Mt. Washington

Mt. Washington

Das Leben in der Gemeinschaft der Selbstverwirklichung auf dem herrlichen Gelände des Mt. Washington bescherte uns Devotees das Privileg vieler privater und auch Gruppenzusammenkünfte mit dem Meister. (10) Welch eine Freude war es, von ihm gerufen zu werden! Natürlicherweise variierte seine Art der Führung je nach dem, wie jeder am besten Gott dienen konnte. Er sagte, dass das, was jemand am besten beherrschte, auch das sei, womit derjenige oder diejenige am erfolgreichsten dienen könne. Die Art der Arbeit sei nicht wichtig, solange man damit Gott einen Kanal zur Verfügung stelle, durch den Gott sich ausdrücken könne. Obwohl wir alle gleich erschaffen seien, da wir als Ebenbilder Gottes erschaffen wurden, sei doch jede Seele mit einem Funken von Individualität gesegnet worden, den es gelte zu entwickeln. Das sei wie mit Gold-Nuggets, die ebenfalls erst geläutert und poliert werden müssten, bevor unser Licht hindurchscheinen könne.

Er betonte nachdrücklich, dass Meditation entscheidend sei. „Sei still und wisse, dass ich Gott bin.“ (11) Der Geist reflektiert ganz deutlich das göttliche Licht, genauso wie ein ruhiger See das Licht des Mondes vollkommen widerspiegeln kann, wenn er nur durch Konzentration auf das Christus-Zentrum befriedigt werde. Aufgewühltes Wasser entstellt.

Obwohl der Meister nicht zögerte, offen alles auszusprechen, tat er dies gewöhnlicherweise mit Wärme, Verständnis und Humor. Ich erinnere mich noch gut daran, wie schockiert ich war, als ich einmal hörte, wie er einen Devotee abkanzelte. Der Meister las meine Gedanken und klärte mich auf: „Ich verliere niemals meine Beherrschung. Ich besitze lediglich eine feurige Persönlichkeit.“ Der Meister erklärte später, dass er immer auf die Art kommunizierte, die die tiefsten Eindrücke im jeweiligen Devotee hinterlassen würde.

Ein Highlight war es natürlich immer, am Gottesdienst teilzunehmen, um den Meister zu hören. Meine Mutter sagte, dass er für sie die erste Person sei, die in das Thema der Religion einen Sinn brachte. Als sie sich das erste Mal einen Vortrag von ihm anhörte, erhielt sie seinen Segen nicht nur in Worten, sondern auch in den Folgen. Eine Energieladung floss in ihre Hände, durchdrang ihr ganzes Wesen und kräftigte sie so. Sie sagte, dass sie sich fühle, als sei sie spirituell, mental und körperlich auf eine höhere Ebene gehoben worden.

Die meisten Menschen reagierten auf die Segnungen des Meisters positiv. Doch gab es auch einige, deren Egos ihnen in die Quere kamen. Eine Frau, die ihre Bedeutung hervorheben wollte, sagte: „Meister, ich bin wirklich rein. Ich habe seit Jahrzehnten keinen Bissen Fleisch zu mir genommen.“ (Yogananda riet den Devotees, sich vegetarisch zu ernähren; bei der Gemeinschaft der Selbstverwirklichung gab es immer nur vegetarisches Essen.)

Er erlaubte ihr, sich noch etwas auszulassen und wandte sich dann an mich mit den Worten: „Ich wünschte, du könntest ihr irgendwie eine Schinkensemmel unterjubeln. Das würde ihr sicher guttun.“ Der Meister sah es nicht gern, wenn Menschen aus dem, was sie aßen, einen Fetisch machten. Einmal prahlte ein Mann in der Kirche herum, wie viel Karottensaft er täglich trinke. Der Meister sagte zu ihm: „Alles, was du damit erreichst, ist, dass du dich an diese Ebene noch etwas länger bindest.“

Meine Aufgaben im Aschram beinhalteten etwas Sekretärarbeit und die Betreuung vieler Gäste Yoganadajis, sobald sie in Los Angeles ankamen, und diese zum Mt. Washington zu begleiten. Außerdem fuhr ich den Meister zum Lake Shrine in Pacific Palisades und zurück, als dieser sich noch im Aufbau befand. Dies war in der Tat ein Privileg, auch wenn es ein wenig beunruhigend war, weil er immer wollte, dass ich allen anderen Autos vorausfuhr. Ich fuhr so schnell, wie ich es mir zutraute – und durch die Gnade Gotte kam es niemals zu einem Zwischenfall. Warum er das schnelle Fahren mochte, kann ich nicht sagen, außer dass er vielleicht fühlte, dass es nicht wert sei, im langweiligen Verkehr herumzutrödeln, solange wir dadurch nicht in Schwierigkeiten gerieten.

