Lektion 129 – Nauli – Kundalini mit Deinen Bauchmuskeln aufsteigen lassen

Lektion 129 – Nauli – Kundalini mit Deinen Bauchmuskeln aufsteigen lassen

In der Lektion zu Yoni Mudra Kumbhaka (Lektion 91) haben wir eine Muskelbewegung eingeführt, die man Uddiyana nennt. Dabei hebt man den Bauch mit Hilfe des Zwerchfells. Manchmal wird Uddiyana „Bauch-Aufzug“ genannt. Du wirst Dich daran erinnern, dass Uddiyana „hochfliegen“ bedeutet. Halten wir gleichzeitig den Atem im Inneren zurück, ist Uddiyana etwas knifflig, weil das Zwerchfell nicht so weit nach oben geht, wenn die Lungen mit Luft angefüllt sind. Deshalb wurde vorgeschlagen, Uddiyana auch außerhalb von Yoni-Mudra Kumbhaka zu praktizieren. Wir machen das, indem wir mit den Füßen etwas weiter als schulterbreit stehen; die Knie sind dabei etwas gebeugt und wir bücken uns so weit nach vorne, dass unsere Hände auf unseren Knien ruhen können. In dieser Position sehen wir aus wie ein Halbspieler (shortstop) beim Baseball, der etwas vorwärts gebeugt mit seinen Händen auf den Knien dasteht und gespannt darauf wartet, dass der Schlagmann den Ball trifft. Vielleicht stehen sie auch manchmal im Kricket so da?

Sind wir im Yoga (nicht Baseball) einmal in dieser Halbspieler-Position, dann werfen wir alle Luft aus den Lungen aus und heben dann unser Zwerchfell. Tun wir dies mit einer nackten Taille, sehen wir, wie unser Bauch nach innen zieht, sobald das Zwerchfell in den Brusthohlraum nach oben geht. Die meisten Yogaschulen lehren dieses Uddiyana im Stehen als Teil einer regelmäßigen Routine von Stellungen, und da kann man diese Übung auch wirklich gut unterbringen – während der Asanas vor unserem Pranayama und der Meditation. Uddiyana hat positive Auswirkungen auf die Gesundheit. Es zieht Energie von unserer Beckenregion nach oben. Deshalb ist es auch Teil von Yoni Mudra Kumbhaka – zusammen mit anderen Mudras und Bandhas, die wir dabei gleichzeitig ausführen und die alle darauf abzielen, die Kundalini-Energie zu erwecken und sie nach oben durch unser Nervensystem zu bewegen.

Bei Uddiyana bleibt der Bauch ziemlich statisch, weil wir überhaupt nichts Dynamisches mit den Bauchmuskeln machen. Der Bauch wird ganz einfach eingezogen, indem wir unser Zwerchfell nach oben heben. Uddiyana wird dynamisch, indem wir das Zwerchfell abwechselnd nach oben ziehen und wieder senken. Wir würden die Dinge aber gerne noch weiter aufmöbeln und mehr Stimulation auf die Kundalini-Energie in unserer Beckenregion legen. Indem wir das tun, schaffen wir auch die Voraussetzung für ein integriertes Netzwerk von Kleinstbewegungen im ganzen Körper, die beim Aufsteigen der ekstatischen Leitfähigkeit auftreten, wenn unser Nervensystem zur Reife kommt. Ein Teil dieser Integration ist eine automatische Verbindung zwischen den Bewegungen im Bauch und den Bewegungen in der Beckengegend, die uns schließlich ekstatische Mikrobewegungen den ganzen Weg von der Wurzel bis hinauf zur Brust bescheren.

Anfangs ist davon natürlich nichts eine „Mikro-Bewegung“. Wir müssen mit „Makro-Bewegungen“ – was die Mudras und Bandhas auch anfangs sind, wenn wir sie lernen – beginnen. Lernen wir Violine spielen, geht es zunächst darum, die langen einfachen gleichmäßigen Striche beherrschen zu lernen, bevor wir uns an die kurzen, komplexen, vielstimmigen heranwagen können. Vergleichbar damit treten die Mudras und Bandhas gewöhnlicherweise anfangs deutlich sichtbar hervor und verfeinern sich dann mit der Zeit auf natürliche Weise zu zarten unsichtbaren automatischen Kunstgriffen tief in unserem zunehmend ekstatisch werdenden Nervensystem. Dann sind es die Bewegungen ekstatischer Kundalini-Energie in unserem Nervensystem, die die Mikrobewegungen über unseren ganzen Körper verteilt initiieren und wir werden Zeugen eines unendlich glorreichen Anblicks von leuchtender Neurobiologie, die in unserem Inneren am Werke ist.

