Lektion 231 – F&A – Staubige Räume

Frage: Ich meditiere nunmehr seit fünf Monaten. Zurzeit ereignet sich in meinem Leben etwas Sonderbares. Früher war ich immer eine superbrave Person, die sich mit Menschen traf, die ihnen half und froh war, in Gesellschaft zu sein usw. Ich hatte scheinbar ein gutes Verhältnis zu allen und war als eine nette Gefährtin bekannt. Seit kurzem bin ich etwas zu introvertiert geworden. Ich habe kaum noch Interesse an anderen Menschen, bin mit mir zufrieden und meide andere Menschen. Dazu kommt noch, dass auch die Beziehung zu meiner Familie nicht sehr gut ist. Die Atmosphäre scheint wie mit einer latenten Traurigkeit geschwängert. Ich bin glücklich, wenn ich alleine bin, doch unter Menschen zu sein, empfinde ich nicht als besonders angenehm. Die Leute verstehen mich nicht mehr. Das klingt eigenartig, doch seltsamerweise ist das genau das, was sich abspielt. Da sitze ich irgendwie in der Klemme. Kommt das von der Meditation? Oder ist das eine Art tiefes Gefühl? Sei bitte so gut und hilf mir. Ich möchte gern dieselbe liebevolle, nette Person sein, die ich immer war.

Zur technischen Seite der Meditation möchte ich noch sagen, dass sich da eine Art salziger Geschmack einstellt, sobald ich die Spitze meiner Zunge an den Gaumen lege und bald beginnt sich in mir sehr stark das Gefühl zu regen, dass ich etwas erbrechen muss und das geht so weiter, bis ich die Zunge vom Gaumen löse. Sag mir bitte, was ich da tun soll. Möge Gott dich segnen.

Antwort: Dank dir fürs Schreiben und Teilen.

Du bist immer noch dieselbe nette, liebevolle Person, und die bist du sogar noch mehr. Was sich da abspielt, ist die Reinigung deines Nervensystems aufgrund der Übungen – nur ein bisschen mehr als angenehm ist. Das ist eine vorübergehende Störung, die sich korrigieren lässt. Es weist lediglich auf eine größere Sensibilität hinsichtlich der Meditation und anderer Übungen, die du machst, hin. Die Sensibilität selbst ist etwas Gutes. Sie zeigt, dass sich dein Nervensystem wirklich öffnen will. Andererseits bedeutet es auch, dass du auf deine Übungen ausreichende Selbstabstimmung anwenden solltest, um sicherzustellen, dass bei dir nicht jeden Tag so viel hochkommt. Das kann die Art von Symptomen hervorrufen, die du beschreibst – sich zurückziehen, Anfälligkeit für Irritationen, schlechte Stimmung usw. Es kann auch zu körperlichen Symptomen wie bei deinem Kechari führen.

Stell dir vor, du lebst in einem großen Haus und hast erst vor kurzem einige neue Räume entdeckt. Diese sind sehr staubig und du willst sie reinigen. Wenn du da nur kurz mal hineinstürmst und einen Besen in alle Richtungen schwingst, wirbelst du viel Staub auf und rennst bald hustend wieder hinaus. Es ist besser, auf einmal immer nur wenig zu kehren, den wenigen Staub dann aufzunehmen und jedes Mal zu entsorgen. Auf diesem Weg kann man die Räume reinigen, ohne dadurch die Funktionalität des ganzen Haus besonders zu beeinträchtigen. Beim Nervensystem ist es dasselbe. Beginnen wir mit der Meditation, betreten wir neue Bereiche in uns, die zuvor nicht besonders aktiv waren. Machen wir zu viele Übungen, kann sehr viel Staub aufgewirbelt werden. Und dies kann die unangenehmen Symptome wie Launenhaftigkeit usw. hervorrufen. Das ist seltsam, denn dieselben Meditations- und Pranayama-Übungen machen uns freudiger als zuvor, wenn wir mit sinnvollen Aktivitäten einen Ausgleich schafften.

Die Lösung in deinem Fall besteht darin, die Übungen soweit herunterzufahren, bis du eine gute Reinigung ohne unangemessene Störungen in deinem Leben eingeregelt hast.

Vergewissere dich aber zunächst, ob du dir für das Herauskommen aus jeder Meditation genügend Zeit nimmst – mindestens 5 bis 10 Minuten. Es ist auch gut, sich während dieser Zeit hinzulegen. Dies erlaubt es dem „Staub“ der während der Übungen gelösten Unreinheiten zu verfliegen, bevor wir aktiv werden. Stehen wir zu früh auf, kann es bei unseren Aktivitäten zu Gereiztheit oder Launenhaftigkeit kommen.

