Lektion 389 – Warum willst Du nicht mein Guru sein?

Frage: Ich habe den intensiven Wunsch, einen Guru zu finden, der mein Ego ausschalten und mich zur Erleuchtung führen kann. Kannst Du mein Guru sein? Falls nicht, warum nicht?


Antwort: Verfolge auf jeden Fall deinem Wunsch, sei dir jedoch bewusst, dass damit einige Fallstricke verbunden sind. Immer, wenn wir spirituelles Wissen außerhalb unserer eigenen inneren Stille suchen, gibt es Fallstricke. Mit der Zeit wird Dich Dein Wunsch nach innen führen. Dort lebt die ewige Wahrheit.


Das Ego ist nur ein Begriff – ein Wort, um das Bewusstsein zu beschreiben, das sich mit den Objekten der Wahrnehmung identifiziert. Die Buddhisten nennen das „Anhaftung“ an den Objekten der Wahrnehmung. Der Verstand selbst wird nicht tot sein, solange wir noch am Leben sind. Er ist zunächst ein Werkzeug des identifizierten Selbst (kleine Buchstaben) und wird schließlich zu einem Werkzeug des nicht identifizierten SELBST (große Buchstaben). Was in diesem Leben stirbt, ist die Identifikation unserer Bewusstheit als Selbst mit allem, was in Zeit und Raum erscheint. Das ist nicht der Tod des Verstandes oder gar des „Ich-Gedankens“, den wir Ego nennen. Wir erkennen es nur als das an, was es ist – durch die zunehmende Anwesenheit bleibender innerer Stille (Zeuge), die durch spirituelle Übungen kultiviert wird. Es ist die Erleuchtung des Verstands hin zu einem göttlichen Ausströmen, welche dann die endlose Freude der Einheit in Zeit und Raum erwecken kann. Es ist dasselbe, von dem die alten und modernen Weisen gesprochen haben. Es ist dieselbe Erfahrung. Nur die Wörter, die es beschreiben, unterscheiden sich vielleicht ein wenig.


Beschreibungen von „Erleuchtung“ können durch Kultur und Sprache eingefärbt sein, aber es ist dieselbe Öffnung, die in jedem geschieht, wenn die geeigneten Mittel angewandt werden. Die fortgeschrittenen Yoga Übungen führen stufenweise dorthin. Einige behaupten, es könne dazu augenblicklich kommen. Dem stimme ich zu, dass es in einem Augenblick geschehen kann, wenn man einmal reif dafür ist (d.h., man lebt bereits tief im Zeugen). Aber reif wird man nicht im Augenblick. Wir können ein Wortspiel daraus machen, indem wir behaupten, dass unsere Erweckung augenblicklich ist. Sie ist jedoch nur augenblicklich, wenn wir reif werden. Dafür muss man hingebungsvoll Zeit in Übungen zubringen.


Ich bin kein persönlicher Guru für irgendjemanden. Würde ich das sein, könnte ich nicht mehr in der Rolle eines Forschers und Autors für spirituelle Werkzeuge und deren praktische Anwendung weitermachen. Ich vertrete weitgehend den Standpunkt der westlichen Wissenschaft und das motiviert mich, die Fortgeschrittenen Yoga Übungen zu präsentieren, wie ich das tue. Ein wichtiges Bestreben dabei ist es, den „Osten auf den Westen treffen zu lassen“. Die Vorstellung eines persönlichen Gurus ist hier nicht zugkräftig, da es dabei so oft um Persönlichkeitskult geht. Mittlerweile sind wir mit den Fallstricken, die damit verbunden sind, vertraut. Im letztendlichen Sinne ist das nicht das, was einen Guru ausmacht. Aber in der Welt ist das genau das, was man unter Gurutum versteht – Persönlichkeitskult. Das ist in hohem Maße zu einer Beziehung mit gegenseitiger Abhängigkeit geworden, in der der Schüler den externen Guru braucht und der Guru den externen Schüler. Dies führt unweigerlich zu einer Anspruchsmentalität auf beiden Seiten. Daraus resultiert Instabilität und ein Verlust an Glaubwürdigkeit und heiliges Wissen erleidet einen Rückschlag.


