Lektion 362 – Ideologisches Jnana Yoga (Advaita-Vedanta)

Frage: Der traditionelle Ansatz von Jnana Yoga (Advaita-Vedanta) besteht aus einer „Nicht-Technik“ zur sofortigen Erkenntnis durch das Verstehen. Das sei also alles, was man braucht? Gibt es da einen Unterschied zum FYÜ-Ansatz von Jnana Yoga? Es scheint, dass du ans vordere Ende eine Menge Übungen lädst und Jnana Yoga vor allem am hinteren Ende nutzt. Beißt sich die FYÜ-Sichtweise mit dem traditionellen Ansatz von Jnana Yoga, wie er von den Weisen seit Jahrhunderten dargelegt wird?

Antwort: Ja, es gibt da schon einen Unterschied zwischen der FYÜ-Herangehensweise an Jnana/Advaita und dem traditionellen Verständnis dessen, um was es dabei geht. Der Unterschied entsteht aber alleine aufgrund der Absicht, den Zugang zu erleichtern.

Alle Ansätze gehen von bestimmten Voraussetzungen aus, ob man diese erkennt oder nicht. Bei den Fortgeschrittenen Yoga Übungen geht es darum, dass so viele Menschen wie möglich die Voraussetzungen erfüllen können. Das Ziel besteht darin, Mittel an die Hand zu geben, damit sich niemand nur auf die ihm innewohnende intellektuelle Neigung verlassen muss, um das Heil zu finden. Vielmehr kann jeder mit einem sehnsuchtsvollen Herzen entweder jetzt oder später zur Erkenntnis gelangen, wenn ihm nur genügend effektive Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden, das zu erreichen. Man braucht sich nur den praktischen Grundlagen der menschlichen spirituellen Erweckung widmen (von denen Jnana/Advaita ein Teil ist) und bleibende Selbst-Erkenntnis wird auf den Flügeln von strahlender ekstatischer Glückseligkeit fliegen. Besteht der Eindruck, dass dies bereits die Realität ist, dann ist das umso besser, doch wir bitten, dass niemand nur so tut oder vorgibt, dass dies der Fall sei.

Ich bin nicht besonders interessiert an einem „FYÜ-Standpunkt“ oder an irgendeinem anderen Standpunkt. Ich interessiere mich dafür, jedem dabei zu helfen, Türen zu öffnen. Dafür sind die Integration und die Transzendenz aller Standpunkte wichtig. Stimmt das mit den Weisen von einst überein, ist das großartig. Und wenn nicht, gut, dann machen wir trotzdem damit weiter.


Deshalb sehe ich Jnana/Advaita nicht als speziellen allein-stehenden Ansatz an, der nur für jene mit einer bestimmten intellektuellen oder philosophischen Veranlagung geeignet ist. Gleichzeitig halte ich diesen Ansatz auch nicht für einen produktiven Weg für Anfänger, weil nur wenige von Natur aus dahin neigen. Man wird nicht einfach zum Jnani/Advaitin, nur weil man sich damit beschäftigt, obwohl viele zu dieser Überzeugung gelangen mögen. Dass sich daraus eine Menge nicht-beziehungsvoller Selbst-Analyse ergibt, ist sehr viel wahrscheinlicher. Damit soll nicht völlig die Existenz eines allein-stehenden Ansatz, der sich nur auf den Intellekt verlässt, abgestritten werden. Sicherlich gibt es da einige, die gut dafür geeignet sind. Der ehrliche spirituelle Wunsch (Bhakti), der da mitspielt, wird aber ungemein mehr beitragen als der Intellekt.

Sei dir bitte bewusst: Mit einer vorherigen Kultivierung von bleibender innerer Stille kann man sehr viel der Frustration und Müßigkeit, die mit einem Intellekt basierten Ansatz verbunden sind, umgehen. Das ist eine Tatsache, die immer wieder bewiesen worden ist.

Einwände bringen wir gegen eine übliche Verirrung vor, die wir „ideologisches Jnana/Advaita“ nennen können. Beansprucht Jnana/Advaita Exklusivität und Überlegenheit gegenüber einer breiten Palette von yogischen Methoden, dann musst du etwas Widerstand erwarten, denn dies ist ein ideologisches Getue. Es gibt sicherlich jene (dazu gehören auch die großen Weisen), die die Notwendigkeit für zu erfüllende Voraussetzungen erkannt haben und diese Beobachtung gilt offensichtlich nicht in ihrem Fall. Viele andere jedoch betrachten Jnana/Advaita als eine Allheilmittel-Ideologie, aus der ein falscher Sinn von sektiererischer Überlegenheit erwächst, der ironischerweise als extreme Dualität zu charakterisieren ist. Die wahre Nicht-Dualität ist der Weg der absoluten Einbindung – das genaue Gegenteil. 

Ungeachtet unserer Überzeugung ist es also gut, wenn wir uns regelmäßig fragen können: „Bin ich in die Erleuchtung verliebt, oder nur in ‚eine Idee‘ der Erleuchtung?“ Trifft das Letztere zu, und wir wenden keine systematischen Mittel für ihr Transzendieren (Technik oder Nicht-Technik) an, riskieren wir, eine Gefahr für uns selbst und für andere zu werden. 

Jnana/Advaita mag den meisten inspirierten Aspiranten wie ein unschuldiges Bestreben erscheinen, ein Feld, das ernsthaften Herzen und Gemütern „augenblickliche Erleuchtung“ verspricht. Mit ihrer ideologischen Sachlichkeit führt es jedoch gleichzeitig dazu, dass die Reiche der spirituellen Praxis, die für den Großteil der Bevölkerung von Nutzen sind, ihres Zaubers beraubt werden. Damit ist niemandem geholfen.

Das beunruhigt mich jedoch nicht sehr. Wir arbeiten einfach an den Voraussetzungen weiter und der Rest wird für sich selber sorgen. Die Wahrheit setzt sich durch. Es geht nicht um „dies oder das“. Es gibt nur DIES, das wir auch DAS nennen.

Der Guru ist in dir.

Über den Autor

Yogani

Yogani ist ein anonymer US Amerikaner, der 2003 begann, im Internet sein spirituelles Wissen in Form von Lektionen zu veröffentlichen und damit auf einen großen Kreis Interessierter weltweit traf. Im Laufe der Jahre entstand Daraus eine umfassende Bibliothek zu allen Aspekten des Yoga. Inzwischen gibt es viele Übersetzungen in andere Sprachen. Die Lektionen sind immer noch kostenlos abrufbar. Heute gibt es auch Bücher, Hörbücher, Ebooks und im Englischen eine PLus-Mitgliedschaft sowie ein gut besuchtes Forum.

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