Die dynamische Technik, die uns über Uddiyana hinausführt, nennt man „Nauli“ und das heißt soviel wie „durchrühren“ oder „herumwirbeln“. Wir beginnen in der oben beschriebenen stehenden „Halbspielerhaltung“. Dann machen wir Uddiyana, indem wir all unsere Atemluft auswerfen und das Zwerchfell nach oben ziehen. Das führt dazu, dass der Bauch eingezogen wird. Damit haben wir also Uddiyana aufgebaut. Nun machen wir noch etwas anderes, um Nauli daraus zu entwickeln. Gehen wir aber Schritt um Schritt vor.

Sobald wir uns einmal in Uddiyana befinden, ziehen wir als Erstes die Bauchmuskeln zusammen, so dass wir gleichmäßig mit beiden Armen auf unsere Knie hinunterdrücken. Das ist wie eine Rumpfbeuge im Stehen. Nur kommt es zu keiner Bewegung des Zusammenklappens, weil unsere Arme und Hände unseren Oberkörper auf den Knien abstützen. Während wir dies tun, befinden wir uns in Uddiyana – unser Bauch ist also durch das angehobene Zwerchfell immer noch eingezogen. Nun geschieht etwas Neues. Auch wenn wir den Bauch mittels des Zwerchfells einziehen, werden wir merken, dass sich unsere Bauchmuskeln in einer Linie nach oben und unten entlang des Zentrums unseres Bauches aufwölben. Dadurch nimmt die Sogwirkung auf die Beckengegend beträchtlich zu. Versuche, während Du Dich in Uddiyana befindest, die Bauchmuskeln einige Male zu beugen und sieh, wie sie entlang der Mittellinie des Bauchs aussehen.

Zusammenfassung: Steh da wie ein Halbspieler, Hände auf den Knien. Wirf alle Atemluft aus. Hebe das Zwerchfell und beobachte, wie der Bauch eingezogen wird. Dann drücke den Oberkörper, der über die Hände auf den Knien abgestützt ist, wie bei einer Rumpfbeuge nach unten in richtig Knie. Beobachte dann die Reihe der Bauchmuskeln, wie sie sich in einer Linie längs der Mitte des Bauches auswölben.

Siehst Du, wie einfach das ist? Fühlst Du den zusätzlichen Sog von der Beckengegend nach oben? Großartig! Jetzt hast Du es verstanden. Nun beuge diese Bauchmuskeln ein paar Mal. Komm in einen Rhythmus und führe alle paar Sekunden eine Beugung durch. Suche Dir einen Rhythmus, der sich für Dich gut anfühlt. Machst Du das ein paar weitere Male, wirst du vielleicht bemerken, dass das Beugen der Bauchmuskeln zu der Ebene von Mulabandha/Asvini, mit der Du bisher vertraut geworden bist, passt. Lass das, wenn Du willst, gemeinsam spielen. Im Laufe der Zeit werden sie auf einer feinen neurologischen Ebene miteinander verbunden und es wird dir nicht mehr möglich sein, das eine zu machen, ohne geneigt zu sein, auch das andere hinzuzufügen. Diese Art natürlicher Integration stellt sich bei allen Mudras und Bandhas im Körper ein – doch mehr dazu später.

Hier bist Du also und beugst weiter. Vielleicht fühlst Du eine Art nette Energie im Bauch hochkommen und vielleicht noch weiter hoch in die Brust und sogar den ganzen Weg hinauf bis zum Kopf. Die Bauchmuskeln können auf diese Weise sehr kraftvoll für das Aufsteigenlassen der Kundalini eingesetzt werden.

Doch Du weißt sicher, dass das noch nicht Nauli ist. Wir haben noch nicht damit begonnen, diese Muskeln zu „wirbeln“. Der Schlüssel beim Wirbeln liegt in der Trennung der Beugung des linken Bauchmuskels vom Beugen des rechten und diese beiden Beugungen in einer wirbelnden Bewegung zu koordinieren. Wir besitzen dort drin zwei lange Bauchmuskeln. Einer geht auf der rechten Seite des Bauches nach oben und unten und der andere auf der linken Seite nach oben und unten. Wie trennen wir sie voneinander? Dank unserer Halbspielerstellung ist es nicht sehr schwierig zu lernen, das zu tun.

