In der vorhergehenden Lektion haben wir eine ganze Reihe von Selbst-Analyse (Jnana-Yoga) Techniken wiederholt. Wir unterteilten sie in die fünf Kategorien: natürlich, loslassend, bekräftigend, negierend und transzendierend.
Jeder kommt auf seinem eigenen Weg zur Selbst-Analyse. Der Ansatz, den jemand wählt, kann aus einer Mischung und Abstimmung irgendwelcher oder aller dieser Arten von Übungen bestehen. Kultivieren wir in der tiefen Meditation bleibende innere Stille, beginnen wir früher oder später, in unserer Selbst-Analyse eine Zugkraft festzustellen. Wir umschreiben dies mit „beziehungsvoll“, weil Analysen, die in die Stille losgelassen werden, in der Lage sind, Stille zu bewegen und die wahre SELBST-Erkenntnis hervorzubringen. Bevor wir das erreichen, werden unsere Analysen nur im Denken stattfinden und deshalb nur begrenzte Wirkung für unseren spirituellen Fortschritt entfalten. Tatsächlich kann eine nicht-beziehungsvolle Selbst-Analyse (im Denken statt in der Stille) für unseren Fortschritt Widerstände im Denken und den Gefühlen aufbauen. Vgl. Lektion 325.
Dasselbe gilt für Samyama. Das ist der Grund dafür, warum wir gesagt haben, dass zumindest ein wenig bleibende innere Stille eine Voraussetzung für die Samyama-Übung ist. Dort ist das jedoch nicht so kritisch wie im Fall der Selbst-Analyse, weil Samyama ein Aspekt unserer zweimal täglichen sitzenden Übung ist und wir können uns etwas Ineffizienz in der strukturierten Übung leisten, weil wir allmählich die Gewohnheit entwickeln, unsere Samyama-Sutras in die Stille loszulassen. Dann manifestiert sich diese Gewohnheit, in die Stille loszulassen, schön langsam auf positiven Wegen in den täglichen Aktivitäten: als bleibende innere Stille und dessen natürliche Bewegungen, die schrittweise in unserem Leben zunehmen.
Andererseits ist die Selbst-Analyse eine Aktivität, die wir geneigt sein können, außerhalb der sitzenden Übungen, während der normalen Aktivitäten aufzunehmen. Sind unsere innere Stille und unsere Fähigkeit, Absichten in die Stille loszulassen, begrenzt, kann eine Selbst-Analyse unsere Lebensqualität negativ beeinflussen. Das kann im Extremfall dazu führen, dass wir unser früheres Leben vor dem Aufkommen von SELBST-Erkenntnis ganz ablehnen. Uns wäre es aber lieber, fänden wir einen Weg, auf dem wir die Selbst-Analyse als natürliches Ergebnis der sitzenden Übungen kultivieren könnten, so dass eine Forcierung auf der Ebene des Verstandes und die damit verbundenen Schwierigkeiten im täglichen Leben minimiert werden können.
Wir haben bereits in früheren Lektionen von verschiedenen Winkeln aus diskutiert, wie die Gewohnheit des Samyama natürlicherweise über die strukturierten sitzenden Übungen in unsere täglichen Aktivitäten ausgreift. Das bringt viele praktische Vorteile, nicht zuletzt die natürliche Belebung gleich welcher Art von Selbst-Analyse, zu der wir uns vielleicht hingezogen fühlen. Doch bisher haben wir noch keine Mittel vorgestellt, mit Hilfe derer wir die Selbst-Analyse so zurück in unsere strukturierten sitzenden Übungen bringen können, dass dadurch unsere Fähigkeit, zum Zweck der SELBST-Erkenntnis im täglichen Leben zu analysieren, effektiv und natürlich gestärkt wird.
In dieser Lektion wollen wir dies angehen und schlagen vor, dass jeder, dem danach ist, das Selbst-Analyse Sutra zu seiner Samyama-Kernübung hinzufügt. Die Samyama-Kernübung kann man in Lektion 150 wiederholen.
