Lektion 318 – Ist der Zeuge dasselbe wie Erleuchtung?

Frage: Beim Lesen der Lektionen kam mir eine Frage in den Sinn. Du sprichst vom Ritt der Kundalini und wie sich die angesammelte Energie zu ausfließender göttlicher Liebe (das ist übrigens großartig!) wandelt. Meine Frage lautet: Ich nehme in deinem Fall an, dass du vor all dem viele Jahre meditiert hast, dass du wach warst, d.h. die bleibende innere Stille bereits besessen hast und dass du dir der Essenz dessen, was du bist, bewusst warst.

Ich vermute mal, dass das ungefähr mit den drei Phasen der Erleuchtung übereinstimmt, die du benennst:
– bleibende innere Stille (Zeugenschaft), die durch tägliche tiefe Meditation kultiviert wird,
– das Aufkommen ekstatischer Leitfähigkeit, geläuterte Kundalini, die man durch das Pranayama der Wirbelsäulenatmung, Hatha Yoga Methoden und andere Übungen kultiviert,
– die Verschmelzung der beiden, woraus dann die ausfließende göttliche Liebe und Einheit werden.

Ist das so richtig? Denkst du, dass jemand, der erst in der ersten Phase, dem Zustand der Zeugenschaft, ist, erleuchtet ist? Vielleicht schon, nur eben nicht »ausfließend«?

Antwort: Ja, ich hatte das Glück viele Jahre tief meditiert zu haben, bevor ich durch das Kundalini-Ereignis ging, und das half mir, viel klarer zu sehen, was sich da ereignet und was der Zweck von dem allen ist. Die innere Stille (der Zeuge) ist der fundamentale Bestandteil der aufkommenden Erleuchtung. Deshalb behandeln wir die tiefe Meditation in den FYÜ-Lektionen auch zuerst.

Andererseits hatte ich vor vielen Jahren nicht die integrierten Hilfsmittel zur Hand, die uns heute für eine reibungslose Kultivierung und Steuerung des Kundalini-Prozesses zur Verfügung stehen. Deshalb war es während dieser Jahre notwendig, sehr viel zu probieren, zu erforschen und zu entwickeln. Viele Dinge, die heute zur Routine der Fortgeschrittenen Yoga Übungen gehören, wurden während dieser Zeit ausgearbeitet. Der Roman »Wilders Geheimnisse« gibt eine Vorstellung von einigen der Erfahrungen, die ich machen musste. Das war ein Prozess des Lernens mit Versuch und Irrtum, durch eine ständige Überprüfung von Ursache und Wirkung in den Übungen.

Was die Erleuchtung betrifft, sehe ich das nicht als eine feste und absolute Sache an. Die drei Phasen, die du erwähnst (siehe dazu Lektion 35) sind Signalerfahrungen, von denen wir entlang unseres Wegs bemerken können, dass sie sich einstellen. Sie sind eine allgemeine Bestätigung des Fortschritts, wenn wir unsere Übungen richtig anwenden. Wie viele Übende bestätigen können, handelt es sich dabei um tatsächliche Erfahrungen. Allerdings gibt es da kein endgültiges Ziel, bei dem wir dann mal sagen können: »Ich bin angekommen!« Sei bei jedem misstrauisch, der so etwas behauptet. Wenn wir dort sind, werden wir überhaupt nichts dazu sagen. Die größte Erleuchtung ist diejenige, die nicht viel über sich spricht. Sie ist nur für andere da, indem sie an der Reinigung und Öffnung in jedem weiterarbeitet. Auch dies ist eine Reise, die immer weiter geht. Wo endet sie? Gut, wir machen einfach weiter und finden das selbst heraus.

Auf dem Weg, den wir vielleicht geneigt sind, »Erleuchtung« zu nennen, ist alles relativ zu dem, was vorher kam und dem, was später noch kommt. Fühlen wir uns friedvoller und glücklicher, als im letzten Jahr, dann sind wir relativ mehr erleuchtet im Vergleich zum letzten Jahr, oder nicht? Und wir werden sehen, wie die Situation im nächsten Jahr ist, wenn wir mit den Übungen weitermachen. Natürlich, das, was im Augenblick ist, ist alleine wichtig. Das andere spielt nur insofern eine Rolle, als es uns hilft, unsere Motivation (Bhakti) für das Fortschreiten auf dem Pfad zu steigern. Was wir darüber denken, ist im Grunde überhaupt nicht ausschlaggebend. Was wir konsistent über einen langen Zeitraum im Sinne von Übungen machen, ist entscheidend.

In dem Buch »Selbst-Analyse« aus der Erleuchtungsreihe der Fortgeschrittenen Yoga Übungen (erscheint voraussichtlich Frühjahr 2018) ist einer der Fallstricke des Verstandes, die dort behandelt werden, mit »Illusion des Erreichthabens« überschrieben, dass wir also denken, wir seien »angekommen«. Aufgrund des Aufkommens des Zeugen in so vielen Gegenden heutzutage, gibt es sehr viele Menschen, die sich in diesem Fallstrick verheddern und proklamieren, der Zustand des Zeugen und nicht die aktive Teilhabe an der Welt sei das Ziel. Das ist aber keine Erleuchtung und auch kein Yoga. Es ist eine Form der Trennung. Die Botschaft hier lautet: Es ist Zeit weiterzugehen!

Der Zustand der »Zeugenschaft« wird oft als Erleuchtung ausgegeben, damit fängt sie aber erst an. Es ist nur der Ausgangspunkt für die Erleuchtung der gesamten menschlichen Rasse und darüber hinaus. Dazu kann es nur kommen, wenn wir, als die Zeugen, ekstatisch energetisiert werden und fortfahren in der Welt zu handeln. Dies ist das göttliche Ausfließen, was wir auch als Stille im Handeln bezeichnen. Das muss weitergehen, während unsere göttliche Stille auf den Schwingen der ekstatischen Kundalini nach außen strahlt.

Es geht nicht mehr länger darum, ob irgendeine Person oder einige Personen erleuchtet sind oder nicht. Es geht darum, dass jeder erleuchtet wird. Das ist der Evolutionspfad, auf dem sich unsere Spezies weiterentwickelt, die Reise, die wir jeden Tag leben.

Der Guru ist in dir.

Über den Autor

Yogani

Yogani ist ein anonymer US Amerikaner, der 2003 begann, im Internet sein spirituelles Wissen in Form von Lektionen zu veröffentlichen und damit auf einen großen Kreis Interessierter weltweit traf. Im Laufe der Jahre entstand Daraus eine umfassende Bibliothek zu allen Aspekten des Yoga. Inzwischen gibt es viele Übersetzungen in andere Sprachen. Die Lektionen sind immer noch kostenlos abrufbar. Heute gibt es auch Bücher, Hörbücher, Ebooks und im Englischen eine PLus-Mitgliedschaft sowie ein gut besuchtes Forum.

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