Begib dich also wieder genauso in die Halbspielerstellung für Uddiyana und Nauli, wie Du sie vorher innehattest. Anstatt die Bauchmuskeln über die Arme mit gleichem Druck auf beide Knie zusammenzuziehen, übe diesmal nur über einen Arm Druck auf ein Knie aus. Wähle Dir selbst eine Seite aus. Befindest Du Dich in Uddiyana, ziehe Dich mit Deinen Bauchmuskeln über einen Arm nur zu einem Knie hinunter. Was passiert? Hast Du gesehen, wie sich eine Seite Deiner Bauchmuskeln herauswölbt und die andere Seite drinnen bleibt. Ist dies der Fall, hast Du es richtig gemacht. Nun wechsle zur anderen Seite. Beuge Deinen Bauch indem Du den gesamten Druck über den anderen Arm zum anderen Knie gehen lässt. Hat sich die andere Seite Deiner Bauchmuskeln herausgewölbt? Gut. Nun versuche, im gleichen Rhythmus, den du innehattest, als Du beide Seiten zur selben Zeit betätigt hast, heraus- und hineinzugehen. Lass aber diesmal abwechselnd die linke und rechte Seite sich auswölben.

Nun baust Du abwechselnd auf der linken und rechten Seite des Beckenbereichs einen Sog nach oben auf. Das ist für die Kundalini-Energie stimulierender. Bist Du bereit, nun auch noch den Rest zu erfahren? – Schauen wir mal, ob wir diese Muskeln wirbeln können.

Sobald Du es schaffst, Deine Bauchmuskeln geschmeidig heraus- und hineingehen zu lassen, abwechselnd auf der linken und rechten Seite, ist es nur noch ein kleiner Schritt zum vollständigen Nauli. Anstatt mit den Muskeln links und rechts jede zu seiner Zeit heraus- und hineinzugehen, versuche ein Fegen von links nach rechts hinzubekommen. Das bedeutet: Während dein linker Bauchmuskel nach außen gebeugt ist, kommst Du bereits mit dem rechten hervor, noch ehe Du den linken ganz zurückgelassen hast. Auf diese Weise sind für einen Augenblick in der Mitte beide gebeugt. Gehst Du dann weiter zum Beugen der rechten Seite, lässt Du die linke los. Der Effekt ist, dass Du eine fortlaufende Bewegung deiner Bauchmuskeln siehst, wie sie von links nach rechts gehen – ein Fegen. Entspannt dann Dein rechter Muskel und geht zurück nach innen, kommt der linke wieder zurück nach außen und Du gehst wieder hinüber vom Muskelspiel der linken Seite zu rechten und so gehst Du herum und herum, wirbelst von links nach rechts, von links nach rechts, so immer wieder. Du kannst das Wirbeln spüren und regulieren, indem Du den Wechsel des Drucks, der durch Deine Arme vom linken Knie zum rechten Knie geht, fühlst, wenn das Beugen Deines Bauchmuskels von der linken zur rechten Seite wechselt und dann zurück.

In dieser frühen Phase trainieren wir uns eine Gewohnheit an, Nauli auszuführen. Auch wenn Nauli anfangs zweifellos etwas „klobig“ ausfallen wird, gib nicht auf. Du wirst lernen, damit umzugehen. Eigne dir zuerst das Fegen in eine Richtung an. Wir haben mit dem Nach-außen-Wirbeln der Muskeln von links nach rechts begonnen. Sobald dies bei Dir gut läuft, lerne auch von der anderen Seite her, also von rechts nach links zu fegen. Kannst Du einmal von beiden Seiten aus wirbeln, bist Du auf dem Weg, ein Nauli-Experte zu werden.

Mit etwas Übung bist Du in der Lage, Deine Bauchmuskeln wie ein Springseil herumzuwirbeln und das hat köstliche Wirkungen auf die Energie in Deinem Beckenbereich. Kundalini ist bei so viel liebkosender Stimulation nicht in der Lage zu widerstehen.

Wir machen diese Makro-Bewegung von Nauli nicht während unserer sitzenden Übungen, sondern bevor wir uns zu Pranayama und Meditation hinsetzen. Es kann ein Teil unserer Asanas sein und da eingebaut werden, wo in unserer Hatha-Yoga-Routine Uddiyana an der Reihe ist. Oder, wenn wir es nicht gewohnt sind Asanas zu machen, können wir Nauli alleine ausführen, bevor wir uns zu unseren Übungen niedersetzen. Praktizieren wir Nauli vor unseren sitzenden Übungen, erweckt dies unser Nervensystem auf eine Weise, die sehr förderlich für Pranayama, Yoni Mudra Kumbhaka und die Meditation ist.