Ich glaube, dass die Dokumentation eines umfassenden und praktischen quelloffenen Ansatzes, der auf Wissen basiert, sehr viel wichtiger ist. Dies wird alle Persönlichkeiten überdauern, damit auch alle Skandale, und es wird langfristig auch viel mehr Menschen erreichen. Mit einem klaren, allgemein zugänglichen Wissen über die spirituelle Transformation des Menschen kann jeder verstehen, wie man bleibende innere Stille kultiviert und das göttliche Ausströmen aus dem eigenen Inneren erweckt. Dann wird es zu einem wirklichen Wandel in der Welt kommen und man wird nicht mehr einigen wenigen erleuchteten Menschen in jeder Generation nachjagen. Selbst wenn wir von vielen erleuchteten Menschen umgeben sind, wird es jedem Einzelnen obliegen, zu ihrem eigenen Nutzen und zum Nutzen aller die erprobten und wahren Methoden anzuwenden.


Was auch immer Du an mir (oder irgendjemandem) Inspirierendes findest, dieses Inspirierende ist in Wahrheit in Dir und da ist es auch, wo Dein wahrer Guru ist. Wenn Du in Deinen inneren stillen Tiefen danach suchst, suchst Du an der richtigen Stelle. Wenn Du im Äußeren danach suchst und du im Äußeren daran festhältst, wirst es dir fehlen. Ich übe keine Kontrolle darüber aus, wohin Dein spiritueller Wunsch (Bhakti) geht. Das ist deine Aufgabe. Ich kann dich nur dazu ermutigen, bei deinem Voranschreiten äußere Inspiration und Wissen zu verinnerlichen. Wir erheben uns alle aus derselben Quelle, aus der Einheit. Ob eine innere Verbindung vorhanden ist, steht also außer Frage. Ich sehe das aber als eine kollektive Einheit an, und nicht als individuelle Einheit. Wer könnte also jemals ein individueller Guru der letztendlichen Einheit sein? Niemand. So etwas gibt es nicht. Es gibt nur diejenigen, die uns auf die innere Einheit, die wir sind, hinweisen können. Der wahre Guru ist in uns. Schau Dir Lektion 57 an, wenn Du mehr darüber erfahren willst.


Das soll nicht bedeuten, dass Gurus nicht wichtig sind. Sie sind sehr wichtig. Macht man richtigen Gebrauch von ihnen, sind sie wie Sprungbretter entlang unseres spirituellen Weges. Praktisches spirituelles Wissen entspringt nicht einem Vakuum. Es hat sich im Laufe der Zeit angesammelt. Unser spiritueller Wunsch (Bhakti) ist wie ein Magnet und Wissen wird aus unserer Umgebung zu uns gezogen, von überall, und manchmal auch in Form eines äußeren Gurus. Wir können großen Nutzen daraus ziehen. Das wird jedoch nicht vollkommen sein. Diejenigen, die annehmen, es gäbe einen vollkommenen äußeren Guru, werden früher oder später enttäuscht. Entweder das oder sie verleugnen es, sobald die Unvollkommenheiten bekannt werden. Es ist der Suchende, der diese unglückliche Situation schafft, wenn er auf der physischen Ebene Vollkommenheit erwartet. Diese existiert nicht – nicht einmal unter den Erleuchteten. Vollkommenheit ist ein innerer Zustand, kein äußerer. Wir mögen Vollkommenheit im Leben widergespiegelt sehen. Aber es ist nur eine Reflexion, die zu jeder Zeit verzerrt werden kann. Das liegt in der Natur des Lebens. Das bedeutet nicht, dass wir durch äußere Gurus nichts dazu gewinnen können. Das können wir ganz sicher. Wissen müssen wir von irgendwo her beziehen, um voranzukommen. Es geht darum, den Weizen des Wissens von der Spreu weltlicher Unvollkommenheit zu trennen. Das kann man erreichen. Schau dir Lektion 260 an, wenn Du mehr darüber erfahren willst.


Wie ich das schon immer in diesen Lektionen sage: es geht nicht um mich oder irgendeinen bestimmten Lehrer. Das ist das Schlüsselelement in der Entwicklung von spirituellem Wissen im 21. Jahrhundert. Wir bewegen uns weg von Persönlichkeitskulten hin zu direkter individueller Erfahrung der essentiellen Wahrheit, die in jedem von uns zu finden ist. Wir befinden uns in einer beschleunigten Transformation des menschlichen Bewusstseins auf der Erde. Praktische Methoden zur Kultivierung menschlicher spiritueller Transformation tauchen aus dem Schatten der Esoterik auf und treten ins volle Tageslicht. Darum geht es bei den fortgeschrittenen Yoga Übungen. Die Technologie des Informationszeitalters spielt darin eine wichtige Rolle, wie das in vielen Bereichen der Fall ist. Erwarte also von den Fortgeschrittenen Yoga Übungen keine traditionelle Guru-Beziehung. Manche enttäuscht das. Aber eigentlich sollte man deswegen erleichtert sein. Es liegt alles in Deinen Händen.