Wie gesegnet ich bin, so viel Zeit mit ihm verbracht zu haben, wie ich das habe. Schließlich bin ich ihm erst 1949, drei Jahre vor seinem Mahasamadhi (der finale bewusste Austritt eines Yogi aus seinem Körper) begegnet.

Yogananda war eine berühmte Persönlichkeit, sehr aktiv und sehr begehrt. Ich erinnere mich, dass die Presse, wann immer sie sich einfand, mich nach seinen herausragendsten Eigenschaften befragte. Oft schwärmten die Reporter noch, bevor ich antworten konnte, von seiner großen Liebe, die sie ganz real fühlten, und von seinem berauschenden Humor. Er hatte die Fähigkeit, in Gottes „Menagerie“, wie er die Welt manchmal bezeichnete, alle Arten von Menschen zu erreichen. Oft schmunzelte er über verschiedene seiner Devotees, die Angehörigen des Tierreichs glichen. Er behauptete, dass meine Augen wie die eines Waschbärs (eng. Raccoon) aussahen. Konsequenterweise sprach er mich hin und wieder als „Raccoonita“ an.

Seine Freude gipfelte in gelegentlichen Streichen. Einmal lenkte er meine Aufmerksamkeit zu einem Punkt an der Decke oberhalb des Tisches, an dem er mit Rajarsi (James J. Lynn, zweiter Präsident der SRF) vor Kurzem mittaggegessen hatte. Dann begann der Meister so herzhaft zu lachen, dass ich kaum in der Lage war, seine Worte zu verstehen. Schließlich ergab sich das gesamte Bild der Geschichte: Nachdem sie sich an den Tisch gesetzt hatten, bat der Meister Rajarsi, aus dem Fenster auf einen Vogel zu blicken. Der Meister hatte zuvor eine Spielzeug-Wasserpistole unter seiner Kleidung versteckt und während Rajarsi aus dem Fenster blickte, schoss er mit der Wasserpistole auf den Punkt an der Decke, von wo das Wasser auf Rajarsis Glaze tropfte. Rajarsi war verdutzt, sagte jedoch nichts. Der Meister spielte den Unschuldigen. Als der Meister den Trick das zweite Mal versuchte, kam Rajarsi drauf, dass der Meister dahinter steckte.

Von Yogananda handgezeichnet Racunita
Von Yogananda handgezeichnet Racunita


Der Meister fand auch Gefallen an Geschichten von anderen. Zum Beispiel arbeitete ich zur Zeit des Zweiten Weltkriegs bei Vultee Aircraft. Einmal erzählte ich dem Meister, dass ich, nachdem ich meinen ersten Alleinflug absolviert hatte, zu meinem Chef sagte: „Oh, ich werde auch Sie einmal in die Luft mitnehmen können.“

Da antwortete mein Chef: „Was haben Sie gegen mich?“ Diese Antwort belustigte den Meister so sehr, dass er sie zu den zahlreichen Geschichtlein zählte, die er mich ihm gelegentlich wiederholen ließ, um sich damit von seiner großen Arbeitslast etwas zu erholen.

Immer öfter zog mich der Meister zu Arbeiten heran, bei denen es um das Kontaktieren von Menschen ging. Meine Aufgabe war es nicht notwendigerweise, sie als Mitglieder anzuwerben, sagte er, sondern ihnen den Yoga etwas näher zu bringen, falls sie daran interessiert sein sollten – besonders Künstler und Wissenschaftler, von denen ich vielen begegnete. Er schätzte die Kreativität der Künstler sehr und er bewunderte mit ganzem Herzen die Enthüllung von Wahrheiten, dem sich die Wissenschaftler verschrieben hatten. Der Meister sagte, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bevor sich Wissenschaft und Yoga treffen würden. Da beide die Wahrheit erkannt hatten, nur aus verschiedenen Perspektiven, würden die Wissenschaft und Yoga übereinstimmen.

Der Meister gab mir bekannt, dass ich viel reisen würde und dass sich mir Türen öffnen würden. Er bat mich, ich solle malen und/oder schreiben, um mit der Öffentlichkeit in Kontakt zu treten, und sagte: „Ich bitte dich nicht darum, Meditationszentren und Lebensgemeinschaften zu gründen. Dafür sind andere da. Ich bitte dich darum, zu meditieren und unter die Leute zu gehen.“ Ich erklärte ihm, dass ich nicht sonderlich daran interessiert sei, in Gesellschaft zu gehen, worauf er antwortete: „Gut, kannst du es nicht tun, um damit Gott und Guru einen Gefallen zu tun?“

Ich antwortete: „Wenn du das so formulierst, dann in der Tat, ja.“

Er sagte mir, dass ich mich frei fühlen sollte, jedem, bei dem ich dachte, dass das angebracht sei, Kriya (eine fortgeschrittene Meditationstechnik) oder jeden anderen Teil seiner Lehre zu geben. Die Wahrheit sei frei.

