Website-Icon Fortgeschrittene Yoga Übungen – Leichte Lektionen für ein ekstatisches Leben

Lektion 85 – F&A – Nochmals zu den Erleuchtungsmeilensteinen

Frage: Zunächst würde ich dir gerne für die Lektionen danken, von denen ich glaube, dass sie sehr hilfreich sind und das Programm, das du zusammenstellst, scheint ein gutes zu sein, weil es alles abdeckt. Ich folge den Lehren eines anderen Yogis und bin glücklich damit. Aber ich vergaß dessen Kundalini-Meditation, die ich eigentlich wöchentlich üben sollte. Deshalb passen deine unschätzbaren Unterweisungen gut und sie füllen die Lücke, die in meinem spirituellen Programm entstanden ist. (Ich habe mein Herz- und Kronen-Chakra auf eine Art bearbeitet, dass Kundalini aufsteigt, aber habe mich nicht direkt auf meine Kundalini konzentriert.) Ich nehme deine Übungen sehr langsam durch (ich habe erst die ersten paar Sachen gemacht und übe auch nur einmal am Tag) weil ich vor ein paar Jahren einen Kundalini-Vorfall hatte, der mich fast umgebracht hätte, es hat einen sehr sprunghaften Herzschlag massiv verschlimmert; Atemprobleme hätten mich mit jeder Welle fast bewusstlos gemacht und das hat mich auch während der Wellen, die fast eine Stunde dauerten, teilweise gelähmt. Dabei baute sich die Energie jedes Mal mehr und mehr auf. Es war wie ein mich umgebender reißender Fluss… seltsamerweise lief er auch außerhalb meines Körpers… und auch von der Ebene der Wirbelsäule aufwärts tobend mitten durch meinen Körper. Ein Meister half, rettete mein Leben bei diesem Zwischenfall, indem er irgendwie die Energie während und zwischen den Wellen aus meinem Körper herauszog (er kann vielleicht auch die Kundalini-Energie in eine andere Energie umgewandelt haben), und hat dann als letztes Mittel versucht eine Art von völliger Energieentleerung anzuwenden. Das hat glücklicherweise die Wellen sofort angehalten. Ich glaube, dass ich tot wäre, wenn er und seine schnelle Hilfe nicht gewesen wären, ich war da in großen Schwierigkeiten. Ich brauche deshalb nicht zu sagen, dass ich jetzt vorsichtiger bin, als ich es früher war. Meine Frage bezieht sich auf einen Traum, den ich letzte Nacht hatte. Ich frage mich nun, ob das eine Warnung für mich war, mit meinen Übungen langsamer zu tun. Sollte ich das einfach ignorieren (ich frage mich, ob das möglicherweise von Kundalini ausgelöst wurde)? Ich habe geträumt, dass ich Kundalini-Wellen hatte, die genau mein Rückgrat entlang hochgingen. Aber die Kundalini lief in den inneren oberen Teil meines Kronen-Chakras (wie das Innere des Scheitels meines Kopfes), es stieß da jedes Mal dagegen, wenn es hochflutete. In meinem Traum wurde es dort deswegen ziemlich schmerzempfindlich. Glaubst du, dass ich deswegen in Sorge sein muss und deshalb alles ein bisschen zurückschrauben sollte?

Antwort: Danke, dass du deine Erfahrungen so großzügig mit uns teilst. Ja, in Anbetracht dessen, was du durchgemacht hast, stimme ich dir zu, dass du in deiner Praxis sehr zurückhaltend und maßvoll sein solltest. Jede Art von Warnsignalen solltest du sehr ernst nehmen. Jedoch sollte man vor seinem Erleuchtungsprozess auch keine Angst haben. Es ist allerdings klar, dass dies bei dir nicht der Fall ist. Für jeden von uns ist es wichtig, sich selbst zu kennen – seine Grenzen, seine Möglichkeiten für einen ausgeglichenen Prozess. Wir müssen in der Lage sein, uns auch hinsichtlich dessen zu beurteilen. „Orientierung an der Erfahrung“ ist das Mahnwort in dieser Runde. Wir werden Hilfsmittel in rauen Mengen haben. Aber wie wir sie einsetzen, ist entscheidend. Jeder muss nach seinem eigenen Zeitplan – abgestimmt auf die eigenen Fähigkeiten und Bedürfnisse – vorgehen. Damit trägt man eine große Verantwortung.