Die Samyama-Kernübung kann man in Lektion 150 wiederholen.
Das neue Sutra lautet:
„Ich-Gedanke – Wer bin ich?“
Unser komplettes Set von Sutras bei der Samyama-Kernübung würde dann so aussehen:
Liebe
Ausstrahlung
Einheit
Gesundheit
Stärke
Überfluss
Weisheit
Nach innen gerichtete Sinnlichkeit
Akasha – Leichtigkeit von Luft
Ich-Gedanke – Wer bin ich?
Für jene, die sich dafür entscheiden, das Selbst-Analyse-Sutra hinzuzufügen, bleiben die Anweisungen für die Übung in Lektion 150 unverändert. Wir nehmen einfach ein neues Sutra hinzu und erweitern die Liste von neun auf zehn. Außerdem schlagen wir jenen, die sich für diesen Schritt entscheiden, das neue Sutra der Selbst-Analyse als Standard für zusätzliche Wiederholungen am Ende der Sitzung vor. Machen wir also bei jedem Sutra zwei Wiederholungen á 15 Sekunden Loslassen in die Stille, dauert es ungefähr 5 Minuten, um die Liste völlig abzuarbeiten. Sind wir am Ende der Liste angelangt, haben wir die Option, ungefähr fünf Minuten das Sutra für die Selbst-Analyse zu wiederholen. Wiederholen wir jedes Sutra nur einmal, können wir uns zum Abschluss noch einige Minuten auf das Selbst-Analyse Sutra konzentrieren. Machen wir vier Wiederholungen mit jedem Sutra, würde eine zehnminütige Wiederholung des Selbst-Analyse-Sutras am Ende dazu passen. So kann man vorgehen.
Am besten ist es, sich in der Kern-Samyama-Übung eine Gewohnheit der Stetigkeit anzueignen und nicht zu oft Veränderungen vorzunehmen. Die Gewohnheit der Aufmerksamkeit in Beziehung zur Verfeinerung des neurologischen Funktionierens wird mit der Zeit und mit zunehmender Beständigkeit unserer täglichen Praxisroutine immer tiefer gehen. Die Auswirkungen auf die täglichen Aktivitäten, wo wir sie uns ja auch wünschen, verfestigen sich.
Wo wir schon bei den Auswirkungen sind! Wie sieht es mit den Auswirkungen aus, die man infolge der Hinzunahme dieses Selbst-Analyse-Sutras in unserem Leben erwarten kann? Um das zu eruieren, wollen wir auf das Sutra selbst blicken.
Das Sutra besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil ist der „Ich-Gedanke“. Das ist das „Ich“, mit dem wir im tagtäglichen Leben so vertraut sind: Ich denke das, ich fühle das, ich tue dies, etc. Es ist dieses „Ich“, das wir ständig vom Augenblick unseres Aufwachens am Morgen bis zum Moment unseres Einschlafens in der Nacht vor uns hersagen. Wir können selbst während unserer Träume im Schlaf mit dem Ich-Gedanken beschäftigt sein. Wir scheinen davon nicht loskommen zu können, außer im traumlosen Tiefschlaf. Wir verwenden den Ausdruck „Ich-Gedanke“ statt „Ich“, um Klarheit über die Tatsache zu schaffen, dass das „Ich“ ein Gedanke ist, und nicht das Subjekt oder der wahre Beobachter von allem, das wir tun. Doch es ist der gemeinsame Nenner in allem, was wir denken, fühlen oder tun. Nur ein bisschen Analyse reicht aus, um diese Tatsache zu bestätigen. Was ist das, das denkt, fühlt und dies im Augenblick tut? Es ist das Ich. Es ist der Ich-Gedanke. Darauf läuft es immer hinaus. Das ist also der Ort, an dem wir mit dem Sutra beginnen. Finden wir die Quelle des Ich-Gedankens, finden wir die Quelle von allem.