Ich explodierte: „Meister, das kann ich nicht machen. Die Leute in deinem Büro würden einen Anfall bekommen!“

Er sagte: „Du göttlicher Einfaltspinsel, wem folgst du, dem Büro oder mir?“

„Ich könnte aber einen Fehler machen“, fügte ich hinzu.

„Nein, das wirst du nicht. Ich werde durch dich wirken – und stimme dich immer mit Faye (Sri Daya Mata) ab. Übrigens hab ich ihr gesagt, dass sie sich an dich wenden solle, wann immer sie eine Pause von ihrer großen Arbeitslast braucht. Ihr beide könntet zum Beispiel ins Kino gehen.“ Das hat mich sehr erfreut, weil ich eine sehr hohe Meinung von ihr hatte.

„Am wichtigsten ist es, zu meditieren und sich von der göttlichen Welle treiben zu lassen. Wo du auch sein magst, ich werde immer dein Guru sein. Ich habe dich genügend geprüft. Du wirst diesen Pfad nicht mehr verlassen.“ (Ich frage mich, worin diese Prüfung bestand.)

„Wie rigoros sollte ich denn dann sein, wenn ich in Gesellschaft gehe, wenn es z.B. ums Fleischessen oder ums Alkoholtrinken geht?“, fragte ich.

„Sei da natürlich besonnen. Behalte in jeder Situation Anmut. Was immer du aber machst, bringe bitte nie deinen Gastgeber oder deine Gastgeberin in Verlegenheit.“

Einmal lud einer unserer Nachbarn uns alle von der SRF am Mt. Washington großzügig zu ihrer Nachbarschafts-Weihnachtsfeier ein. Daya sagte, dass der Meister es gern sähe, wenn einige von uns daran teilnehmen würden. Wegen ihrer vielen Verpflichtungen konnte Daya nicht gehen, doch sandte sie eine kleine Gruppe, auch meine Mutter, die gerade zu Besuch da war, zu der Feierlichkeit. Wir wurden herzlich empfangen und man bot uns alkoholische Getränke an, die wir rundweg ablehnten (begreiflicherweise). Es folgte eine Totenstille. Der Gastgeber war offensichtlich verlegen, weil er merkte, dass er den Fehlgriff des Jahres getan hatte. Aus dem hinteren Teil unsere Gruppe sagte ich: „Wir sind sehr von Ihrer Gastfreundschaft angetan und hoffen dass sie entschuldigen, dass wir uns derzeit in Enthaltsamkeit üben.“ Er entspannte, lächelte und sagte: „Ach so, ja natürlich.“

Danach bot man uns leckere Sandwiches an, die wir annahmen, nur um zu entdecken, dass sie mit Fleisch belegt waren. Was sollten wir tun? Einige wurden an meine Mutter weitergereicht, die sie aus Höflichkeit aß. Ich biss ein wenig in das meine. Der Rest wanderte unauffällig in einen Abfalleimer in der Nähe. Ich bemühte mich, eine fröhliche Stimmung zu verbreiten, und mischte mich unter die Gäste. Dann gingen wir wieder.

Fußnoten:

10. Die Lehren Paramahansa Yoganandas können von den folgenden direkten Schülern (die inzwischen bereits verstorben sind) und deren Organisationen erhalten werden:

Sri Daya Mata, ehemalige Präsidentin/spirituelle Leiterin
der Gemeinschaft der Selbstverwirklichung
3880 San Rafael Avenue
Los Angeles, CA 90065-3298

Kriyananda (J. Donald Walters), Gründer/ ehem. spiritueller Leiter
Ananda World Brotherhood Village
14618 Tyler Foote Road
Nevada City, CA 95959

Roy Eugene Davis, ehem. spiritueller Leiter
Zentrum für spirituelles Bewusstsein (Center for Spiritual Awareness
Box 7, Lake Rabun Road

J. Robert Raymer, ehem. Präsident/ spiritueller Leiter
Golden Lotus, Inc, Song of the Morning Ranch
9607 E. Sturgeon Valley Road
Vanderbilt, MI 49795-9742

11. Psalmen 46:10.

Über den Autor

Magaret Bowen Dietz

Frau Dietz war eine Schülerin von Paramahansa Yogananda, die bei ihm im Ashram gelebt hat und nach Yognandas Mahasamadhi ihre Erinnerungen mit Yogananda in dem kleinen Werk "Danke Meister" festgehalten hat.

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