Lektion 341 – Bhakti und Selbstabstimmung

In der letzten Lektion wurde erwähnt, dass sich die gewaltige Kraft des Kosmos immer mehr in demjenigen konzentriert, der sich auf die systematische Kultivierung von Bhakti einlässt. Ob das im Sinne von absoluter Wahrheit zutrifft, mag umstritten sein. Allerdings kann kein Zweifel darüber bestehen, dass in uns gigantische Kräfte freigesetzt werden, wenn wir auf dem Pfad der spirituellen Reinigung und Öffnung reisen. Diese Erscheinung kann man in unserem Nervensystem, unserer Neurobiologie und im Umfeld unseres körperlichen Auftretens beobachten. Das gehört zum Prozess der spirituellen Transformation des Menschen.

Die Kraft des Vorwärtsschreitens wird besonders stark werden, sobald unsere Bhakti dazu führt, dass wir kraftvolle spirituelle Übungen wie die tiefe Meditation, das Pranayama der Wirbelsäulenatmung und zusätzliche Methoden, die im Einzelnen in den FYÜ-Schriften behandelt werden, praktizieren. Doch schon Bhakti allein kann uns überwältigen mit Öffnungen, die damit einhergehen. Manchmal können wir uns mehr einhandeln, als wir erwartet haben und es ist wichtig, zu verstehen, dass wir immer eine Wahl haben, wo wir uns engagieren und was wir unberücksichtigt lassen. Bhakti und andere Yoga-Übungen führen auf kraftvollen inneren Wegen zu Veränderungen und wir werden klug daran tun, die Ursachen und Wirkungen in unseren Übungen so zu steuern, dass wir einen guten Fortschritt mit Bequemlichkeit und Sicherheit aufrechterhalten. Das nennt man Selbstabstimmung beim Praktizieren.

Wie stimmen wir unsere Bhakti selbst ab? Das ist wirklich einfach. Wir brauchen nichts weiter tun, als unsere Aufmerksamkeit auf andere Dinge zu richten. Man kann dies auch als eine Erdung ansehen, denn wir bringen unsere Energien zurück zur Erde, indem wir uns mehr auf weltliche Dinge konzentrieren, anstatt auf den erhebenden Einfluss unseres gewählten Ideals. Statt unsere göttliche Sehnsucht bis hin zu einem uns destabilisierenden Fieberanfall anzuregen, können wir eine lange Wanderung machen oder uns anderen erdenden Beschäftigungen widmen wie zum Beispiel Gartenarbeit.

Eine weitere Möglichkeit unsere Bhakti selbstabzustimmen, besteht darin, anderen auf gewöhnliche Art und Weise zu dienen – indem wir z.B. einem Freund in Not mit so einfachen Dingen aushelfen, wie eine Besorgung zu machen, sauber zu machen, wenn sie dazu nicht in der Lage sind oder dergleichen – nichts Ausgefallenes oder vor Hingabe strotzendes – nur ganz alltägliche Dinge.

Zu unserer in Flammen stehenden Bhakti können wir jederzeit wieder zurückkehren, wenn wir das Bedürfnis dazu haben. Wir wollen nur vermeiden, zu sehr davongetragen zu werden, womöglich bis zu einem Punkt, an dem wir uns den alltäglichen Aktivitäten entfremden und möglicherweise unsere Gesundheit in Mitleidenschaft ziehen. Das kann unseren Fortschritt verzögern, weil es unsere Neurobiologie erschöpft, und auch unsere Fähigkeit einschränken, uns täglich unseren spirituellen Übungen zu widmen. Werden die Erfahrungen zu intensiv, zeugt es nur von Weisheit, wenn man das alles als Landschaft betrachtet und ganz einfach mit den gewöhnlichen Dingen fortfährt. Die in uns aufgrund von Bhakti freigesetzte Energie kann äußerst kraftvoll werden und besonders, wenn man eine ganze Bandbreite von spirituellen Übungen anwendet.

