Frage: Ich praktiziere nun ungefähr seit einem Monat Sambhavi Mudra und Mulabandha. Doch habe ich Schwierigkeiten, mein drittes Auge zu öffnen. Ich spüre überhaupt nichts. Hast du da irgendwelche Vorschläge, wie es geöffnet werden kann oder soll ich entsprechend der Anweisung weitermachen, bis es sich öffnet?

Inzwischen habe ich eine Art von Verschmelzen oder Auflösen meines Körpers vom inneren Selbst mit dem/zum äußeren meines Selbst erfahren. Es ist wie eine Wahrnehmung. Ich fühle, dass dies ein sehr gutes Zeichen ist und ich wollte dir das mitteilen. Kannst du noch Genaueres dazu sagen?

Eine letzte Sache: Ich habe nun ein Jahr mit den Fortgeschrittenen Yoga Übungen gearbeitet und es macht sich wirklich während der Aktivitäten des täglichen Lebens bezahlt. Ein tiefes Empfinden von Frieden, Achtung vor allem auf diesem Planeten und Liebe, die überall auftritt, wo in der Vergangenheit sehr viel Furcht war. Ich weiß nun, dass ich endlich etwas gefunden habe, das mein Leben wirklich auf so vielen Wegen leitet, wie ich mir das nie zu träumen wagte.

Antwort: Dass du etwas „spürst“ ist keine Voraussetzung für die Öffnung des dritten Auges. Tatsächlich sind das Spüren der körperlichen und energetischen Vielfalt Hinweise darauf, das noch weitere Reinigungen und Öffnungen anstehen. Das gilt genauso für „Visionen“ die sich immer noch im zeitlichen Reich ereignen. Diese werden vom denkenden Geist mit räumlicher Ausdehnung und Dauer projiziert. Letztendlich hat die Öffnung des dritten Auges wenig mit unserer Wahrnehmung und mentalen Projektionen in Zeit und Raum zu tun.

Was ist dann die Öffnung des dritten Auges?

Ganz einfach ausgedrückt ist es die Erweckung und Ausdehnung des Wirbelsäulennervs (Sushumna), die auf eine Vereinigung bzw. ein Verschmelzen von aufkommender innerer Stille und ekstatischer Leitfähigkeit zurückgeht. In der Sprache der traditionellen spirituellen Anatomie umfasst das dritte Auge den Wirbelsäulennerv im Bereich des Zentrums der Stirn nach hinten zum Zentrum des Gehirns und bis nach unten durch die Medulla Oblongata. Das dritte Auge umfasst demnach den gesamten oberen Teil des Wirbelsäulennervs. Das ist der Bereich, dem am meisten Aufmerksamkeit gewidmet wird und wo einige Symptome der Reinigung und Öffnung auftreten. Doch tatsächlich reicht die spirituelle Anatomie des dritten Auges den ganzen Weg hinunter zur Wurzel im Bereich des Perineums. Wenn das dritte Auge sich öffnet, ist dies eine Ganzkörpererfahrung und nicht notwendigerweise nur eine von energetischen Symptomen, Visionen etc. Es kann sich auch entlang der Linien bewegen, die du beschrieben hast: Ein Gefühl der Auflösung des Körpers und ein zunehmendes Gefühl von Einheit mit allem, was wir im Leben erfahren. Von daher können wir sagen, dass dein drittes Auge sich wirklich öffnet!

Mudras und Bandhas unterstützen das auf der Seite von ekstatischer Leitfähigkeit, obwohl wir keinerlei bestimmte Art von Symptomen zu erwarten brauchen. Die Erfahrungen werden, abhängig von der Natur der inneren Blockierung und der Fertigkeit und Beständigkeit, mir der wir unsere täglichen Übungen im Verlauf der Zeit ausführen, variieren. Ganz deutlich ist, dass sich die tägliche Aufmerksamkeit, die du der tiefen Meditation und dem Pranayama der Wirbelsäulenatmung zuteilwerden lassen hast, auszahlt und du kannst darauf vertrauen, dass alles sich ereignet, wie es das sollte. Mach einfach weiter und die Ergebnisse werden anwachsen. Das trifft auf den Gebrauch von Mudras, Bandhas und auch anderer Übungen zu. Führe sie einfach wie ein Uhrwerk aus und stimme selbst ab, wie es ein guter Fortschritt bei Bequemlichkeit erfordert. Das ist alles, was dazugehört.

