Lektion 392 – Das Alleinsein der Erleuchtung
Frage 1: Nachdem ich nun ungefähr 5 Jahre mit gutem Fortschritt praktiziere, empfinde ich in letzter Zeit ein tiefes Gefühl des Alleinseinseins. Nicht die ganze Zeit – es kommt und vergeht. Warum dieses Gefühl des Alleinseins? Das ist keine Einsamkeit. Ich befinde mich inmitten von Familie und Freunden und dann kann mich da ein plötzlicher Anfall von Alleinsein überkommen und das ist begleitet von einer Traurigkeit. Gut, das ist nicht wirklich Traurigkeit, wie das früher üblich war, doch wie an einem Ort, an dem ich ganz alleine bin und niemanden um mich habe, mich mitzuteilen. Es ist schwer, das in Worte zu fassen.
Ich hatte immer eine starke Verbindung zu bestimmten traditionellen spirituellen Kultobjekten in meinem Leben gefühlt. Doch diese Verbindungen fühle ich nicht mehr. Die Übungen gehen wie gewöhnlich weiter. Doch Bhakti scheint weniger geworden zu sein. Könnte es sein, dass das deswegen ist, weil ich empfinde, dass ich nichts mehr erreichen muss, oder dass es nicht mehr notwendig ist, etwas anderes zu sein oder irgendwo anders zu sein? Da ist nur noch das Leben dessen, was in diesem Augenblick geschieht. Ich bin freudig und unterstütze jeden um mich herum, doch da ist kein Gefühl des Vergnügens dabei.
Sollte das so sein?
Antwort 1: Das ist das Alleinsein des Erwachens, eine Mischung von persönlichen und unpersönlichen Ausdrucksformen des Bewusstseins. Es gibt nichts, was mehr allein ist, als das SELBST. Denn da wird alles als DAS erkannt, in sich geschlossen und von der unpersönlichen ewigen Ausstrahlung der inneren Stille erleuchtet. Andererseits sehnt sich der persönliche Aspekt nach Gesellschaft – Beziehung.
Vielleicht hat sich das Ewige als Universum manifestiert, um Gesellschaft möglich zu machen. So wurde die Illusion (Maya) geschaffen, damit das Spiel der Dualität (Lila) stattfinden kann. Beide Seiten gleichzeitig zu sehen, ist befremdlich, nicht wahr? Du bist dies und du bist das. Das ist eine Übergangserfahrung – ein Wechsel der Perspektive vom dualen zum nicht-dualen Standpunkt. Welche Erfahrung auf dem Pfad ist kein Wechsel der Perspektive? Dieses Zwischenstadium wird wie alle anderen vorübergehen.
Manchmal höre ich von Menschen sagen, sie fühlten sich alleine bei ihrer spirituellen Suche, dass wenige um sie herum etwas mit den sich ereignenden Öffnungen anfangen können, obwohl die Stetigkeit und die Stärke, die damit zum Vorschein kommen, von Freunden und der Familie gutgeheißen werden. Oft kommt ein Wunsch zum Ausdruck, dass man gerne mit Gleichgesinnten in Kontakt sein möchte. Doch wer ist da für die Kameradschaft? Niemand und jeder. Ekstatische Ausstrahlung ist für sich schon eine Beziehung und es ist gleichzeitig eine Entfaltung von göttlicher Beziehung mit jedem. Darin liegt ein Paradox.
Aus diesem Grund dienen die Erleuchteten: um der Beziehung willen, um göttliche Liebe auszudrücken. Es ist wie eine Schöpfung, die sich in einer anderen Dimension bewegt, in der es nicht vornehmlich um das Physische geht, nicht vornehmlich um Zeit und Raum. Es geht um den zeitlosen Fluss von Liebe. Jeder will dies. Für jene, die dies als ihren natürlichen Zustand zum Ausdruck bringen, geht es darum, das EINE zu sein – unendlich vollständig, doch allein.
Vielleicht ist das keine richtige Antwort. Damit wird nur gesagt, dass du mit deinem Alleinsein nicht allein bist. Das Verstandszeug und unsere schwelende Neigung, uns damit zu identifizieren, ist das, was diese Art von Fragen aufwirft. Wie bei allem anderen, was sich auf dem Pfad ereignet, gewöhnen wir uns an das, „was ist“, und gehen weiter. Es ist normal, dass wir auf unserem Pfad einige Verlagerungen und Seltsamkeiten erleben, wenn unser Pfad weiter vordringt. Das werden aber nicht zu viele Verlagerungen sein, weil wir zuvor fast alle Grundlagen auf eine logische Weise abgedeckt haben. Deshalb werden wir im Endspiel auf weniger Überraschungen treffen. Und dies ist das Endspiel – der Wechsel von der Dualität hin zu einem göttlichen Ausfließen in der Einheit der Nicht-Dualität. Das ist die unendliche Freude der Einheit, ohne die Kreisläufe von Vergnügen, die zu Trauer führen, dann wieder nach oben zum Vergnügen und wieder zurück nach unten wie beim Yo-Yo. Das ist das Ende des Leidens.
