Lektion 250 – Das Abstimmen der Übungen bei fortschreitenden Erfahrungen

Frage: Ich habe seit 35 Jahren immer wieder mal den Integralen Yoga praktiziert und was du lehrst, hat mir geholfen, zwischen all diesen losen Enden eine Verbindung herzustellen und zu sehen, wie sie zusammenpassen, wie mir all diese verschiedenen Übungen beim Heben des Glückseligkeitsbewusstseins helfen und besonders, wie man das Pranayama und die Kundalini an die tiefe Meditation anbindet. Die Wirbelsäulenatmung ist eine kraftvolle Übung. Ich bin 51 und lebe mit einer neurologischen Behinderung. Was die Therapie betrifft, bin ich auf mich selbst gestellt. Das ist einer der Gründe, warum ich wieder begonnen habe, Yoga zu praktizieren. Ich habe den westlichen Ärzten eine Chance gegeben, doch sie haben versagt. Auf der physischen Ebene komme ich ganz gut zurecht. Ich habe nur nicht die Ausdauer und das Gedächtnis, das ich immer hatte. Das heißt aber auch, dass ich mich mit meiner ganzen Zeit den Übungen widmen kann, soviel ich eben verkraften kann.

Ich habe immer 90 Minuten Hatha-Yoga gefolgt von ungefähr einer halben Stunde Kundalini/Pranayama-Übungen und dann 30 Minuten Meditation über Samadhi gemacht. Am Abend mache ich nur eine Kundalini-Aufwärmübung und setzte mich dann gleich hin. Ich arbeite meine Philosophie auch in mein Leben ein (Karma Yoga) und mache Geh-Meditationen, predige anderen das Evangelium und lese erbauliche Schriften.

Vor ungefähr zwei Wochen beschloss ich, länger als die halbe Stunde im Sitzen zu meditieren, weil mein Körper immer nach ungefähr 20 Minuten spontan aus der Trance herauskam und ich diesen Zwang brechen wollte. Das hat mir sehr gut gefallen und ich begann eine Stunde oder mehr auf einmal zu meditieren. Die Stille wurde äußerst tief und mein Gehirn begann endlich aufzuhören, mich zu versuchen zu unterbrechen. Ich kam so in das Jetzt, dass ich nicht sagen konnte, wie lange ich saß, wenn ich erst einmal die Marke von 30 Minuten überschritten hatte. Dann hatte ich dieses Erlebnis: Mein gesamtes Bewusstsein, nicht nur meine Konzentration, wanderte meine Wirbelsäule hinunter und kam ganz unten bei meinem Wurzel-Chakra heraus. Ich habe versucht, dieses Erlebnis mit keinerlei Worten zu belegen, doch hatte ich eine Vision dieser ineinander verschlungenen Figuren, die sich kaleidoskopartig in meine Richtung entfalteten. Dann war ich in diesem Feld wild tanzender Shivas. Danach gewann ich etwas Abstand und sah mein gesamtes Wurzel-Chakra erleuchtet und mit diesen wehenden Wimpern artigen Dingen bedeckt. (Ich denke, es waren Nerven, die vom Wurzel-Chakra ausstrahlten.) Ich bewegte mich das sympatische System entlang zurück nach oben und die ganze Wurzel war mit einem gelben Licht beleuchtet und hatte eine blaue Aura um sich herum. Ich schwebte langsam entlang meiner Wirbelsäule zurück nach oben und als ich in das Gehirn eintrat, konnte ich meine gesamte cerebrale Kortex von demselben Licht erleuchtet sehen. Das war ziemlich beeindruckend. Diese Nacht war ich überhaupt nicht in der Lage zu schlafen, habe aber auch überhaupt keine Müdigkeit verspürt.

Ich glaube, dass ich sehr gute Fortschritte mache, habe wegen verschiedener Probleme aber wieder ein wenig zurückgesteckt. Mein Schlafmuster ist nun völlig unregelmäßig geworden und mein Geist ist so angeregt, dass ich nie für mehr als eine Stunde auf einmal schlafe. Ich gehe in den traumlosen Schlaf und es ist, als würde ich aufwachen, sobald ich zu träumen beginne. Doch wenn ich aufstehe und beginne mich herumzubewegen, fühle ich mich trotzdem noch müde. Es ist, als ob ein Teil meines Geistes aktiv ist und ein Teil schlafen wolle. Das brechen eingewurzelter Gewohnheiten versetzt das Fleisch in Aufruhr. Ich stehe für eine Stunde auf und gehe dann wieder für eine Stunde zurück zum Schlafen.