Der zweite Teil des Sutra lautet: „Wer bin ich?“ Das erfordert wenig Erläuterung, außer dass wir sagen müssen: Wir sind nicht verantwortlich dafür, irgendeine Antwort auf diese Frage in unserem Denken zu finden. Die Analyse ist Teil eines Sutra. Wir greifen das schwache Gefühl des Sutra „Ich-Gedanken – Wer bin ich?“ auf … lassen das für 15 Sekunden in die Stille gehen und wiederholen es.
Mit diesem Sutra nehmen wir den Ich-Gedanken und analysieren seine Quelle in der Stille. Wir beginnen, den Ich-Gedanken (der sich hinter allem, was wir jeden langen Tag denken, fühlen oder tun, befindet) zu durchdringen und die Illusion des falschen Sinnes für das Selbst aufzulösen. Bei der strukturierten Samyama-Übung geht dieser Prozess ohne Rücksicht auf das, was wir denken oder fühlen, weiter, genauso, wie dies bei allen anderen Sutras der Fall ist. Wir ziehen diese Vorgehensweise jeder möglichen Erfahrung vor, die aufkommt. Das Sutra oder irgendetwas anderes, das sich aus seinem Gebrauch ergeben kann, analysieren wir nicht. Später, nach unserer Übung, können wir alles analysieren, was wir wollen. Haben wir dieses zusätzliche Sutra einmal für einige Wochen oder Monate genutzt, könnten wir in der Tat feststellen, dass unsere Versuche des Analysierens während unserer normalen täglichen Aktivitäten auf eine höhere Ebene des Wissens gehoben werden. Damit wollen wir sagen, dass die Antwort auf unsere Analyse allmählich Teil unseres Lebns wird.
Was ist die Antwort? Ist es eine Idee, eine Behauptung oder eine Affirmation? Ein „Aha!“ Im Geiste? – nicht wirklich. Es ist der Zustand unseres eigenen SELBST, der sich in den tagtäglichen Aktivitäten bemerkbar macht. Die Antwort kommt gar nicht in den Verstand. Dort kann man sie nicht erkennen. Sie liegt jenseits des konkreten Ich-Gedankens. Die Antwort liegt im Zustand des SELBST. Wir werden zu DEM, und DAS kann der Verstand oder der Ich-Gedanke nicht erkennen.
Der Prozess zeigt Ähnlichkeit mit dem Aufkommen der inneren Stille (Zeuge), mit dem wir von unserer täglichen tiefen Meditationspraxis her vertraut sind. Es besteht nur ein wichtiger Unterschied. Mit effektiver Selbst-Analyse zieht sich der Ich-Sinn, d.h., der Ich-Gedanke in den Zeugen zurück und damit einhergehend die Wahrnehmung eines zweifachen Zustands von Zeugen und Bezeugtem oder Beobachter und Beobachtetem. Das geht über den Zeugenzustand hinaus. Die Subjekt-Objekt-Beziehung wird transparent. Sie besteht nicht mehr aus zwei. Sie ist nur noch das EINE. Der Verstand und der Ich-Gedanke werden zurückgelassen, obwohl es scheint, dass sie weiterhin mehr oder weniger normal funktionieren. Dies ist das Paradox der Erleuchtung. Alles verändert sich für uns und unsere Umgebungen, obwohl es scheinen mag, dass sich da überhaupt nicht so Vieles verändert. Von dieser Art ist das Wissen des Unbekannten.