Das Ziel dieser Lektionen ist es, jeder Person die Gelegenheit zu bieten, bei ihrer spirituellen Reise selbst auf dem Fahrersitz zu sitzen. Wer anders kann dort sitzen? Dies ist eine unorthodoxe Herangehensweise an die Weitergabe spirituellen Wissens. Aber das geht konform mit dem in den letzten Jahrhunderten vorherrschenden Geist der schnellen Ausdehnung praktischer Anwendungen zu wissenschaftlichen Erkenntnissen. So viel Gutes ist der praktischen Anwendung von Wissenschaft entsprungen, wie wir überall um uns herum sehen können. Ist das für jedermann absolut ungefährlich? – Nein, das ist es nicht. Es gibt immer Leute, für die es eine Gefahr darstellt, machtvolles Wissen frei zur Verfügung zu haben. Heißt das, es sollte in unserer Welt keine Autos, Flugzeuge, Elektrizität oder das Internet geben? Sollen die fortgeschrittenen Yoga-Übungen nicht für jeden frei verfügbar sein, weil dieses Wissen gelegentlich auch Risiken bergen kann? Ich hoffe nicht. Wie kann die ganze Menschheit lernen, den inneren Weg reinen Glückseligkeitsbewusstseins und göttlicher Ekstase zu wandern, wenn sie sich nicht damit beschäftigt? Das ist die Herausforderung. Astronauten werden einmal zum Mars fliegen und weiter. Jeder von uns wird sich irgendwann einmal mit dem Unendlichen in sich vereinigen und diese Erfahrung mit hinaus in sein alltägliches Leben nehmen. So verläuft die Reise des menschlichen Geistes zu mehr – zu immer mehr. Wir wissen intuitiv, dass wir unendlich sind. Für unsere Erfahrungen gibt es keine Grenzen.

Was hat es nun mit diesen Kundalini-Erfahrungen auf sich, mit denen wir uns in letzter Zeit öfter befasst haben? Einige davon sind ziemlich extrem. Sind diese zum Erreichen der Erleuchtung wirklich notwendig? Können wir weiterkommen, auch ohne solche extremen Zustände ertragen zu müssen? – Gehen wir für ein paar Minuten einen Schritt zurück und versuchen wir für Kundalini-Erfahrungen ein Verständnis zu entwickeln – warum sie sich ereignen und wie sie zu unserer allgemeinen Reise zur Erleuchtung passen. Dazu wollen wir zunächst zurückgehen und noch einmal die Lektion 35, „Meilensteine der Erleuchtung“ (Fragen und Antworten zur Meditation) ansehen.

In dieser Lektion sprachen wir über drei in unseren Erfahrungen sich manchmal überschneidende Stadien der Erleuchtung, die jedes ihre besonderen Merkmale hat.

Das erste Stadium ist der Anstieg von Stille im Nervensystem. Tiefe Stille ist das eigentliche Wesen reinen Glückseligkeitsbewusstseins. Sie ist absolute Stabilität. Nichts ist in der Lage, sie zu bewegen. Sie ist wie ein Fundament aus anstehendem Gestein, das allem unterlegt ist, was wir sind und tun. Sie ist das Wesen von dem, was wir sind. Sie kommt in erster Linie durch Meditation und ist die Quelle von innerem Frieden und unerschütterlicher Sicherheit, die wir beim Voranschreiten auf dem spirituellen Pfad erfahren. Sie ist unser unsterbliches Sein und ihr Aufstieg in unserem Nervensystem dient als Basis für jede weitere spirituelle Entwicklung.

Das zweite Stadium ist der Aufstieg von Ekstase. Dahinter steht Prana, das in unserem Nervensystem in einen sehr viel ausgedehnteren Funktionszustand übergeht. Es ist die sexuelle Energie, die nach oben steigt – Kundalini. Es ist gleichzeitig reines Glückseligkeitsbewusstsein – tiefe, in unserem Inneren sich bewegende Stille. Es ist die Ausdehnung von sinnlichen Erfahrungen in ekstatische Regionen. Dieser Wandel wird durch Pranayama und andere Techniken gefördert, die so gestaltet sind, dass sie Prana in einen Zustand der Kundalini-Erweckung anregen. Gewöhnlich ist das sehr angenehm. Manchmal aber können die Erfahrungen ins Extreme gehen, d.h. es können Kundalini-Probleme auftreten. Warum? – Mehr dazu in Kürze.

