Lektion 274 – Was ist das Endspiel beim Yoga? Wie sieht die Endphase beim Yoga aus?
Frage: Ich habe eine Frage an dich. Innere Stille ist, wie du sie erwähnst, im Laufe der Zeit über weite Strecken des Tages hinweg wirklich stärker geworden. Ich erinnere mich noch an die Zeit vor einigen Jahren, als ich die innere Stille ab und zu mal während des Tages bemerkte und erkannte, dass dies ein direktes Ergebnis meiner Meditationsbemühungen war. Das ist so eine schöne Erkenntnis. Nun nimmt die innere Stille als Ergebnis täglicher fortgeschrittener Yoga Übungen einen sehr viel größeren Teil des Tages ein. Es ist immer noch kein anhaltender Zustand (wie ich ihn hoffe zu erreichen), doch trotzdem sehr bemerkenswert.
Da ist auch eine zunehmende ekstatische Leitfähigkeit. Alles, was ich tun muss, ist innezuhalten und darauf zu achten und es ist da. Bin ich inaktiv, muss ich gar nicht groß darauf achten. Dann ist es sehr wahrnehmbar.
Ich frage mich, was als Nächstes kommt. Ich bin mir sicher, dass ich entscheidende Fortschritte gemacht habe und dies alleine sollte schon genug sein, um mich für meine Anstrengung zu belohnen. Ich weiß jedoch, dass dies noch nicht das Ziel der Reise ist. Ich weiß, dass es da noch viel mehr zu erreichen gibt. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich irgendwo in den Lektionen gelesen habe, was als Nächstes geschieht. Bei der SRF [Self-Realization Fellowship, die von Yogananda gegründete Kriya-Yoga-Organisation] ist offensichtlich einer der großen Meilensteine das Hindurchgehen durch den Stern, den man am Ajna sieht.
Das scheint mir die Entwicklungslinie zu sein, wie man sie bei den meisten Traditionen findet, obwohl man das gewöhnlicherweise geheim hält. Ich habe den Stern in vielen mittelalterlichen Gemälden und Schnitzereien Europas entdeckt. Man sieht ihn auch auf der Spitze der Pyramide der Ein-Dollar-Note sitzen. Du hast dazu in den frühen Lektionen bereits eine Frage beantwortet (Lektion 92) und ich erinnere mich an deine Antwort, dass wir uns darum nicht zu kümmern bräuchten – zumindest jetzt nicht.
Gehört so etwas auch zu FYÜ? Dauert es noch Jahre bis dorthin? Vielleicht sogar ganze Leben? Ich verstehe schon, dass das bei jedem Menschen andersgeartet ist und davon abhängt, welches Karma jeder aus früheren Leben und dem jetzigen mitbringt. Vielleicht kannst du dazu aber etwas sagen.
Antwort: Das Aufkommen innerer Stille bei dir ist etwas sehr Schönes und das untrüglichste Zeichen für spirituellen Fortschritt und zunehmende Freiheit.
Wenn du fragst, was als Nächstes kommt, sobald die innere Stille und die ekstatische Leitfähigkeit aufgekommen sind, so kann man das ein lange sich hinziehendes Vereinigen dieser beiden nennen und dies vollzieht sich genauso sehr in unseren täglichen Aktivitäten wie in unseren Übungen. Daraus entspringt das „Kind“, wenn man so will, dieser Vereinigung, „Jivan Mukti“ oder „Christus-Bewusstsein“. Dies ist das „Endspiel“ des Yoga und entspricht dem, was ich „ausfließende göttliche Liebe“ nenne. Das bedeutet, dass wir die Welt immer mehr als unser eigenes Selbst wahrnehmen und dementsprechend auch handeln – »Handelt den Menschen gegenüber in allem so, wie ihr es von ihnen euch gegenüber erwartet« [Matt. 7,18] im Dienst. Das wiederum beschleunigt unseren Fortschritt auf dem Weg in die Einheit, was nur eine andere Bezeichnung für Jivan Mukti oder Christusbewusstsein ist.
Ich sehe also den nächsten Schritt nicht als eine Austrittsstrategie, dass man durch den Stern im Ajna, der Krone oder irgendeinem anderen Tor hinaustritt, auch wenn wir im Zuge unseres Voranschreitens auf ganz natürliche Weise mit den Eigenschaften und Vorzügen dieser Öffnungen in Beziehung zu unserem irdischen Leben vertrauter werden. Zweifellos werden wir die Reise hinaus natürlich genug machen, wenn wir diese Sphäre verlassen. Doch warum sollten wir uns da beeilen? Es gibt hier so viel zu tun.
Natürlich gebe ich hier meine eigene Einstellung wieder, meine eigene Sichtweise. Das Ziel von FYÜ ist Moksha, d.h. spirituelle Befreiung in diesem Leben. Der Rest hängt von den Neigungen eines jeden Einzelnen ab. Wenn das in deinem Herz liegt, die fernen Bereiche des inneren Weltraums zu bereisen, während du dich immer noch im physischen Körper befindest, dann kannst du dies tun, falls du es wünschst. Willst du anderen hier auf Erden dienen, so kannst du dies tun. Wenn du willst, kannst du auch beides tun. Das ist deine Entscheidung. Darum geht es bei Moksha – wirkliche Freiheit – und du kannst in dieser Beziehung keine falsche Entscheidung treffen. Der Kosmos liegt dir zu Füßen, und deine Entscheidungen und der göttliche Fluss des Lebens werden zu einem Synonym. Ich meinerseits neige zum Dienst, in dem Sinne, dass ich all dies durch meine schriftstellerische Tätigkeit bekannt mache. Das ist mein Karma und da kann ich gar nicht anders – ich will auch gar nichts anderes. Dies ist eine sehr erfüllende Tätigkeit und ich kann mir gar nichts anderes denken, das ich lieber tun würde und das schließt auch Ausstiegsszenarien jenseits der Vereinigung von Samadhi mit täglicher Aktivität im Dienst mit ein. Für mich ist die Erleuchtung also genau hier. Für dich ist sie dort, wo dich der innerste Wunsch deines Herzens hinführt. Du hast die Wahl.
Übrigens, auf neurobiologischer Ebene entspricht die Jivan Mukti oder Christus-Ebene der Vereinigung von innerer Stille mit ekstatischer Leitfähigkeit, die sich von überall im Körper aus nach oben entwickelt, im Kopf das Stadium der Reife erreicht, und dann zurück nach unten in das Herz wandert, wo die spirituelle Wiedergeburt stattfindet. Es ist also das Herz, wo wir mit diesem allen enden. Das Herz ist die letzte Heimat für unsere Erleuchtung in diesem Körper und die Neurobiologie des gesamten Körpers unterstützt dies. Es gibt aber viel zu tun, um die Bedingungen für diese letztendlichen Entwicklungsziele zu schaffen und darum geht es bei den Fortgeschrittenen Yoga Übungen.
Kann man das alles in diesem Leben erreichen oder sollte man das eher in einem zukünftigen Leben erwarten? Dies hängt vom Zustand unseres Nervensystems in diesem Augenblick ab und davon, was wir gerade dafür tun. Auf alles, was wir jetzt erreichen, können wir in diesem Leben und in späteren immer weiter aufbauen. Es geht also immer darum, was wir im Augenblick machen. In jeder Minute liegt die Macht für unsere spirituelle Transformation in unseren Händen. Wir müssen nur Gebrauch davon machen.
Eine sehr gute Frage und ich hoffe, dass ich ihr gerecht werden konnte.
Der Guru ist in dir.
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