Denke an eine in Verbindung mit kraftvollen spirituellen Übungen angewandte Bhakti als vergleichbar mit einem Rennwagen auf einer langen und manchmal kurvenreichen Strecke. Auf den geraden Abschnitten werden wir dazu neigen, aufs Gaspedal zu drücken, um zu beschleunigen. Doch was machen wir, wenn die Straße in den Bergen beginnt, sich in scharfen Kurven herumzuwinden? Bleiben wir da weiterhin auf dem Gaspedal, wird das damit enden, dass wir über eine Klippe stürzen. Bei Bhakti und Yoga-Übungen ist es so ähnlich. Wenn die Reinigung und Öffnung geschmeidig abläuft, können wir bequem und sicher mit ziemlicher Geschwindigkeit vorankommen. Erreichen Reinigung und Öffnung jedoch ein Niveau, das unsere Neurobiologie herausfordert, dann ist das die Zeit, vom Gas wegzugehen und unsere Übungen und da zuallererst unseren Wunsch, mehr und mehr im Yoga zu machen, selbstabzustimmen. Gewöhnlicherweise ist es am besten, unsere Neigung zu Bhakti auf einer angenehmen, sicheren Intensitätsstufe zu favorisieren, anstatt mit einer Überdosis an innerer Reinigung und Öffnung aufs Ganze zu gehen, weil uns das um Wochen und Monate zurückwerfen kann, wenn wir uns von solchen Exzessen erholen müssen.

Die Zeiten haben sich geändert. Wir sind nicht länger spirituelle Almosenempfänger, die um jedes bisschen Wissen, spirituelle Übung und innere Reinigung und Öffnung, die wir finden, betteln. Ein wenig Bhakti hilft schon sehr weit in diesen Zeiten der raschen Öffnungen. Nur etwas Sehnsucht verhilft uns schon zu einem großen Schatz an Wissen und Übungen – mehr als wir verarbeiten können, wenn wir uns nur darauf einlassen und »Ja« zu all dem sagen. Wir sind so lange hungrig gewesen und vielleicht essen wir zunächst zu viel. Schließlich werden wir jedoch lernen, wie wir die Dinge selbstabstimmen müssen, um die besten Ergebnisse zu erzielen.

Eine der wichtigsten Lektionen, die wir zu lernen haben, ist die, wie man Bhakti mit dem gesunden Menschenverstand ausgleichen kann. Die unendliche Gewalt der kosmischen Evolution wird bei dem Bestreben, uns zu transformieren, nicht immer an unser körperliches Wohlbefinden und unsere Gesundheit denken. Sie will alles gleich im Augenblick erreichen und dies ist nicht möglich. Es braucht Zeit, bis das Nervensystem der nötigen inneren Reinigung und Öffnung unterzogen wurde, deshalb müssen wir lernen, selbstabzustimmen oder Schwierigkeiten und Hemmnisse unseres Fortschritts in Kauf nehmen. Läuft eine Langstreckenläuferin zu schnell und überanstrengt sie einen Muskel, muss sie lange genug pausieren und ausheilen lassen, bevor sie das Rennen wieder aufnehmen kann. Hält sie sich ausreichend zurück, wird sie das Rennen viel eher beenden. So ist das auch auf dem spirituellen Pfad.

