Lektion 338 – Bhakti – Du bist der Zugang
Die klassische Definition von Bhakti Yoga ist Vereinigung durch Hingabe. Mit Hingabe meinen wir den ständigen Fluss von Verlangen im Einklang mit einer Vision. Die Vision können wir auch als Ideal bezeichnen. Dieses Ideal wählt jeder Einzelne auf eine sehr persönliche und individuelle Art für sich aus.
Bhakti ist der Hauptmotor allen spirituellen Fortschritts und aller spiritueller Übungen, die wir auf uns nehmen, um unseren spirituellen Fortschritt voranzubringen. Es ist unsere Sehnsucht, die sich zuerst regen muss, bevor wir die nötigen Schritte unternehmen können, die Voraussetzung für Wachstum sind. Sehnsucht ist eine Emotion, ein Bedürfnis. Wir brauchen nicht einmal zu wissen, was wir benötigen. Das Gefühl ist völlig ausreichend, alles hervorzubringen, vorausgesetzt wir sind bereit zu handeln. Zuerst kommt das Verlangen, ein Wunsch, dann kommt die Handlung. Und aufgrund unserer Handlungen erkennen wir mehr, dass wir erfahren und wissen können und dadurch wird unsere Sehnsucht weiter stimuliert.
Der gerade beschriebene einfache Prozess ist ein organischer, der den Kern jeder spirituellen Reise und auch jeder Religion bildet. Es ist die menschliche Sehnsucht nach Antworten auf die Frage nach dem letztendlichen Zweck und Bestimmung unseres Lebens, die die Mechanismen spiritueller Erfahrung und Erkenntnis überall auf der Erde antreibt. Und genauso treibt die menschliche Sehnsucht nach der Wahrheit die Religionen an, die diesem großen Zweck umso mehr dienen, je mehr sie in der Lage sind, über ihre politischen Programme und institutionellen Begrenzungen hinauszugehen. Das ist gar nicht so kompliziert.
Auch wenn man uns immer gesagt haben mag, dass unser Heil in den Händen dieses oder jenes Gottes oder religiösen Einrichtung liegt, liegt unser Heil in Wirklichkeit in dem Maß in unseren eigenen Händen, in dem wir selbst die Sehnsucht spüren und bereit sind, entsprechend dieser Sehnsucht zu handeln.
Das Nervensystem des Menschen und keine Autorität außerhalb von uns ist das Zentrum allen spirituellen Fortschritts.
Das soll nicht heißen, dass wir der Gottheit oder dem Ideal, das wir seit unserer Kindheit kennen oder zu irgendwelchen anderen, zu denen wir uns in unserem Leben hingezogen fühlen, nicht hingegeben sind. Es gibt unzählige Quellen spiritueller Inspiration und Energie auf der Welt. Doch wir sind es, die das Ventil dieser Energie öffnen, damit diese in unser Leben fließen kann. Sind wir bereit, wird die spirituelle Energie fließen. Bleibt das Ventil aufgrund unseres eigenen Verlangens und Handelns ständig offen, erkennen wir mit der Zeit, dass wir in einem Zustand der Gnade leben. Anhaltendes Bhakti und Gnade sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.
Wir geben vielleicht in »aktiver Hingabe« alles, was wir haben und tun, unserem Gott oder unserem gewählten Ideal hin. Es ist unsere eigene Hingabe, die die Freiheit und das Glück hervorbringt, in dem wir leben. Das ist Gnade. Es ist eine faszinierende Dynamik, die den Ausdruck: »Je mehr wir geben, desto mehr erhalten wir.«, glaubwürdig erscheinen lässt.
Alles liegt in unseren eigenen Händen, allerdings nur insoweit wir bereit sind. Glücklicherweise heißt es hier nicht: alles oder nichts. Wir können uns Stück um Stück auf die immer kraftvollere Dynamik von Bhakti zubewegen und wir brauchen da überhaupt keine »religiöse« Haltung einnehmen. Im Gegensatz zu dem, was man uns vielleicht gelehrt hat, gibt es auf dem Feld der Hingabe nichts Absolutes. Wir können mit den einfachsten Fragen wie: »Wer bin ich?«, und »Warum bin ich hier?«, beginnen.
Fragen wir mit Sehnsucht, werden die Antworten beginnen, sich einzustellen, und wir können von dort aus vorwärtsgehen. Das ist das Wunder von Bhakti. Es ist sehr systematisch und kann mit der effektiven Nutzung jeden Gefühls, das wir hier und jetzt haben mögen, funktionieren. Die Ergebnisse von angewandtem Bhakti sind vorhersehbar und wiederholbar, so dass wir Bhakti auch die Wissenschaft der Hingabe nennen können. Die Einzelheiten dazu werden wir in noch folgenden Lektionen untersuchen.
Die Reise von Bhakti und der menschlichen spirituellen Transformation ist ein Kontinuum, kein augenblickliches Ereignis. Es tritt genau hier, genau jetzt auf und unsere Erkenntnis der Wahrheit kann sich völlig natürlich innerhalb des Lebens entwickeln, das wir leben. Es besteht keine Notwendigkeit, fortzulaufen, um sich vielleicht auf den Gipfel eines Berges zu begeben, aus dem Familienleben oder der Karriere auszusteigen, keine Notwendigkeit, irgendwelche Roben anzulegen oder exotischen Gurus zu folgen. Diese Fassaden sind im Vergleich zu einem sehnsüchtigen Herzen, das sich im gewöhnlichen Leben Ausdruck verschafft, völlig bedeutungslos. Auf die Erleuchtung haben Ort oder Lebensstil keinen Einfluss. Wichtig sind unser Verlangen und das Ummünzen dieses Verlangens in effektive spirituelle Übungen und dass das natürlicherweise überfließt in unsere alltägliche Lebensführung. Bei dieser Art von Bhakti, über die wir hier reden, geht es also um keine unrealistischen Hoffnungen. Sie ist hautnah und persönlich (vgl. Lektion 112).
Der Guru ist in dir.
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