Frage 2: Ja, Freude ohne Vergnügen. Damit da Vergnügen herauskommt, braucht es die Gegenstücke von Langeweile und Traurigkeit. Das macht Sinn. Ohne das eine kann es das andere nicht geben. Trotzdem kann es Freude ohne Vergnügen geben und Trauer ohne Traurigkeit, und Liebe ohne Anhaftung. Tatsächlich habe ich mich deshalb kürzlich schlecht gefühlt, weil die Liebe, die ich für meine Kinder empfinde, genau die gleiche ist, wie ich sie für meinen Nachbarn verspüre und auch genau die gleiche ist, die ich zu einer Blume empfinde. Da gibt es keine Erregung. Das hat mich veranlasst, mir zu überlegen, ob ich mein Herz verloren habe. Doch was du sagst, macht Sinn.
Ich fühle mich, als hätte ich alles vergessen. Das Leben lehrt mich alles neu. Die meisten Konditionierungen sind abgefallen. Deshalb ist alles, was ich jetzt tue, so, als würde ich es zum ersten Mal tun. Das flößt mir ein bisschen Furcht ein, nicht zu wissen und zu spüren, dass man keine Kontrolle hat und trotzdem fließt alles. Ich lerne ganz neu, die Dinge ohne Anspannung zu tun. Ich habe Spaß, doch da ist kein Vergnügen. Das ist das, was ich nicht verstand. Noch nie habe ich so viel Freude dafür empfunden, nur am Leben zu sein. Das Schaufeln von tiefem Schnee hat mir so viel Spaß gemacht. Ich habe nie gedacht, dass ich mit dieser Art von Arbeit so glücklich sein könnte. Trotzdem empfinde ich bei nichts Vergnügen. Es fühlt sich an, als wäre da kein Herz, wie wenn das Herz abgeriegelt sei.
Dieser Frieden und die Stabilität sind sehr mechanisch. Es scheint, als fehlte da das Herz. Ich fühle mich mit allem verbunden, als würde ich allen dienen, doch spielt da kein Herz mit hinein. Muss sich mein Herz von neuem öffnen oder ist es der Verstand, der versucht, eine Verbindung so herzustellen, wie er definiert hat, dass eine Verbindung sein muss?
Antwort 2: In der Nicht-Dualität geschieht alles im Herzen. Deshalb gibt es da aus unserer Sicht einen geringeren (oder keinen) Gegensatz zwischen dem Herzen und anderen Dingen. Die Dualität von „Ich“ und „Herz“ verschwindet. Das eine wird in der Stille dasselbe wie das andere. Deshalb ist der Kontrast viel geringer. Trotzdem existiert der Fluss im dualen Sinne (das Ausströmen), ob wir uns damit identifizieren oder nicht. Deshalb tun wir weiter etwas für andere. Wir haben die Option, uns in dieses Spiel einzumischen. Deshalb sind Heilige so verspielt. Sie lachen und kaspern die ganze Zeit herum. Es ist alles eine große Lachnummer.
Wir sollten unseren „erleuchteten“ Zustand also nicht zu ernst nehmen. Das Spiel dreht sich darum, wie sich die Nicht-Dualität ausdrückt. Wenn sich das wie ein Widerspruch anhört, dann ist es auch einer. Bei der „Stille im Handeln“ ist es genauso, doch es geschieht alles um uns herum und das ist es, was wir sind. Die ganze Schöpfung ist dieses Spiel und ein großes Drama. Wir können in unseren Leben dasselbe tun, wenn wir uns in der bleibenden inneren Stille eingerichtet haben und niemals vergessen, wer wir sind. Deshalb geh hinaus und amüsiere dich ein wenig! Jeder wird von deinem göttlichen Fluss profitieren.