Versuche vor jeder Pranayama- und Meditations-Sitzung mindestens zwanzig Nauli-Rotationen in jede Richtung zu machen. Kommst Du beim Ausführen von Nauli außer Atem, belaste Dich nicht. Mach einfach eine Pause, nimm einen oder zwei tiefe Atemzüge, atme erneut vollständig aus und fahre fort. Bist Du mit Nauli vertrauter, wirst Du auch in weniger formeller Weise, in Situationen, in denen Du Dich nicht in der Halbspielerposition befindest, Deine Bauchmuskeln rotieren lassen können. Hast Du Dir z.B. die Gewohnheit angeeignet, die beiden Bauchmuskeln getrennt voneinander zu kontrollieren, wird es für Dich einfach sein, entspannt auf dem Rücken liegend und schließlich auch aufrecht sitzend Nauli zu praktizieren. Mit der Zeit verfeinert sich Nauli soweit, dass es Dir möglich ist, Nauli fast unmerklich, ohne sichtbare Bewegung fast überall auszuführen – mit wundervollen ekstatischen Wirkungen. Diese Art von Nauli lässt sich – während man in Kechari ist – sehr schön mit feinen Bewegungen von Mulabandha/Asvini abstimmen. Man kann diese ekstatischen Übungen in der Öffentlichkeit praktizieren, ohne dass irgendjemand bemerkt, dass Du etwas Besonderes machst – außer natürlich, dass Dir ein Glühen ins Gesicht geschrieben ist.

Eine subtile Version von Nauli werden wir einsetzen, wenn wir zum dynamischen Jalandhara („Kinn-Pumpe“) weitergehen. Dabei ist der obere Teil des Körpers in einem viel größeren Maß in die Stimulation der Kundalini-Energie zwischen Herz und Kopf einbezogen.

Nauli ist eine kraftvolle Übung und hat weit reichende Auswirkungen. Wir haben hier nicht wie sonst zu Beginn der Lektion auf Vorsichtsmaßnahmen aufmerksam gemacht, weil Nauli normalerweise keine Übung ist, die uns unmittelbar in Schwierigkeiten mit der Kundalini-Energie bringen kann. Es ist aber selbstverständlich, dass Du Nauli nicht durchführen solltest, wenn Du gesundheitliche Schwierigkeiten hast, die durch Nauli verschlimmert werden könnten. Außerdem könnte es zu Energieungleichgewichten im Körper führen, wenn Nauli über längere Zeit ohne die Vorteile der Übungen zur globalen Reinigung, d.h. Meditation und Wirbelsäulenatmung durchgeführt wird. Es ist auf jeden Fall von Vorteil, zunächst gute Übungen zur allgemeinen Reinigung beherrschen zu lernen und regelmäßig zu praktizieren, bevor man irgendwelche Übungen aufnimmt, die sich zur Kundalini-Stimulierung auf bestimmte Körperbereiche konzentrieren. Deshalb haben wir diese Lektionen hier mit Meditation und Wirbelsäulenatmung begonnen und weisen auf diese auch immer wieder als die Kernübungen der fortgeschrittenen Yoga-Übungen hin. Sie sind die Voraussetzung für alles, was wir hier tun.

Nauli kannst du, wenn Du willst, erlernen, bevor Du Dich anderen über die Meditation und die Wirbelsäulenatmung hinausgehenden Fortgeschrittenen Yoga Übungen zuwendest. Meditation und Wirbelsäulenatmung sind jedoch die empfohlene Mindestvoraussetzung für Nauli.

Stelle immer sicher, dass die Übungen, die Du bereits erlernt hast, geschmeidig sind, bevor Du neue aufnimmst. Es ist sehr wichtig, eine stabile Plattform von Übungen zu pflegen, die Du langfristig aufrechterhalten kannst. Sobald Du weißt, dass Du bereit dazu bist, kannst Du, wenn Dich Dein Bhakti zu mehr aufruft, auf methodische Weise neue Übungen hinzunehmen.

Der Guru ist in Dir.

Über den Autor

Yogani

Yogani ist ein anonymer US Amerikaner, der 2003 begann, im Internet sein spirituelles Wissen in Form von Lektionen zu veröffentlichen und damit auf einen großen Kreis Interessierter weltweit traf. Im Laufe der Jahre entstand Daraus eine umfassende Bibliothek zu allen Aspekten des Yoga. Inzwischen gibt es viele Übersetzungen in andere Sprachen. Die Lektionen sind immer noch kostenlos abrufbar. Heute gibt es auch Bücher, Hörbücher, Ebooks und im Englischen eine PLus-Mitgliedschaft sowie ein gut besuchtes Forum.

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