Viele erwarten, dass sie durch das dritte Auge „etwas sehen“ und man verwendet vielleicht große Anstrengung (mentale Projektion) darauf, ohne dass das dem spirituellen Fortschritt irgendetwas hinzufügt. Es gibt viele Ebenen des Sehens. Die spirituelle Intuition ist die grundlegende und auch wichtigste. Das dimensionale „Sehen“ von Farben, Tunnel und Stern, Lokas, Wesen usw. sind die am wenigsten Wichtigen. Das Aufkommen dieser Art von Erfahrungen hat man die Entwicklung einer Hellsichtigkeit des „sechsten Sinnns“ usw genannt. Dies sind entlang des Wegs ziemlich weit verbreitete Erscheinungen. Doch die Öffnung des dritten Auges ist viel mehr als das. Es ist das Wachstum von göttlicher Intuition und das ist der wirkliche Gewinn. Das ist das „Sehen“ dessen, was man nicht sehen kann, auch nicht mit den feinen Sinnen. Das ist Leben jenseits des vergänglichen Lebens. Es ist ein Wissen, ohne zu wissen, das automatisch zu einem Tun ohne Tun führt. „Stille im Handeln“. Dann sind wir zu einem Kanal für ein unaufhörliches göttliches Ausfließen geworden. Das ist die wirkliche Öffnung des dritten Auges und diese geht weit über die interessanten Schmuckstücke von ekstatischen Energieströmen und übersinnlichen Erfahrungen hinaus.

Steuern wir die tägliche Praxis gut, wächst unsere Intuition bis zu dem Punkt, wo wir natürlicherweise wissen, was in allen Situationen, denen wir auf dieser erdenebene begegnen, evolutionsgemäß ist. Wir müssen nicht wissen warum, es kommt aus dem Inneren, von jenseits des Verstandes. Wir finden heraus, dass wir fest in DEM stehen können, das unbeweglich und gleichzeitig völlig beweglich ist. Es ist die spirituelle Intuition, die durch eine Öffnung und Reifung des dritten Auges kommt. Das dritte Auge (Ajna) ist ein Kanal, durch den wir uns auf dieser Erdenebene ausdrücken, weil es all die Komponenten zusammenbindet, die zur spirituellen Intuition und evolutionären Handlung gehören (Herz, Verstand, Körper, innere Stille und göttliche Ekstase). Das Ergebnis ist ausfließende göttliche Liebe, weshalb unsere Handlungen gegenüber anderen immer den besten Maßstab für unseren spirituellen Zustand und den Zustand unseres dritten Auges abgeben.

Wir gehen also von den Sinneswahrnehmungen in Zeit und Raum über zu Wahrnehmungen des sechsten Sinnes jenseits der fünf Sinne des Körpers und von dort zu einem intuitiven Sehen und göttlicher Weisheit in Stille usw. Das ist eine Entwicklung über das Sehen und Hören unserer spirituellen Anatomie (Landschaft) hinaus.

Aus diesem Grund sagen wir immer, gib den Übungen den Vorzug vor Erfahrungen oder irgendeiner Idee (Urteil), die wir bezüglich eines Mangels einer Erfahrung haben mögen. Diese sind in jedem Fall Ablenkungen vom Hauptereignis, die in unserer inneren Öffnung besteht, die man nicht messen kann, außer in Form unserer tagtäglichen Lebensqualität. Das ist der Ort, an dem man sie finden muss. Welche Erwartungen wir bezüglich der Ergebnisse während der Übungen haben, hat wenig mit irgendetwas zu tun, außer mit unserer Motivation zu üben. Deshalb ist es gut, eine Haltung des „einfach immer Weitermachens, was immer kommen mag“, zu kultivieren.

Natürlich ist die Selbstabstimmung ein Feintuning davon. Wir reduzieren dabei die Übungen so, wie es notwendig ist, wenn die Geschwindigkeit der Reinigung und Öffnung zu groß wird. Du hast das im letzten Jahr sehr gut gemacht und ausgezeichnete Ergebnisse erzielt. So solltest du weitermachen.

Wir praktizieren nicht, um zeitweilig das dritte Auge zu öffnen, Lichter, Regenbogentunnel, Sterne zu sehen oder irgendeine schillernde Erfahrung zu machen. Wir praktizieren, um andauernden inneren Frieden, Kreativität und Glück überall zu kultivieren. Es klingt, als würdest du das alles sehr gut machen.

Ja, die wichtigsten Ergebnisse findet man im gewöhnlichen täglichen Leben. Es ist wunderschön, dass du beobachtest, wie sich das in deinem Leben breitmacht. Das ist die Öffnung deines dritten Auges. Mach also weiter.

Der Guru ist in dir.