Lektion 266 – Von Indien das Beste ernten
Frage: Yoga stammt aus dem alten Indien. Es ist allgemein bekannt, dass im alten Indien die vorherrschende Religion der Hinduismus war (wie dies auch heute der Fall ist). Entsprechend der indischen Mythologie waren auch alle Weisen der fernen Vergangenheit Hindus. Obwohl Yoga auf einem breiten Denken und den goldenen Prinzipien des „was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu“ basiert, stellen wir fest, dass im Hinduismus eine ziemlich niedrige Denkungsart gepflegt wird – es werden z.B. das Kastensystem, die Unterdrückung der Frau und sogar Tieropfer unterstützt. Sogar in der indischen Mythologie haben sich viele Weise schon wegen kleinster Beleidigungen provozieren lassen und haben Menschen bis in den Tod verflucht.
Meine Frage ist nun: Wenn die Yoga-Übungen im alten Indien entstanden sind, warum finden wir dann keine guten Yogis als Beispiele? Und wenn es zu dieser Zeit eine große Zahl von Yogis gab, dann sollte doch für die abscheulichen Regeln des Hinduismus kein Platz sein, oder? Die größte Ironie ist, dass entsprechend den hinduistischen Schriften das goldne Zeitalter in den alten Zeiten gewesen sein soll und unsere gegenwärtige Gesellschaft sei die schlechteste. Doch genau in diesen alten Zeiten wurden all die hässlichen Dinge wie z.B. das Kastensystem geschaffen.
Historisch gedacht ist es sehr schwer anzunehmen, dass dieselben Menschen aus dem alten Indien dem Yoga und dem rohen Hinduismus folgten. Ich hege keinen übertriebenen Rachegedanken gegen Indien oder den Hinduismus. Ich selbst bin Inder und in eine Hindu-Familie hineingeboren. Persönlich bin ich jedoch Atheist. Du bist zwar kein Historiker. Doch was ist deiner Meinung nach die Erklärung für das alles?
Antwort: Natürlich ist Religion zu allen Zeiten eine Mischung aus Kultur, Politik und Spiritualität und zu allen Zeiten gab es viele erleuchtete Wesen – vom Großteil dieser bekommen wir nie etwas zu hören. Wir alle kennen einige wenige heilige Menschen, nicht wahr? Es ist keine Frage von Ansehen. Es sind nur die einfachen Handlungen des Gebens, die auf dieser Erde das Göttliche im Handeln ausmachen. Yoga verhält sich in dieser Beziehung sehr still, genauso wie sich auch das menschliche Innere im Stillen zur Unendlichkeit öffnet!
Zu so genannten „erleuchteten“ Zeiten (die ohne Zweifel idealisiert worden sind), ging der Überlebenskampf genauso weiter, wie auch zu allen Zeiten im Untergrund blinde Vorurteile schlummerten. Das inhärente Potenzial für eine zunehmende menschliche Spiritualität bleibt davon unberührt. Diese im Nervensystem wohnenden Blockierungen, die uns geneigt machen, der Unwissenheit Raum zu geben, stellen in jedem Individuum immer nur Hindernisse dar, die aufgelöst und zu höheren Ausdrücken umgeformt werden müssen. Nichts hat sich verändert. Nur verfügen wir heutzutage über ein viel besseres Kommunikationssystem. Das verschafft uns einen Vorteil.
Religiöse Organisationen haben schon immer die Hingabe ihrer Mitglieder für unvernünftige Vorhaben missbraucht. Aufgrund dessen kommt die moralische Erfolgsgeschichte der Religionen insgesamt sehr ärmlich daher. Trotzdem mindert dies nicht das Potenzial für die spirituelle Transformation des Menschen und diese Erfahrung kann jeder machen, der die Anstrengung auf sich nimmt, die praktischen Methoden für die Transformation, die in den alten Zeiten erstmals entdeckt wurden und seither oftmals neu entdeckt wurden, in Gebrauch zu nehmen. Daran ist nicht zu rütteln, dass die Methoden durch die Religionen oder zumindest von deren Gründern und deren herausragendsten Praktizierenden auf uns gekommen sind. Durch sie ist also etwas da, was wir heute ernten können. Doch wir müssen lernen, das Getreide vernünftigen Praktizierens von der Spreu blinder Rituale und fehlgeleiteter Dogmen zu trennen.
Obwohl die Reiche der menschlichen spirituellen Transformation hinsichtlich der Möglichkeiten, die in jedem von uns stecken, und auch bei Praxismethoden mit den organisierten Religionen eine wichtige gemeinsame Schnittmenge besitzen, haben sie aufgrund politischer und kultureller Elemente nicht viel mehr anderes gemein. Das ist wichtig, dass man das versteht.
Ein Heiliger sagte einmal, dass es gut sei, in eine Religion hineingeboren zu werden, dass es aber nicht gut sei, in einer zu sterben. Das macht doch Sinn. Wir brauchen irgendwo einen Startblock – d.h., wir müssen irgendwo etwas über unsere Möglichkeiten und die Mittel für die Entwicklung unseres vollen spirituellen Potenzials erfahren. Wir erfahren etwas aus den heiligen Schriften und von einigen wenigen wissenden Seelen. Interessanterweise müssen wir uns aber jenseits der Verballhornungen organisierter Religion begeben (und möglicherweise sogar jenseits der wissenden Seelen), damit wir das selber erreichen können. Das ist eine Grundtatsache, die zu allen Zeiten, sowohl in der Vergangenheit wie auch heute, gegolten hat.
Es gibt ein altes Sprichwort: „Schütte das Kind nicht mit dem Badewasser aus.“ Schütten wir das Badewasser der organisierten Religion weg, dann sollten wir dafür sorgen, dass wir das Baby effektiver spiritueller Übungen weiter behalten. Nirgendwo besitzt dies mehr Gültigkeit als in Indien, wo das Baby zur Welt kam. Ich hoffe, dass die gebildeten Inder zu den bedeutenden Wahrheiten ihres Erbes zurückfinden. Wir aus dem Westen können bei der Destillation alter Wahrheiten unseren Beitrag leisten, indem wir unsere bewährten praktischen Methoden der wissenschaftlichen Beobachtung, Integration und Implementierung darauf anwenden. Das genau leisten die Fortgeschrittenen Yoga Übungen.
Zweifellos schulden wir den vielen Sehern Indiens, die auf die Wahrheit der menschlichen spirituellen Transformation gestoßen sind und sich die Mühe machten, sie sog gut sie konnten an uns weiterzugeben, sehr viel. Mögen wir ihnen zum Nutzen der gegenwärtigen und zukünftigen Generationen nacheifern.
Vielen Dank, Indien!
Der Guru ist in dir.
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