Lektion 75 – Siddhasana – In einer Quelle von Ekstase leben

Lektion 75 – Siddhasana – In einer Quelle von Ekstase leben

Gut, wir sind nun bereit für einige fortgeschrittenere Yoga Techniken.

Von jetzt ab beschäftigen wir uns mit Übungen, die deutlich aggressiver sind, Siddhasana ist die erste davon. Bevor du eine davon aufnimmst, ist es unabdingbar, dass du in den bisher in Angriff genommenen Übungen gefestigt bist. Wenn du gleich mit diesen Übungen anfängst, ohne dass du dich mit Meditation, Pranayama und dem Rest der Übungen sehr gut angefreundet hast, wird nicht viel Gutes dabei herauskommen. Versichere dich, dass du im Einklang mit dem von dir gewählten Zeitplan vorgehst. Du kannst auch Jahre mit den anderen Übungen zubringen, bevor du dich bereit für diese nun folgenden sehr fortgeschrittenen Yoga-Techniken fühlst und das ist vollkommen in Ordnung. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.

Mit aggressiv meinen wir, dass mehr Fokus auf die Stimulation von Prana im Körper gelegt wird. Während das heißt, dass sich mehr reines Glückseligkeitsbewusstsein regt und mehr Ekstase in uns aufkommt, bedeutet es gleichzeitig mehr Reinigung im Nervensystem. Mehr Reinigung bedeutet, dass sich mehr Dinge lösen und aus dem Inneren herauskommen, wodurch auch Unbehagen entstehen kann. Versuche immer deine Übungen mit deinem Lebensstil in Einklang zu bringen, damit du ein stetiges Maß an Reinigung aufrechterhältst.

Wir versuchen immer unsere Routine so auszubalancieren, dass der spirituelle Fortschritt maximal ist und wir gleichzeitig unser tägliches Leben locker weiterführen. Wie wir uns außerhalb der Übungen im täglichen Leben fühlen, ist die beste Messlatte. Dies wurde immer und immer wieder gesagt und kann nicht oft genug wiederholt werden. Es ist eine Lebenstatsache für jeden, der ernsthaft den Yoga-Pfad beschreitet. Man könnte dies die hohe Kunst der Hausreinigung nennen – eine, bei der wir kein Chaos verursachen.
In diesem Sinne wollen wir also in das Thema eintauchen.

Wenn du nach all dem, was wir bisher gemacht haben, immer noch mit leuchtenden Augen und buschigem Schwanz herumläufst, hast du für das, was jetzt kommt, sicher ein Naturtalent und du wirst jede Einzelheit davon lieben. Entweder das oder du schreist „Das ist ja exzentrisch!“. Vielleicht machst du auch beides zugleich – dass du das Exzentrische liebst.

Siddhasana ist der nächste Schritt in der Vervollständigung unserer Übungen. Es bedeutet „Sitz der Vollkommenen“. Du erinnerst dich an Lektion 33, als wir über „eine neue Art des Sitzens“ bei der Meditation sprachen. Vielleicht gehst du mal zurück und liest dir die Lektion noch einmal durch.

Ausführung von Siddhanasa

Wir gehen hier bezüglich dem, was wir in Lektion 33 besprochen haben, einen Schritt weiter. Wir haben dort gesagt, dass es gut wäre zu lernen, bequem in der kreuzbeinigen Sitzhaltung – die Zehen ein bisschen unter den jeweils anderen Fuß gesteckt und die Sohlen nach oben gedreht – meditieren zu können. Dies gelingt am besten auf einer weichen Unterlage wie einem Bett und mit Rückenunterstützung, wobei dies sowohl für das Pranayama als auch für die Meditation gilt.

Nun schieben wir den inneren Fuß weiter unter und setzen unsere Ferse unter unser Perineum. Wir sitzen dort auf unserer Ferse, während die Oberseite des Fußes fast flach auf dem Bett aufliegt. Es ist keine gute Idee, das auf einer harten Oberfläche auszuprobieren.

