Frage: Ich habe eine Zeitlang versucht, zölibatär zu leben und finde das sehr frustrierend. Die Lust überfällt mich immer wieder und ich bin nicht in der Lage, zu widerstehen. Auch wenn ich es schaffe, enthaltsam zu sein, stelle ich fest, dass mich perverse Wünsche überfallen, die mich zu abartigen Verhaltensweisen drängen. Die Enthaltsamkeit scheint zu einer Verstärkung der perversen Tendenzen zu führen. Was ist da los? Wenn ich ernsthaft aufhören will, ein Leben mit sexuellen Obsessionen zu leben, warum werde ich immer wieder dahin zurückgezogen?
Antwort: Wann immer wir versuchen, eine Verhaltensweise in eine Richtung zu zwingen, die entgegengesetzt zu unserem Energiefluss ist, dann ist die Folge Widerstand und oft eine Umlenkung der Energie in ein schlimmeres Endergebnis, als wenn wir ihr erlaubt hätten, sich zuerst natürlich auszudrücken. Nirgendwo ist das offensichtlicher als in den dauernden Versuchen von Menschen und Einrichtungen, gewaltsam die Sexualität zu regulieren.
Es sollte also nicht verwundern, dass der Versuch, einen sich selbst auferlegten zölibatären Lebensstil zu erzwingen, zu Frustration und Verzerrungen im Verhalten führt. Das ist die übliche Folge einer vereinheitlichenden Herangehensweise an die Sexualität des Menschen. Sogar die Priester, von denen man annimmt, dass sie die Experten auf diesem Gebiet sind, finden sich in den Schlagzeilen angeprangert, weil ein Missbrauch nach dem anderen aufgedeckt wird und es deshalb einen Skandal nach dem anderen gibt. Werden wir jemals daraus lernen?
Sex ist nicht wie ein wildes Pferd, das man nur einmal zähmen muss. Die Wurzeln der Sexualität gehen viel tiefer, bis in den Kern unseres Wesens. Es bedarf der ständigen Anwendung von tantrischen Methoden und der Integration einer Reihe spiritueller Übungen, um diese große Kraft in den Schoß des spirituellen Lebens zu bringen. Auch dann noch können wir weiter sexuell aktiv sein und dies muss das spirituelle Leben nicht notwendigerweise negativ beeinflussen. Es kann sogar den spirituellen Fortschritt verbessern, wenn die Beziehung gesund und produktiv ist. Der sexuelle Lebensstil und Beziehungen sind eine persönliche Angelegenheit, solange niemand dabei geschädigt wird. Sobald die Sexualität gewaltsam zurückgehalten wird und in missbräuchliche Handlungen überfließt, ist es nicht länger eine persönliche Angelegenheit.
Deshalb ist es ratsam, dass du deiner Natur erlaubst, sich auszudrücken, ohne anderen dabei zu schaden und deine sexuelle Energie durch tantrische Methoden, die wir in diesen Lektionen diskutiert haben, sanft zu einer höheren Manifestation lockst. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut und wurde auch nicht ohne besonnenes Handeln erbaut. Dasselbe gilt für die Kultivierung der Sexualität, wenn es darum geht, sie hin zu ihrer Bestimmung als göttlicher Ausdruck auszuweiten.
Besteht unsere Beziehung zu unserer Sexualität aus einem „Nein!“, dann haben wir damit eine ruppige Schlittenfahrt gebucht. Besteht andererseits unsere Beziehung zur Sexualität mittels Rückhaltemethode, Blockierung und anderen tantrischen Techniken aus einem „Lass uns diese Art bevorzugen“, dann begeben wir uns damit auf die Straße der Transformation unserer Beziehung zum Sex und aus diesem Grund auf die Straße der Transformation unserer Beziehung zu allem.
Wahresr Zölibat ist ein Lebensstil, zu dem man nur schrittweise gelangt, nicht durch extreme Maßnahmen. Und das hängt sehr stark von der Person ab. Wir sind für eine gewisse Zeit vielleicht zölibatär und dann wieder nicht. Das ist eine Funktion unserer inneren Prozesse und nicht so sehr von äußeren. Einige werden die Straße des Zölibats überhaupt nicht wandern und trotzdem eine sehr fortgeschrittene spirituelle Entwicklung erreichen. Ist der reine Zölibatäre, der ein abartiges Verhalten nicht unterlassen kann, besser dran?
Der Zölibat sollte niemals eine Last sein. Ist er eine Last, dann pass auf, denn dann kann hinter der nächsten Ecke Ärger auf dich warten. Bei jenen, die sich nach einem zölibatären Lebensstil sehnen, wird sich „Selbstabstimmung“ als eine nützliche Herangehensweise herausstellen. Damit meinen wir, wenn notwendig eine Freisetzung von sexuellen Spannungen durch nicht schädigende Mittel wie der tantrischen Masturbation. Danach können wir auf unserem spirituellen Pfad ohne größere Abweichung weitergehen. Die Frustration wird geringer und der spirituelle Fortschritt größer sein.
Gehen wir mit einer ausgeglichenen täglichen Routine von spirituellen Übungen durchs Leben, finden wir zu zunehmend produktiveren Ausdrucksweisen für unsere Sexualität. Vielleicht wird das dann im Dienst an anderen sein oder in einer liebevollen Beziehung und einem Familienleben. Was immer für uns funktioniert, das tun wir. Kennen wir tantrische Methoden, können wir entspannen und leben, wie immer unser sexueller Lebensstil aussehen mag.
Spirituelles Leben heißt nicht, dass man die Sexualität unterdrücken muss, wodurch wir anfällig für ungesunde Verwerfungen werden. Es geht um das gekonnte Kanalisieren der sexuellen Energie in produktive Bahnen. Die Bildung von Gewohnheiten, die uns vorwärtsbringen, braucht Zeit und Übung. Schließlich wird jedoch alles, was wir tun, zu einem Ausdruck des göttlichen Flusses durch uns. Dies ist die Rolle der sexuellen Energie, wenn sie allmählich und systematisch zu ihrer höchsten Ausdrucksform ausgeweitet wird.
Der Guru ist in dir.