Das dritte Stadium, das Aufsteigen der Einheitserfahrung, in der wir alles als einen Ausdruck des EINEN sehen, zu dem wir geworden sind, ist die Vereinigung von individuellem Ego mit reinem Glückseligkeitsbewusstsein, mit göttlicher Ekstase und allem, was in der Vergänglichkeit existiert. Dazu kommt es, sobald unser Konzentriertsein in reinem Glückseligkeitsbewusstsein systematisch dazu ermutigt wird, über den Körper hinauszugehen. Das ist die Erleuchtung, die Verwirklichung, die Frucht des Yoga. Wir leben das „Lieben unseres Nächsten wie uns selbst“ als Realität: Es wird für uns aus eigener Erfahrung offensichtlich, dass unser Nächster wir selbst sind. Das hat natürlich einen großen Effekt auf unser Verhalten – einen positiven Effekt mit weit reichendem Nutzen.

Für jedes dieser drei Stadien gibt es spezielle fortgeschrittene Yoga-Übungen und es existiert für sie eine logische Abfolge. Zumindest gilt das für diese Lektionen hier in etwa so: erstes Stadium, zweites Stadium, drittes Stadium.

Dabei dreht sich alles um Reinigung. Wäre unser Nervensystem vollkommen rein, irgendwie befreit von all den „Karma-Samen“, die wir in unseren unzählbaren früheren Leben angesammelt haben, würden wir erleuchtet geboren werden. Dann wären wir vielleicht wie Krishnamurti (vgl. Lektion 84), säßen herum und würden sagen: “Da ist gar nichts dabei. Sei nur achtsam und bewusst.“ Man braucht nicht meditieren, es gibt keine fürchterlichen Kundalini-Erfahrungen, überhaupt keine Reise – nur Glückseligkeit, Glückseligkeit, Glückseligkeit!

Gut, die meisten von uns haben noch ziemlich viel Hausreinigung zu absolvieren und das ist keine Arbeit, die über Nacht geschehen kann. Es ist nicht im Entferntesten damit vergleichbar, einen Reinigungsdienst zu beauftragen, der dann für ein paar Stunden kommt und die Sache ist erledigt. Auch mit den besten spirituellen Übungen braucht das viele Jahre, vielleicht sogar ganze Leben. Doch, wie bereits oben erläutert wurde, geht keine Reinigungsanstrengung jemals verloren. Das ist das einzige, was wir mit uns nehmen können, wenn wir die Erde verlassen.

Es ist also der Prozess der Hausreinigung, der den Verlauf unserer spirituellen Reise, unsere Erfahrungen, bestimmt. Wie wir diese erledigen, ist entscheidend. Es gibt einige spirituelle Ansätze, die in der Mitte des Erleuchtungsprozesses anzusetzen scheinen. Sie beginnen mit Methoden, die Kundalini unmittelbar zum Aufsteigen bringen. Was passiert? Kundalini bewegt sich manchmal. Manchmal bewegt sie sich nicht. Wenn sie sich bewegt, kann das aufwärts in ein Nervensystem sein, das noch nicht bereit, noch nicht genügend gereinigt ist. Das ist dann vorzeitige Erweckung und die Ursache für sehr extreme Kundalini-Erfahrungen. Es ist eine verwickelte Angelegenheit, weil jemand vielleicht noch überhaupt keine Kundalini-Stimulierung in diesem Leben unternommen hat und doch zugänglich für vorzeitige Kundalini-Erweckung ist. Deren Nervensystem scheint dafür verdrahtet zu sein. Vielleicht haben sie diese Praktiken in früheren Leben betrieben und haben nun die Aufgabe, das zu stabilisieren. Wer weiß? Aber ohne Zweifel gibt es Leute, die einer vorzeitigen Kundalini-Erweckung zugänglich sind. Du wirst früh genug erfahren, ob du dazugehörst. Falls du zu diesen Leuten gehörst, musst du vorsichtig sein. Einige andere werden da einfach ohne Problem durchstarten. Am liebsten wären wir alle so gesegnet. Für die meisten Menschen ist es eine stufenweise Entfaltung und die Fortgeschrittenen Yoga Übungen sind so entworfen, keine Wunder über Nacht hervorzurufen – dafür jedoch einen stetigen Fortschritt.

Bei dem Ansatz hier führen wir zunächst eine sanfte, „globale“ Hausreinigung durch – das heißt: Meditation, Hervorbringen der Stille, des reinen Glückseligkeitsbewusstseins und Baden des gesamten Nervensystems darin. Dies ist ein sehr effektives Reinigen des gesamten Nervensystems und ist gewöhnlich sehr sanft. Das ist ein Arbeiten am ersten Stadium der Erleuchtung, weißt Du. Trotzdem, wenn jemand für Kundalini-Probleme anfällig ist, kann sogar sanfte Meditation die Dinge aufwühlen. Dann sollte die Praxis gemäßigt, die Meditationszeit verkürzt und dafür mehr körperliche Aktivität, mehr erdende Methoden eingeplant werden. Für einige Leute ist alleine schon Meditation genug. Eigene Erfahrung ist dabei der beste Führer.