Man braucht nicht sein ganzes Gewicht auf die Ferse zu legen. Verwendest du die empfohlene Rückenunterstützung, kannst du dich ein wenig zurücklehnen und eine ziemlich angenehme Haltung finden, in der du mit der Ferse fest gegen das Perineum gepresst sitzt – nicht zu fest, nicht zu sanft. Wie schon in Lektion 33 besprochen, kannst du beide Füße in der unteren Position einsetzen und je nach Notwendigkeit, um zur Bequemlichkeit zurückzukehren, abwechseln.

Wie bei allen neuen Übungen, die wir aufnehmen, gibt es eine „klobige“ Phase, in der es sich ein wenig unbeholfen anfühlt. Bei dieser Übung ist dies vielleicht besonders der Fall. Lass dich dadurch nicht davon abhalten, sie zu lernen. Es sollte nicht lange dauern, bis du herausfindest, dass diese Übung sexuell stimulierend ist und das wird es als noch klobiger erscheinen lassen. Anfangs ist sie möglicherweise sowohl klobig als auch sinnlich.

Wir lassen den anderen Fuß dort, wo er war – unter das Schienbein des Beines geschoben, das nach unten gegangen ist. Oder wir können dieses zweite Bein manchmal ausgestreckt auf dem Bett lassen, wenn das bequemer ist. Dies ist eine vereinfachte Form von Siddhasana. Bei der offiziellen Version liegt der zweite Fuß auf dem ersten, wie im halben Lotussitz (ohne Rückenunterstützung) und man sitzt möglicherweise irgendwo auf einem harten Felsen.

Es ist nicht notwendig, das alles so zu machen, um die richtige Wirkung zu erzielen. Diese Wirkung ist eine konstante vom Perineum aus aufwärts gerichtete Stimulation sexueller Energie während unserer sitzenden Pranayama- und Meditationsübungen. Wir wollen dies und wir sitzen mit einem Druck auf dem Perineum so, dass wir das absichtsvoll ausbilden. Natürlich soll es sich auch gut anfühlen.

„Wie kann ich jemals auf diese Art meditieren?“ sagst du vielleicht. Du kannst. Vielleicht am Anfang nicht, ohne ein wenig abgelenkt zu werden. Aber es ist etwas, in das du dich im Laufe der Zeit einarbeiten kannst. Anfangs wirst du vielleicht nur während des Pranayama im Siddhasana sitzen wollen und es während der Meditation wieder gut sein lassen. Aber schon bald wirst du dich in Siddhasana vollkommen wohl fühlen und sogar vergessen, dass du dich während deiner Übungen darin befindest. Es ist eine Art Training, das du aufnimmst, ein schrittweiser Aufbau einer Gewohnheit. Es sind jedoch zwei Arten von Training gleichzeitig am Laufen, was Siddhasana ein wenig knifflig macht.

Zuerst kommt der physische Teil: den Körper bis zu dem Punkt daran zu gewöhnen, bis es sich körperlich völlig bequem anfühlt, in Siddhasana zu sitzen. Wir wissen alle, dass wir den Körper schrittweise in eine bestimmte Richtung locken können. Haben wir es bereits geschafft, uns in der kreuzbeinigen Sitzhaltung wohl zu fühlen, wissen wir, dass man auch das erreichen kann. Haben wir uns bisher nicht an die kreuzbeinige Sitzhaltung gewagt, ist diese Art von Siddhasana im Moment nicht so einfach, nicht auf die Art, wie es eben beschrieben wurde. Aber es gibt andere Wege dorthin zu gelangen. Mehr dazu weiter unten.

Die zweite Art Training, die im Gange ist, kann eine größere Herausforderung sein. Das ist das Durchstehen der sexuellen Gefühle, die Siddhasana auslöst. In Siddhasana trainieren wir unsere sexuelle Energie dahin, dass sie auf angenehme Weise aufwärts fließt und dabei bisher inaktive Bahnen in unserem Nervensystem öffnet. Wir sitzen aus zwei Gründen während unserer spirituellen Praxis in Siddhasana. Erstens sitzen wir während Pranayama und Meditation die festgesetzte Zeit und das ist automatisch auch eine Zeit, die wir (eine zeitlang) in Siddhasana zubringen können.