Gleichzeitig spielt für jemanden, der die Wahrheit kennt, einzig das EINE und diese Gefühle des Alleinseins können sich nur einstellen, wenn es da eine nachklingende Identifizierung des Verstands gibt, während dieser rätselt, was wahrgenommen wird. Das Herz (wie alles andere) kann man nur in der Dualität kennen. Werden wir zum universellen Herzen, wird der Gegensatz zu einem Schatten, genauso wie unsere Beziehung zu unseren innersten Gedanken und Gefühlen zum Schatten wird. Das ist der Wesenskern der Nicht-Dualität. Das heißt nicht, dass es da kein Herz mehr gibt, oder dass das Herz nicht funktioniert. In Wirklichkeit arbeitet das Herz in der Einheit in einem gewaltigen Umfang. Das bedeutet also nur, dass sich unsere Beziehung zu ihm verändert hat. Wir befinden uns jenseits der Dualität von Herz und Verstand. Die beiden haben sich zur sich bewegenden Stille vereinigt. Diese ist jenseits der Gefühle, jenseits des Vergnügens, jenseits von Schmerz und jenseits der Verantwortung angesiedelt. Dennoch wird alles leidenschaftlich getan. Es ist genauso wie die heiligen Schriften sagen. Kann das SELBST (die Leere) jemals an etwas „Vergnügen“ haben, während es alles macht?
Manchmal können diese Gefühle des Zweifelns mit dem Auflösen tief sitzender Blockierungen im Nervensystem in Verbindung stehen. Dort sind aufgrund vergangener Traumata potentiell immer noch einige Blockaden vorhanden. Fühlst du, dass das Herz verschlossen ist, kann das bis zu einem gewissen Grad tatsächlich der Fall sein. Gibt es da eine Erwartung oder eine Blockade, dann wird das mit fortgesetzter täglicher Praxis überwunden. Plagt dich das und ruft das beständig Emotionen hervor, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass da eine Blockierung aufgelöst wird.
Zum Thema Vergessen: Es ist lustig, wie das abläuft. An einem bestimmten Punkt sind wir vielleicht immer mit einem Stift herumgelaufen, um die vielen Inspirationen aufzuschreiben, die aus der aufsteigenden inneren Stille hervorgehen, oder vielleicht gingen wir im täglichen Leben eifrig mentale Checklisten durch. Mit der Zeit merken wir, dass wir einen Stift oder mentale Checklisten nicht mehr so sehr brauchen, wenn wir nur erkennen, dass der durch uns fließende endlose göttliche Strom sich um alles kümmert. Schreiten Reinigung und Öffnung voran, so ist der natürlich Fluss entsprechend der Notwendigkeit des Augenblicks verfügbar. Es gibt keinen Weg, all diese ausfließende Intelligenz mit einem Stift oder einer Checkliste einzufangen. Deshalb können wir das Meiste davon loslassen. Brauchen wir etwas, wird es da sein.
Das Vergessen ist ein Loslassen der Vergangenheit und der Zukunft. Was immer wir aus dem Gedächtnis der Vergangenheit brauchen, wird da sein, wann immer wir es vom Fluss der Liebe, der durch unser sich reinigendes Nervensystem nach außen strömt, brauchen. Und die Zukunft sorgt für sich selbst. Wir brauchen uns nur um den Augenblick zu kümmern.
Wir können uns an alles gewöhnen. Die Entwicklung von Vertrauen in das, was ist, braucht Zeit. Auf dem Weg nach Hause zu unserem natürlichen nicht-dualen Zustand kann es ein bisschen einsam werden und man kann da ein wenig die Orientierung verlieren.
Doch der Tanz geht weiter …
Das SELBST (Leere) ist ausstrahlend, es ist seine eigene Quelle der Freude, genauso wie es die Quelle von allem ist. Auch wenn wir also als der Zeuge leben, brodelt diese Ausstrahlung aus dem Inneren unserer Essenz. Das meinen wir mit ekstatischer Leitfähigkeit, die zur ekstatischen Ausstrahlung wird. Erfährst du dies als etwas flach, abgeschlossen und alleine, dann gibt es da noch mehr. Das SELBST ist das Herz. Wenn damit ein Paradox verbunden zu sein scheint (Freude ohne Vergnügen), dann gehört dies zur Natur der Erleuchtung.
Das, was universell ist, kennt keine Gegensätze und deshalb auch keine kontrastierende Dualität. Das bedeutet nicht, dass nichts geschieht. Alles geschieht. Das ist das göttliche Paradox!
Universelle Liebe hat kein Objekt. Ausfließende göttliche Liebe und Dienst, erfahren als Stille im Handeln, haben kein Objekt.
Die Schönheit daran ist, dass es nicht philosophisch ist. Es ist erfahrungsgemäß. Wir könnten das keinesfalls im Verstand oder Verhalten aushecken. Es gibt keine Verhaltensregeln, die diesen Zustand hervorbringen können. Er erwächst einfach aus den Übungen und aus dem Engagement im Leben. Liebe besitzt ihre eigene Agenda und es steht in unserer Verantwortung, in den göttlichen Fluss loszulassen. Dadurch wird die Welt verändert. Deshalb haben viele versucht, das in einer „Flasche des Verstandes“ einzufangen. Das ist es nicht. Meditation ist es. Bleibende innere Stille ist es.
Der Guru ist in dir.
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