Ich hatte gerade begonnen, mich mit dem veränderten Schlafmuster abzufinden, doch dann begann sich mein Kronen-Chakra zu öffnen. Es hat sich bei mir schon mal geöffnet, deshalb erkannte ich es gleich, als ich begann, mich den ganzen Tag benommen zu fühlen und wieder das prickeln fühlte, das kommt, wenn ich mich zu sehr auflade. Ich habe deine Erörterung zur Kronenöffnung gelesen und hatte auch schon vorher diese ankündigenden Explosionen. Ich habe mich früher mal mit so was, das man schamanistisch ekstatische Praktiken nennen könnte, abgegeben und mein Nervensystem zeigt sich diesem Vorgang gegenüber sehr empfindlich.

Meine Frage bezieht sich jedoch vor allem auf die Selbstabstimmung und auf die Auswirkungen von Meditation auf das Schlafmuster. Ich habe Freunde, die luzid schlafen, sich also ihrer selbst bewusst sind, wenn sie schlafen und träumen. Ihre Bewusstheit erlaubt es ihnen, sich beim Schlafen selbst zu beobachten. Wie und wann sollte jemand die Zeitspanne, die er in Samadhi verbringt, ausdehnen? Ist das zu aufwühlend für dieses System, wenn man eine ganze Stunde auf einmal meditiert und eine halbe Stunde das nächste Mal? Ich fühle, dass Beständigkeit vorzuziehen ist, und bin zurückgekehrt zu halbstündigen Sitzungen. Kann man erwarten, dass man diese Fähigkeit des Klarträumens entwickelt?

Ich weiß, dass ich mich auf dem rechten Pfad befinde, ich habe immer gefühlt, dass ein Ausgleich zwischen dem Ekstatischen und Asketischen der beste Weg ist. Dieses System funktioniert bei mir sehr gut und ich kann den Anstieg der Ekstase in mir fühlen. Ein Teil von mir fühlt, dass ich einfach nur sitzen sollte, bis ich Nirvana erreicht habe, doch die anderen 95% sagen: „Du setzt dich wieder zu sehr unter Druck.“

Danke für deine Lehren und deine Hinweise. Du bist für uns alle wirklich ein Segen.

Ahimsa OM.

Antwort: Danke für deine freundlichen Anmerkungen und dass du deine wundervollen Erlebnisse zunehmender Erleuchtung mitteilst. Ich bin sehr glücklich, dass du die Lektionen als hilfreich empfindest.

Unabhängig davon, wie weit wir im Yoga gekommen sind, müssen wir die Prinzipien der Selbstabstimmung immer beachten. Ich wusste immer, dass dies für mich der Wahrheit entsprach. Seit die FYÜ-Lektionen und der dazugehörige Schriftverkehr begannen, wurde es immer klarer, dass Selbstabstimmung für jeden wichtig ist. Yoga-Übungen sind eine Ausgleichshandlung zwischen dem Verlangen/Bhakti, das uns antreibt, mehr zu üben und der Fähigkeit des Nervensystems, sich zu reinigen und sich auf ständig steigende Energieniveaus einzustellen. Seitdem diese Lektionen veröffentlicht wurden, haben Übende auf allen Ebenen von Erfahrungen dies vielmals bestätigt. Vorsichtige Selbstabstimmung ist eine Notwendigkeit für jeden.

