Lektion 349 – Die Konvergenz von Bhakti und Selbst-Analyse
In Lektion 335 haben wir die Rolle von Verlangen in Beziehung zur Selbst-Analyse diskutiert, wie unser spirituelles Verlangen all unsere Übungen befeuert, wozu auch das letztendliche Eintreten in die beziehungsvolle Selbst-Analyse (in bleibender Stille) gehört. Mit der Zeit verschmilzt unser spirituelles Verlangen mit der Stille selbst, wird zu einem göttlichen Wunsch und drückt sich als ausströmende göttliche Liebe aus, die durch uns in die Welt kommt.
Hier wollen wir den Mechanismus dieser Verfeinerung des Verlangens in Beziehung zum Intellekt näher betrachten und besonders die Rolle von Bhakti im Prozess der Selbst-Analyse selbst.
Für die meisten von uns ist es ziemlich einfach, Bhakti zu verstehen. Wir hegen ein Gefühl, eine Sehnsucht, einen Wunsch nach etwas. Richten wir diesen Wunsch/dieses Gefühl auf ein hohes Ideal unserer Wahl und erhalten wird das in Gedanken, Worten und Taten aufrecht, dann ist dies der Ausdruck von Hingabe oder Bhakti. Wie wir in vorhergehenden Lektionen erörtert haben, kann man die Eigenschaften von Bhakti identifizieren und so auch die Ergebnisse, zumindest in qualitativer Hinsicht. Wir sind sogar so weit gegangen, Bhakti die »Wissenschaft der Hingabe« zu nennen. Manche mögen das als eine Überdehnung des Begriffs ansehen. Doch niemand kann die Kraft der emotionalen Sehnsucht leugnen, wenn man sie in den spirituellen Bereich bringt. Besonders, wenn man kraftvolle Yoga-Übungen systematisch im Rahmen des eigenen spirituellen Verlangens anwendet, wo das eine das andere in ewig sich ausdehnenden Wellen der Sehnsucht bestärkt und mit dem Aufkommen bleibender innerer Stille und ekstatischer Leitfähigkeit verschmilzt. Die tiefgreifenden Ergebnisse einer derartigen Bestrebung haben Anlass zu einer umfassenden Kategorie von Übungen gegeben, die wir »Selbstabstimmung« nennen. Übende müssen nicht länger um ein paar Krumen spiritueller Erfahrung betteln. Nun kann sie aus uns in einem Maß ausströmen, dass eine ständige Regulierung von Übungen erforderlich wird, um eine vernünftige Stabilität unserer Entfaltung auf dem Pfad zu erhalten.
Dies ist alles gut und in Ordnung, doch welche Rolle spielt dabei die Selbst-Analyse? Auf den ersten Blick ist das nicht annähernd so nachvollziehbar wie Bhakti. Dies ist großteils der weitverbreiteten Annahme geschuldet, dass Selbst-Analyse eine intellektuelle Bestrebung ist – bei der man Gedanken benutzt, um Gedanken zu besiegen. Diese Annahme ist falsch. Falls das nicht schon bald zu Schwierigkeiten in Form von kopflastiger Intellektualisierung führt, kann uns dies später durch die Ablenkung von unseren Übungen (die wirklich von Nutzen sind) runterziehen, weil dies zu unnötigen Fortschrittseinschätzungen und Selbst-Verurteilung führt. Das bezeichnet man auch manchmal als »sich psychologisch Schachmatt setzen“. Nichts davon hat etwas mit Selbst-Analyse zu tun.
Selbst-Analyse ist eine Übung, die vollständig von dem Grad der bleibenden inneren Stille (dem Zeugen) abhängt, der uns zu jedem Zeitpunkt zur Verfügung steht. Mit einer vernünftig eingerichteten täglichen Praxis tiefer Meditation steigt die innere Stille stetig an und mit ihr unsere Fähigkeit zur effektiven Selbst-Analyse. Dies wurde ausführlich in vorhergehenden Lektionen untersucht. Selbst-Analyse ist von Natur aus zu jedem Zeitpunkt ein Kontinuum, das seinen Weg durch die fünf Stadien des Verstandes webt, wie diese in Lektion 327 erörtert wurden, vom Vor-Zeugen zum Zeugen, zur Unterscheidung, zur Leidenschaftslosigkeit und schließlich zur Einheit. Es ist dieser Aspekt des »sich bewegenden Ziels« der Selbst-Analyse, was es schwierig macht, einen besonderen Stil von Übungen vorzuschreiben, der mit gleicher Effektivität zu allen Zeiten angewandt werden kann.
