effektiven Lehren ist dasselbe. Es zeigt sich in der Erweckung der inneren Fähigkeiten des menschlichen Nervensystems – bleibende innere Stille, ekstatische Glückseligkeit und ausfließende göttliche Liebe!
Der Guru ist in dir.