Was wirkliche persönliche Gurus im Laufe der Geschichte getan haben, ist, dass sie das Karma ihrer Schüler auf sich nahmen. Mit anderen Worten haben sie etwas für andere gemacht, was diese auch für sich selbst tun hätten können, hätten sie nur die Entschlossenheit und die Mittel gehabt. Das war eine Hilfe in Zeiten großer Not, aber nicht genug, um die Menschheit aus der Dunkelheit zu erheben. Traditionelles Gurutum bleibt weiterhin ein kostspieliges Angebot für beide Seiten – ein stetiges Ausfließen vom Guru und eine stetige Abhängigkeit von ihm beim Schüler. Um einen echten spirituellen Paradigmenwechsel hervorzurufen, ist eine stärkere, selbstverantwortliche Teilnahme aller notwendig, nicht noch mehr Abhängigkeit von persönlichen Gurus.


Als Forscher bzw. Autor im Rahmen der weltweiten Arbeit für die Fortgeschrittenen Yoga Übungen konnte ich ein interessantes Phänomen beobachten. Das Karma der Welt als Forscher bzw. Autor auf sich zu nehmen, ist so ziemlich das gleiche wie das Karma einer einzelnen Person auf sich zu nehmen. Die Unterschiede sind da nur gering. Das Karma der Welt und zusätzlich das Karma einer einzelnen Person auf sich zu nehmen, ist ungefähr zweimal so viel. Es ist also ein viel größeres Unterfangen 10 persönliche Schüler zu haben, als ein Standard-System an Übungen wie die Fortgeschrittenen Yoga Übungen zu entwickeln, um die Menschheit spirituell zu stärken. Die einzige Erklärung, die ich dafür habe, ist die, dass jeder von uns wie ein Hologramm den gesamten Kosmos widerspiegelt. Jeder Teil beinhaltet das Ganze. Das Karma einer Person auf sich zu nehmen, ist also wie das Karma des Kosmos auf sich zu nehmen. Das Karma der Welt auf eine FYÜ-Weise auf sich zu nehmen, ist ebenfalls wie das Karma des Kosmos auf sich zu nehmen, aber nicht mehr als das Karma einer Person. Deshalb ist es so, wie ich vorher gesagt habe: Würde ich dein persönlicher Guru werden, wäre ich nicht mehr in der Lage, die FYÜ-Arbeit zu erledigen. Es wäre doppelt so viel!


Für mich geht es einmal um die Erschaffung eines nützlichen Wissensfundus und zum anderen um die Bereitstellung der Mittel, diesen in der Zukunft lebendig zu erhalten. Darin ist kein Raum für ein persönliches Gurutum. Das ist ohnehin nicht mein Ding. Ich bin nur ein Forscher und Autor – ein Techniker. Du bist viel mehr als das und ich verneige mich vor dir.


Als Gemeinschaft besitzen wir mit unseren Übungen die Fähigkeit, einer enormen Flut an spiritueller Energie zum Durchbruch zu verhelfen. Damit können wir das ganze Bewusstsein der Welt mit spiritueller Kraft beleben. So können wir viel mehr spirituelle Kraft erzeugen, als es ein einzelner Guru jemals könnte. Die Dynamik hat sich verändert. Die Millionen spirituell Übender jedweder Art bringen die Menschheit an den Wendepunkt – einfach, weil sie da sind. Das ist die stille Revolution, die sich im Innern abspielt. Es ist Stille im Handeln.


Der Guru ist in Dir.

Über den Autor

Yogani

Yogani ist ein anonymer US Amerikaner, der 2003 begann, im Internet sein spirituelles Wissen in Form von Lektionen zu veröffentlichen und damit auf einen großen Kreis Interessierter weltweit traf. Im Laufe der Jahre entstand Daraus eine umfassende Bibliothek zu allen Aspekten des Yoga. Inzwischen gibt es viele Übersetzungen in andere Sprachen. Die Lektionen sind immer noch kostenlos abrufbar. Heute gibt es auch Bücher, Hörbücher, Ebooks und im Englischen eine PLus-Mitgliedschaft sowie ein gut besuchtes Forum.

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