Ich tadle dich gewiss nicht dafür, dass du vorwärts kommen willst. Geraten wir in Situationen, die uns herausfordern, treibt uns das auch immer an, neue Höhen zu erklimmen. Wenn wir die Zeit dazu haben, würden wir unsere Übungen gern den ganzen Tag machen. Doch im Widerspruch zu dem Klischee des Yogis, der in seiner Höhle Monate und Jahre lang ohne Unterlass meditiert, funktioniert das so nicht ganz. Um die effizienteste Transformation zu einem höheren Funktionieren zu erreichen, braucht das Nervensystem diesen Zyklus bestehend aus: Übungen, sinnvoller Betätigung und Schlaf. Das ist vergleichbar mit dem Training eines Athleten. Ein Läufer z.B. kann nicht erwarten, seine läuferischen Fähigkeiten zu verbessern, wenn er 24 Stunden am Tag ohne Ruhezeiten und Erholung – in der sich die Integration der Wirkungen unserer Anstrengungen in die normalen Abläufe unseres Körpers auf stabile Weise abspielt – läuft. Beim Yoga ist es ebenso: Üben wir die ganze Zeit oder auch nur ein wenig zu viel, kann das Nervensystem aus dem Gleichgewicht geraten. Das Ergebnis ist dann zu viel Energiefluss im Inneren, was später seinen Tribut beim Schlaf oder in anderen Bereichen unseres Lebens fordern kann. Dadurch kann unsere ekstatische Glückseligkeit ein wenig „ausfransen“. Da ist es dann Zeit, einen niedrigeren Gang einzulegen, wie du das gemacht hast.

Trotzdem können und sollten wir natürlich unsere Übungen ausweiten, wenn wir aus dem Inneren dazu aufgerufen werden und wir in unserem Leben die Zeit zur Verfügung haben, ohne dass unsere Verantwortlichkeiten darunter leiden.

Am Besten weiten wir jedoch unsere Übungszeiten nur in kleinen, d.h. Baby-Schritten aus. Bei jedem neuen Schritt bemühen wir uns darum, eine stabile Plattform von Übungen zu finden, die wir langfristig beibehalten können. Das vor- und zurückspringen zwischen langen und kurzen Praxisroutinen ist gewöhnlicherweise nicht förderlich für den langfristigen Fortschritt. Wird das Nervensystem mit irgendwelchen Übungen gefüttert, bevorzugt es immer eine gleich bleibende Diät. Man kann es allerdings an einen sehr langen Speiseplan von Übungen gewöhnen, wenn wir es stufenweise dahin führen. Der Vergleich mit dem Athleten ist auch auf diesen Fall anwendbar.

Wenn du also deine Meditationszeit ausdehnen willst, versuche, nur jeweils 5 Minuten auf einmal hinzuzufügen und warte eine Woche oder länger, bevor du erneut aufstockst. Dasselbe gilt für andere Übungen. Bei jedem Schritt ist der beste Maßstab das Gefühl, das uns bei unseren täglichen Aktivitäten begleitet. Gehen die Aktivitäten geschmeidig und freudig von der Hand, gut, dann ist das genau richtig. Warte eine oder zwei Wochen ab, um sicherzugehen, dass du Stabilität erreicht hast, und denke dann daran, für deine Übungen die Messlatte noch einmal ein wenig anzuheben. Gehst du einmal zu weit, ist das nicht das Ende der Welt. Du kannst die Messlatte für die Übungen wieder um ein oder zwei Stufen senken und darauf warten, dass sich die Dinge wieder setzen. Auf diese Weise ist es dir schrittweise möglich, das Maximalniveau herauszufinden, bei dem deine Routine noch angenehm ist.

Hinzufügen sollte ich noch, dass es im „Retreat-Modus“ möglich ist, über Tage, Wochen oder sogar Monate unsere Übungen über unser normales Maß hinaus zu erweitern und sie wieder zurück nach unten zu bringen, sobald wir den Retreat-Modus wieder verlassen. Im Retreat-Modus erhöhen wir unsere Übungszeit nicht in der einzelnen Sitzung. Vielmehr haben wir mehr Sitzungen während des Tages mit leichten Aktivitäten zwischendurch. In Lektion 193 erhältst du dazu noch mehr Informationen.