Das macht Siddhasana zu einer regelmäßigen täglichen Übung, wie alles andere auch und wir müssen keine zusätzliche Zeit zu unserer Übungszeit hinzufügen, um das durchführen zu können. Zweitens interagieren Pranayama und Meditation mit den Wirkungen von Siddhasana so, dass der Fluss von Prana und reinem Glückseligkeitsbewusstsein im Nervensystem sehr verstärkt wird. Zusätzlich üben wir uns in Mulabandha und Sambhavi. Die Integration all dieser Übungen befeuert den Prozess der in uns stattfindenden Evolution sehr stark.

Betrachte die sexuelle Energie als ein wildes Pferd. Wir wollen uns dieses Pferd für einen sinnvollen Zweck dienstbar machen. Was tun wir also? Wir besteigen dieses wilde Pferd und reiten es. Zuerst springt es wie wild umher – das sprichwörtliche „bockige, unberittene Pferd“. Aber schon ziemlich bald merkt das Pferd, wer da buchstäblich die Zügel in der Hand hält und beginnt sich zu beruhigen. Es findet eine neue Art des friedlichen Daseins innerhalb der Bedingungen, die wir geschaffen haben. Dann wird das Pferd, für welchen Zweck wir es auch immer eingeritten haben, sehr nützlich.

Das ist genau das, was Siddhasana leistet. Es erschafft eine Bedingung, an die sich die sexuelle Energie – zu unserem Vorteil – anpassen muss. Unser Ziel im Yoga in Bezug auf die sexuelle Energie ist es, deren Nützlichkeit nach oben auszudehnen und ihr dadurch zusätzlich zur nach außen gerichteten Reproduktionsfunktion noch etwas Weiteres hinzuzufügen. Wir wollen unsere Sexualität so umgewöhnen, dass sie unsere innere spirituelle Transformation unterstützt. Dieses Prinzip haben wir bereits in den bisherigen Lektionen angesprochen, als wir zum ersten Mal über Kundalini und Mulabandha sprachen. Nun gehen wir einen Schritt weiter. Sobald wir uns mit Tantra-Yoga-Methoden beschäftigen, fügen wir weitere Dinge hinzu, die in dieselbe Richtung führen.

Wirkungen

Beginnt sich das undressierte Pferd der sexuellen Energie in Siddhasana zu beruhigen, verändern sich unsere Erfahrungen mit Pranayama und der Meditation außerordentlich. Was bisher eine wilde sexuelle Energie war, die dahin und dorthin drängte, wird zu einem ruhigen nach oben gerichteten Fluss wohltuender Energie, zu einer Quelle, die aus unserem Wurzel-Chakra aufsteigt. Dies ist eine friedvolle, leuchtende, ekstatische Energie, in der wir unbegrenzt bequem sitzen können.

Es ist kein bockendes Pferd mehr. Sthen wir auf, unseren täglichen Pflichten nachzugehen, ist die Energie immer noch da (selbst wenn wir nicht mehr in Siddhasana sitzen). Unsere innere Biologie verändert sich in Bezug auf den inneren Pranafluss zu etwas viel Größerem. Für uns wird es dann ganz natürlich erscheinen, uns zu fühlen, als wären wir mit göttlichem Licht erfüllt. Wir werden in allen Lebensbereichen autonomer. Dann erst sind wir wirklich in der Lage, anderen zu geben, weil unsere grundlegenden Bedürfnisse durch eine überfließende Glückseligkeit aus unserem Inneren erfüllt werden.

Siddhasana ist also eine sehr wichtige Übung. Eine, die anfangs ein wenig knifflig ist, die es jedoch wert ist, sich darin einzuarbeiten.

Wie lange dauert es, „das Pferd“ einzureiten? Das ist von Mensch zu Mensch verschieden. Für die meisten ist es eine schrittweise Entwicklung. Die erste oder auch noch die zweite Woche können verrückt sein. In einem Monat haben sich die Dinge ein wenig beruhigt. In drei Monaten ist es ganz angenehm. In sechs Monaten bis zu einem Jahr hat sich wahrscheinlich Stabilität eingestellt und es wird ein natürlicher Teil des täglichen Lebens sein.