Viele haben gefragt, was bei den Fortgeschrittenen Yoga Übungen die Vorgehensweise für die Selbst-Analyse ist und die Antwort war immer, dass das davon abhängt, wo der Übende sich in seinem Prozess der Reinigung und Öffnung sowie dem Aufkommen der bleibenden inneren Stille befindet. Im Vor-Zeugen-Stadium empfehlen wir nur sehr wenig Selbst-Analyse. Meditiere einfach, geh dann hinaus und lebe das Leben in Fülle. Im Stadium der Zeugenschaft beginnen wir unsere Gedanken und die sich daraus ergebenden Gefühle als von unserer Stille getrennte Objekte wahrzunehmen und können die Frage nach ihrer Wahrheit stellen, sowie sie loslassen und transformieren, um unsere Lebensqualität zu erhöhen. Dieser Stil der Selbst-Analyse wurde durch Byron Katie, Lester Levenson und andere populär gemacht. Wie bei allen Formen der Selbst-Analyse ist dieser Stil nur insoweit effektiv, wie der bleibende Zeuge aufgekommen ist.
Wird die Dualität zwischen Zeugenschaft und Objekten der Wahrnehmung deutlicher, treten wir auf natürliche Weise in den Zustand der Unterscheidung ein. Wir können mit der Form der Analyse (oder auch formlos) weitermachen, die wir während der Stufe der Zeugenschaft angenommen haben. Doch wir werden feststellen, dass wir unsere Sichtweise zu einer intuitiveren Wahrnehmung innerer und äußerer Objekte verfeinern, sobald wir aus Erfahrung davon überzeugt werden, dass unser wahres SELBST ganz außerhalb des Feldes der Wahrnehmung liegt. Wir können da auf Affirmationen zurückgreifen (Ich bin DAS). Doch letztendlich geht es bei der Unterscheidung um die Negierung der Realität aller Wahrnehmungsobjekte, die durch Zeit und Raum gebunden sind. Jenen, die für immer zu dieser Art der Unterscheidung gelangt sind, mag das wie eine Negierung des Lebens erscheinen. Das steht jedoch völlig mit der Wirklichkeit im Widerspruch. Wird das Zeitliche in die Stille losgelassen (beziehungsvoll), wird das Ewige offenbart und das ist alles Leben, alle Liebe und alle Existenz. Zu angemessener Zeit führt die Unterscheidung natürlicherweise zu liebender Leidenschaftslosigkeit in Bezug auf alles, das zeitlich ist, und dies befördert uns letztendlich auf die Stufe der ewigen Einheit und ausfließender göttlicher Liebe.
Am Ende geht es überhaupt nicht um »Objekte«, sondern um das Verweilen im ewig glückseligen und unergründlichen SELBST, was überhaupt nichts Gegenständliches ist. Doch es enthält in sich alles, was als manifest erscheint. Auf dieser Stufe wird die einfache Frage: »Wer bin ich?«, die man mit tiefem Gefühl gegenüber allen Objekten der Wahrnehmung stellt, mehr als genug sein. Die Antwort kann man nirgendwo im denkenden Geist finden, sondern im Loslassen in den Zustand hinein, den die Frage inspiriert. Und dies wird zu unserem permanenten Zustand, auch wenn unser Körper bzw. Verstand und ausstrahlende göttliche Liebe weiter normal in der Welt funktionieren. Die Methoden der höheren Stufen der Selbst-Analyse sind vertreten durch die Lehren von Ramana Maharshi und Nisargadatta Maharaj sowie durch die vielen, die ihnen mit unterschiedlichen Graden der Effektivität in Beziehung zu deren eigenen Schülern nachgefolgt sind.
Von einem Standpunkt des Lehrens (besonders in der heutigen Zeit) geht bei dieser Art des Durcheinandermischens oft von allem die Bhakti verloren, die die Antriebskraft durch all diese Zustände des denkenden Geistes ist und am Ende als die strahlende liebende Eigenschaft unseres SELBST weiterexistiert. Ohne Zweifel können wir behaupten, dass es ohne Bhakti keine effektive Selbst-Analyse oder Erleuchtung geben könnte. Tatsächlich ist eine effektive Selbst-Analyse reine Bhakti. Sie sind ein und dasselbe. Wir sehnen uns danach zu wissen, wer und was wir sind, und es ist diese Sehnsucht, die mit der Frage gleichzusetzen ist: »Wer bin ich?« Wir beginnen damit und wir enden damit. Entlang des Wegs lernen wir die Methoden, die notwendig sind, damit unsere Sehnsucht ihre Annäherung an das Wissen erfüllen kann. Da wir das unergründbare SELBST nicht verstehen können, verschmelzen Bhakti und Selbst-Analyse und wir werden bewusst zum SELBST.
Einige werden sagen: »Du warst immer das SELBST. Es hat nie etwas gegeben, das du werden solltest!« Das stimmt. Doch dies ist eine Wahrheit, die in der Unwahrheit gesprochen wird. Denn für jeden von uns ist unsere Wahrnehmung 100% unserer Realität. Während die Wahrheit ist, dass wir das ewige SELBST sind, muss die Wahrnehmung geändert werden, damit diese Wahrheit in Fülle erfahren werden kann. Dieser Wandel ist ein Prozess, eine Reise, die jeder von uns machen wird, sobald wir uns dazu berufen fühlen. Es beginnt und endet mit unserer ernsthaften Sehnsucht und unserer Bereitschaft auf jeder Stufe des Weges zu handeln.
Der Guru ist in dir.
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