Es ist aber auch wichtig, dass wir unseren Verpflichtungen im Leben nachkommen. Unsere ständig sich vergrößernde Bhakti wird uns da viele Möglichkeiten aufschließen. Einiges davon ist innerhalb des Lebensstils, den wir gewohnt sind, einfach nur praktisch. Es ist also auch kompatibel mit den Verantwortlichkeiten, die uns Familie, Karriere und die Gemeinschaft auferlegen. Andere Möglichkeiten mögen mit unserem gegenwärtigen Lebensstil auch nicht kompatibel sein und radikale Veränderungen mit großen Kosten für jene erfordern, die von uns abhängen. Sind wir der Brotverdiener der Familie und spüren wir plötzlich den Drang, alles hinter uns zu lassen und auf einem Berggipfel zu leben, dann werden wir gut beraten sein, diesen Impuls zu ignorieren. Mache stattdessen eventuell an Wochenenden oder im Urlaub ein paar spirituelle Retreats und lass deine Familie nicht im Stich, um nach deiner eigenen Erlösung zu trachten. Es gab einmal Zeiten, da diese Art von Verhalten als lobenswert angesehen wurde. Dies ist heutzutage nicht mehr der Fall. Inzwischen gibt es für jeden mehr als genug Angebote, den spirituellen Pfad in schnellem Tempo zu beschreiten, ohne dass man seine Verpflichtungen vernachlässigt.

Tatsächlich bedeutet es für jene mit ansteigender Bhakti einen großen Vorteil, wenn sie Verpflichtungen im gewöhnlichen Leben haben, weil uns das mit vielen Gelegenheiten versorgt, unser gewähltes Ideal in ein viel weiteres Feld von Handlungen auszudehnen. Man kann der täglichen Routine sitzende Übungen hinzufügen, was unsere Bhakti noch enorm intensiviert. Dann werden all unsere Handlungen und Beziehungen auf eine Ebene erhoben, auf der sie nur noch verschiedene Formen von Dienst sind. Das ist die natürliche Herauskristallisierung von Karma-Yoga und das führt zu Freiheit und Erfüllung im täglichen Leben. Verpflichtungen stehen nicht im Widerspruch zu unserer spirituellen Entwicklung. Verfolgen wir unseren spirituellen Pfad, während wir ein ganz normales Leben führen und unseren Verantwortungen nachkommen, wird das zur Erfüllung unserer spirituellen Entfaltung und unsere sich daraus ergebende Beeinflussung der Welt hin zu einer positiven Veränderung wird viel größer werden.

Es ist also nur weise, unsere Bhakti mit gutem gesunden Menschenverstand im Gleichgewicht zu halten. Da heutzutage kraftvolle spirituelle Übungen für jeden zugänglich sind, brauchen wir nicht länger verzweifelt nach Wegen suchen auszusteigen, wenn sich da mal eine Öffnung ergibt. Dazu wird es hin und wieder kommen und wir werden lernen, damit umzugehen. Denn wir werden mehr Öffnungen haben, als wir mit gutem Fortschritt und Sicherheit verarbeiten können. Wir können uns aber die Mischung von Bhakti und Übungen heraussuchen, die am besten mit unseren Neigungen und dem von uns gelebten Leben übereinstimmt. So sieht eine selbstbestimmte spirituelle Übung aus. Es wird mehr als genug positive Veränderungen in dem Leben geben, das wir schon leben. Erleuchtung geschieht hier und jetzt und wir besitzen die Fähigkeit, das zu erreichen. Da besteht keine Wahrscheinlichkeit, dass sie irgendwo anders oder auf anderen Wegen erscheint. Sie geschieht hier!

Denke darüber nach und verwandle deine Gefühle darüber so, dass es dein erwähltes Ideal auf Wegen belebt, wie es vereinbar mit dem Leben ist, das du lebst.

Der Guru ist in dir.

Über den Autor

Yogani

Yogani ist ein anonymer US Amerikaner, der 2003 begann, im Internet sein spirituelles Wissen in Form von Lektionen zu veröffentlichen und damit auf einen großen Kreis Interessierter weltweit traf. Im Laufe der Jahre entstand Daraus eine umfassende Bibliothek zu allen Aspekten des Yoga. Inzwischen gibt es viele Übersetzungen in andere Sprachen. Die Lektionen sind immer noch kostenlos abrufbar. Heute gibt es auch Bücher, Hörbücher, Ebooks und im Englischen eine PLus-Mitgliedschaft sowie ein gut besuchtes Forum.

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