Falls das Langsamer-Herauskommen nicht hilft, ziehe in Betracht, deine Meditationszeit um fünf Minuten zu reduzieren. Führt dies nach einigen Tagen nicht zu befriedigenden Ergebnissen, versuche noch einmal um 5 Minuten zu kürzen und so weiter. Zu diesem Prozess gibt es in den Lektionen 160 und 200 eine Erörterung und im Thematischen Verzeichnis der alten Web-Site findest du unter „Selbstabstimmung“ noch mehr Lektionen zu diesem Thema. Die Entwicklung dieser Fertigkeit ist sehr wichtig, besonders, wenn man auf die Übungen sehr sensibel reagiert. Damit sind wir jedoch alle früher oder später auf unserem Weg zur Erleuchtung konfrontiert. Niemand kann die Reise bestreiten, ohne von Zeit zu Zeit in seinen Übungen Anpassungen vorzunehmen. Die Reise der Reinigung des Nervensystems mit Hilfe der Übungen ist wie eine Autofahrt durch eine abwechslungsreiche Landschaft. Wir müssen auf die sich verändernden Erfahrungen Acht geben und unsere Fahrweise dementsprechend anpassen. Der wichtigste Gradmesser dabei ist, wie angenehm wir uns fühlen. Wenn es irgendwo unangenehm wird, ist dies ein Signal dafür, dass wir unsere Übungen anpassen müssen.

Auch die Wirbelsäulenatmung sollten wir stets im Auge behalten. Diese hast du nicht erwähnt. Solltest du sie noch nicht praktizieren, wäre es vielleicht gut, in jeder Sitzung fünf Minuten vor der Meditation einzubauen und zu prüfen, ob das deine Gefühlslage während des Tages verbessert. Bei Energieungleichgewichten im Nervensystem ist dies oft sehr hilfreich. In unserer Yoga-Werkzeugtasche ist die Wirbelsäulenatmung in der Tat eines der besten Heilmittel bei Energieungleichgewichten. Ziehe dies also bitte auch in Betracht.

Zu den Unannehmlichkeiten bei Kechari (das Zurückgehen der Zunge) kann ich nur sagen, dass dies ebenfalls auf die Feinfühligkeit bezüglich der Übungen zurückzuführen ist, weil beim Praktizieren sehr viele Unreinheiten herauskommen. Das ist natürlich gut. Doch noch einmal: Wir wollen das alles maßvoll einsetzen, so dass es unser Leben nicht negativ beeinträchtigt. Mit der Zeit verschwindet das alles, und was dann noch übrig bleibt, ist reines Glückseligkeitsbewusstsein und göttliche Ekstase, die in großen Mengen durch uns scheinen. Auf dem Weg erhaschen wir viele kurze Blicke darauf und allmählich wird es immer mehr, bis es uns schließlich ein ständiger Begleiter in unserem Leben ist.

Du bist diese wundervolle liebevolle Person, die du immer gewesen bist. Du bist sogar dabei, diese Eigenschaften noch zu verstärken, weil das deine wahre Natur ist. Wende nur etwas gute Selbstabstimmung in deinen Übungen an und ich bin überzeugt, dass du bald zu einer viel sanfteren Fahrt findest. Habe keine Angst, mit deiner Routine so lange zu experimentieren, bis du den richtigen Ausgleich zwischen Übungen und deinem täglichem Leben gefunden hast. Die Reise sollte sowohl progressiv als auch vergnüglich sein. Einregeln musst du das jedoch selbst …

Ich wünsche dir allen Erfolg auf dem von dir gewählten Pfad.

Der Guru ist in dir.

Über den Autor

Yogani

Yogani ist ein anonymer US Amerikaner, der 2003 begann, im Internet sein spirituelles Wissen in Form von Lektionen zu veröffentlichen und damit auf einen großen Kreis Interessierter weltweit traf. Im Laufe der Jahre entstand Daraus eine umfassende Bibliothek zu allen Aspekten des Yoga. Inzwischen gibt es viele Übersetzungen in andere Sprachen. Die Lektionen sind immer noch kostenlos abrufbar. Heute gibt es auch Bücher, Hörbücher, Ebooks und im Englischen eine PLus-Mitgliedschaft sowie ein gut besuchtes Forum.

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