Nach ein paar Jahren sind wir es gewohnt, uns ständig in Ekstase zu baden, ohne es aber jemals als selbstverständlich vorauszusetzen. Wir können dann immer, ohne abgelenkt zu sein, in Siddhasana sitzen und es ist für uns ganz normale ekstatische Glückseligkeit – das gewöhnliche Leben mit einem spirituell erwachten Nervensystem.

All die Wirkungen der fortgeschrittenen Yoga Übungen, die bisher in diesen Lektionen besprochen wurden, werden durch Siddhasana sehr stark angereichert und wir können zu immer mehr weitergehen. Das ist sehr wichtig, da es immer höhere Ebenen des Fortschritts zu erreichen gibt. Ein wahrer Yogi oder Yogini hört niemals auf voranzuschreiten, wie ungeheuer die Erfahrungen auch immer werden.

Während all dieser durch Siddhasana hervorgerufenen Veränderungen behalten wir unser tägliches Pranayama und die Meditation wie bisher bei. Die Gefühle, die in Siddhasana aufkommen, behandeln wir wie alle anderen Gedanken und Gefühle, die beim Pranayama und der Meditation aufkommen: Wir favorisieren einfach die Technik, die wir gerade üben, wie wir das immer machen. Wir behalten auch wie bisher unsere Mulabandha und Sambhavi Übungen bei. Siddhasana hat einen starken Effekt auf die Öffnung des Wirbelsäulennervs und auf den Aufstieg ekstatischer Leitfähigkeit.

Alternativen für Siddhasana

Für diejenigen, die, aus welchem Grund auch immer, nicht in der Lage sind, kreuzbeinig zu sitzen, gibt es immer noch die Möglichkeit von Siddhasana – mit den gleichen Effekten hervorgerufen durch andere Mittel. Du kannst, wo immer du auch für Pranayama und Meditation sitzt, eine Prothese verwenden. Vielleicht einen Gummiball oder ein hartes kleines Kissen – etwas, das dem Druck einer auf das Perineum drückenden Ferse ähnlich ist.

Das ist völlig ausreichend. Du erzielst auf diese Weise auch den Effekt. So vermeidest du, deinen Körper zu größerer Flexibilität hintrainieren zu müssen und trainierst immer noch deine sexuelle Energie – worum es bei Siddhasana eigentlich geht. Alles andere stimmt mit dem oben Besprochenen überein. Du benutzt einfach nur eine andere Methode und erzielst das gleiche Ergebnis.

Wird die Stimulation zu irgend einem Zeitpunkt zu stark, so dass es nicht mehr möglich ist, zu meditieren oder irgendetwas anderes Angenehmes in den Übungen zu tun, ist es wichtig, etwas zurück zu stecken. Das gilt für alle fortgeschrittenen Yoga-Übungen. Sobald wir merken, dass wir uns übernehmen, machen einen Schritt zurück, weil wir es damit vermeiden, ganz vom Wagen der Übungen herunter zu purzeln. Wir spielen nicht den Helden und vermeiden es dadurch, aufgrund von übermäßigen Schwierigkeiten zu leiden. Mach immer einen Schritt zurück, wenn es zu viel wird. Finde deine eigene stabile Plattform abgeschwächter Übungen und entspanne dich dort, bevor du versuchst, wieder weiter zu gehen. Du kannst immer zurückkehren und dort weitermachen, wo du vorher aufgehört hast.

Der Guru ist in dir.

Über den Autor

Yogani

Yogani ist ein anonymer US Amerikaner, der 2003 begann, im Internet sein spirituelles Wissen in Form von Lektionen zu veröffentlichen und damit auf einen großen Kreis Interessierter weltweit traf. Im Laufe der Jahre entstand Daraus eine umfassende Bibliothek zu allen Aspekten des Yoga. Inzwischen gibt es viele Übersetzungen in andere Sprachen. Die Lektionen sind immer noch kostenlos abrufbar. Heute gibt es auch Bücher, Hörbücher, Ebooks und im Englischen eine PLus-Mitgliedschaft sowie ein gut besuchtes Forum.

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