Samadhi ist etwas, das wir schrittweise so kultivieren, dass daraus eine Vollzeit-Erfahrung wird. Diese wird vor allem durch Meditation und Samyama vorangebracht und in zweiter Linie auch durch Pranayama und andere Methoden. Wenn innere Stille (Samadhi) aufkommt, werden wir immer mehr zu einem stillen Zeugen für unsere anderen drei Bewusstseinszustände – Wachzustand, Traumschlaf und Zustand des Tiefschlafs. Es kommt dazu, wenn unser Nervensystem so weit gereinigt ist, dass unser „Selbst“ zur immer gegenwärtigen inneren Stille wird. Dann werden die von dir erwähnten „luziden Träume“ zu einem normalen Teil unseres Lebens. Man nennt es „Yoga Nidra“. In den frühen Stadien kann sich die Zeugenschaft während des Schlafes wie Schlaflosigkeit anfühlen, weil wir immer wach (bewusst) im Innern sind. Zu viel im Kopf herumschwirrende Energie aufgrund von zu viel Übungspraxis oder wenn man sie nicht lange genug vor dem Zu-Bett-Gehen macht, kann es sich ebenfalls wie luzide Träume anfühlen. Den Unterschied zwischen der Zeugenschaft im Schlaf und zu viel Energie beim Schlaf wird man bei den täglichen Aktivitäten fühlen. Im Falle der Zeugenschaft fühlen wir uns während des Tages erfrischt. Bei zu viel herumschwirrender Energie, werden wir uns ein bisschen müde und erschöpft fühlen, auch wenn die Energie noch weiter vorhanden ist – das ist dann der Hinweis, in diesem Fall etwas vom Gaspedal herunterzugehen. Natürlich ist es auch möglich, eine Mischung aus innerer Stille und Energieexzessen während des Schlafess zu haben. Unabhängig von der Ursache sollten wir immer Selbstabstimmung anwenden, wenn wir aufgrund unseres Yogas ein Schlafdefizit verspüren.

Die Erfahrung der Zeugenschaft wird sich bei täglicher Übung mit der Zeit ganz natürlich einstellen und wir müssen uns darum beim FYÜ-Ansatz nicht besonders kümmern. Einige Traditionen beschäftigen sich intensiv mit der Entwicklung des luziden Schlafs. Bei FYÜ lassen wir dies ganz einfach im Laufe der Zeit als Teil des allgemeinen Anstiegs der inneren Stille natürlich aufkommen. Dann haben wir das andauernd und es ist keine große Angelegenheit. Das ist die erste Stufe der Erleuchtung. In den Lektionen 35 und 85 findest du einen Überblick zum Konzept der Meilensteine der Erleuchtung.

Dies sind einige der Feinheiten beim Umgang mit den fortgeschrittenen Erfahrungen der inneren Stille und ekstatischen Glückseligkeit. Wenn es darum geht, unsere Übungen zu optimieren, endet das immer bei guter Selbstabstimmung, ob es nun am „Tag 1“ unserer Übungspraxis ist oder am „Tag 10 001“. Auf diese Weise kommen wir auf unserer Straße zur Erleuchtung immer weiter voran. Unser Nervensystem ist das Fahrzeug, die Yoga-Methoden sind die einfachen Steuerelemente und wir sind die Fahrer.

Wenn wir von unseren Übungen aufstehen und völlig unsere leuchtenden inneren Erfahrungen vergessen, weil wir zu sehr damit beschäftigt sind, anderen zu helfen, ist das ein unmissverständliches Indiz für unsere wachsende Erleuchtung. Dazu kommt es, sobald die Energie in Form von reiner göttlicher Liebe von uns ausströmt. Dann ist für uns die gesamte Welt mit ekstatischer Glückseligkeit erleuchtet und wir wissen, dass wir und alle Das sind. Dann ist die Reise, auf der wir uns als Individuum befinden, identisch geworden, mit derjenigen auf der sich die Menschheit befindet und dabei geht es allein um Liebe, Liebe und nochmals Liebe! Das bedeutet in die Einheit, der dritten Stufe der Erleuchtung, zu kommen.

Es ist eine große Ehre, dich hier zu haben. Ich wünsche dir auf dem von dir gewählten spirituellen Pfad anhaltenden Erfolg. Viel Spaß!

Der Guru ist in dir.

Über den Autor

Yogani

Yogani ist ein anonymer US Amerikaner, der 2003 begann, im Internet sein spirituelles Wissen in Form von Lektionen zu veröffentlichen und damit auf einen großen Kreis Interessierter weltweit traf. Im Laufe der Jahre entstand Daraus eine umfassende Bibliothek zu allen Aspekten des Yoga. Inzwischen gibt es viele Übersetzungen in andere Sprachen. Die Lektionen sind immer noch kostenlos abrufbar. Heute gibt es auch Bücher, Hörbücher, Ebooks und im Englischen eine PLus-Mitgliedschaft sowie ein gut besuchtes Forum.

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