Obwohl wir vielleicht intellektuell verstehen, dass unser Sinn für das „Ich“ nur ein Gedanke ist, der Wurzelgedanke für alle anderen Gedanken, wird man mit dieser Übung noch viel weiter kommen. Selbst-Analyse im Rahmen einer strukturierten Samyama Praxis löst den Ich-Gedanken tief in uns, an seiner Quelle, jenseits des Verstandes und des Intellekts, auf. Das ist der Ort, wohin jede Selbst-Analyse gelangen muss. Stehen wir von den Übungen auf und gehen wir hinaus in die Welt, beginnen wir die Dinge auf andere Weise zu sehen. Der Ich-Gedanke und all seine Illusionen klingen ab. Dies wird ersetzt durch Frieden und göttliche Liebe, die immer unmittelbar unter der Konfusion eines vom Ego getriebenen Lebens gegenwärtig waren.
Dieser Zusatz zur Samyama-Übung beißt sich mit keiner anderen Art der Selbst-Analyse, die wir vielleicht während des Tages ausführen. Es ist sogar wahrscheinlich, dass sie diese verbessert. Möglicherweise verändern sich unsere Standpunkte im Leben und auch die Art, wie wir unsere Welt betrachten. Gleichzeitig stellt sich ein größeres Freiheitsgefühl ein. Unsere Selbst-Analyse während des Tages wird uns zu größeren Einsichten verhelfen. Natürlich ist das immer unsere Entscheidung. Wir werden von einem tieferen Ort aus entscheiden. Letztendlich entscheiden wir dann von gar keinem Ort aus mehr. Doch das Leben geht weiter. Wir lernen, es dann aus der Perspektive der ausfließenden göttlichen Liebe und der Stille im Handeln kennen und nicht einmal das. Denn dabei handelt es sich genauso um Erfahrungen in Raum und Zeit. Das SELBST liegt jenseits von all dem, jenseits aller göttlichen Prozesse, die sich der Verstand vorstellen oder ausdenken kann.
Es soll noch erwähnt werden, dass dies ein kraftvoller Zusatz zur Samyama-Übung ist und wie bei jeder anderen Übung kann man es damit übertreiben. Deshalb wird man gut daran tun, damit langsam zu beginnen. Wie wir dies immer tun, sollten wir die Übung besonnen und nach Maßgabe unserer Erfahrungen während des Tages vorsichtig abstimmen. Merken wir, dass wir uns während des Tages ein wenig ausgefranst und erschöpft fühlen, ist es von Vorteil, die Übung ein wenig zu beschneiden, bis die Dinge wieder geschmeidiger geworden sind. Es ist viel besser, die Übungen gemäßigt anzugehen, zu entspannen und die Fahrt zu genießen, anstatt aufgrund von Übertreibung in unangenehme Verzögerungen zu geraten und der Erholung wertvolle Zeit einräumen zu müssen.
Zusätzlich zu den normalen Energieproblemen, die sich mit einem Übertreiben von Übungen einstellen können, kann es im Zuge der Auflösung von Dualität in Nichtdualität zu einigen Zweifeln kommen. Wir mögen uns die Frage stellen, ob wir schon bereit sind, unser Ego aufzugeben und die sich daraus ergebenden Konsequenzen ganz zu leben. Das ist zwar Freiheit im höchsten Grad, doch kann man diese nicht leben, wenn man den Status quo von ich, mir und mein beibehält. Es tritt da eine Verschiebung auf, die sich auf unsere Hingabe stützt. Das bedeutet nicht, dass wir deswegen unseren Lebensstil dramatisch verändern müssen. Es bedeutet nur, dass sich unsere Sichtweise auf das Leben verändern wird. Man muss etwas Mut aufbringen, die alten selbst-identifizierenden Wahrnehmungsgewohnheiten loszulassen. Dieser Samyama-Zusatz führt direkt zu dieser Transformation und etwas Zögern beim Begehen dieses Wegs ist normal. Wir tun weise daran, auch hier Selbstabstimmung anzuwenden. Jeder wünscht sich gute Fortschritte und dabei Bequemlichkeit und Sicherheit. Haben wir die Wahl, ziehen wir die sanfte Fahrt der holprigen vor. Wir haben immer die Wahl.
Übe also mit Bedacht und erfreue dich daran!
Der Guru ist in dir.