Wenn die Meditation gut läuft und Stille und Frieden bringt, kann man die Wirbelsäulenatmung hinzufügen. Damit fokussiert man die Reinigung mehr auf den Wirbelsäulennerv, die Sushumna, und man schlägt eine sanfte Bahn in Richtung Hervorbringung ekstatischer Leitfähigkeit ein. Das ist eine sehr sanfte Art, Kundalini zu stimulieren. Man hält sie im richtigen Fahrwasser und stellt den Bezug zu ihrem entgegengesetzten Pol, der bei jeder Ausatmung von oben herunterkommenden männlichen Energie, her.

Sobald dann die Meditation und die Wirbelsäulenatmung reibungslos ablaufen, können weitere Übungen hinzugenommen werden. Dieser Prozess des Hinzunehmens kann, abhängig von der jeweiligen Person, mehrere Monate, Jahre oder Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Der entscheidende Faktor wird die eigene Erfahrung sein, kein von irgendjemand vorgegebener Zeitplan. Dabei sollte aber auch kein rücksichtsloser Ehrgeiz, eine superschnelle Abkürzung zur Erleuchtung zu finden, eine Rolle spielen. Das wäre so, als würde man das erste Mal mit dem Auto fahren und dann gleich mit 160 Sachen. Der Ausgang dieser Art von Herangehensweise ist abzusehen.

Wie immer die Vergangenheit deiner Übungspraxis aussieht, das ist Vergangenheit. Ob gut oder schlecht, wir müssen mit den Ergebnissen daraus leben. Heute können wir neu beginnen und darauf achten, dass wir die Fundamente gewissenhaft legen und nicht bestrebt sind, gleich zum Ziel zu eilen. Kultivieren wir die Stille reinen Glückseligkeitsbewusstseins in uns solange, bis sie in uns genügend Festigkeit erlangt hat, stehen für uns die Chancen gut, Kundalini komplikationsfrei zu erwecken. Das ist dann statt einer schrecklichen eine ekstatische Erweckung. Die Kundalini-Erweckung ist eine Etappe auf dem Weg – irgendwo in der Mitte. Das Zum-Aufstieg-Bringen der Kundalini ist nicht der gesamte Weg. Es ist nur der mittlere Teil. Das Hervorbringen der Stille reinen Glückseligkeitsbewusstseins ist der ganze Weg – der Beginn, die Mitte und das Ende. Alles andere hängt davon ab. Das ist auch der Grund, warum in den frühen Lektionen einmal gesagt wurde, die Meditation sei ausreichend, wenn das alles wäre, zu was man neigt, und sie sollte immer im Zentrum unserer Praxis stehen. Für diejenigen, die ehrgeizig sind und darauf abzielen, den Job in diesem Leben zu einem Ende zu bringen, werden die anderen Mittel angeboten. Doch die Meditation sollte man niemals aus dem Programm streichen. Das Ganze kann zu einer sehr schwierigen Reise werden, wenn man versucht, die anderen Dinge zu machen, ohne eine feste Basis in tiefer Stille und reinem Glückseligkeitsbewusstsein zu besitzen.

Wie lange sollte man mit der Meditation das Haus reinigen, bevor man die Kundalini direkt stimuliert? – Das ist von Person zu Person verschieden. Hast du eine gute innere Stille und Stabilität, kann das schon bald sein. Für andere wird das lockere und entspannte Meditieren jeden Tag – über Jahre oder Jahrzehnte – eine gute Reiseroute darstellen. Es ist eine Verbindung aus deinen Fähigkeiten und deinem Verlangen (Bhakti), was deinen Weg bestimmt. Einige verhalten sich konservativ. Andere sind eher aggressiv. Denke aber immer daran, dass Rom nicht an einem Tag erbaut wurde. Versuche selbst einen für dich gültigen Zeitplan zu finden, ergründe deine Fähigkeiten und mache so Tag für Tag weiter. Es ist ein langer Weg. Es besteht keine Notwendigkeit, die Räder vom Wagen abzuschrauben, nicht nach der ersten Runde um den Parcours und auch nicht nach der einhundertsten.

Der Guru ist in dir.

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