Lektion 381 – Ida, Pingala und Kundalini Erweckung

Frage: Ich habe das bisher so verstanden, dass sich die Ida und Pingala Nadis, bevor Kundalini beginnt, die Sushumna (Zentralkanal) nach oben zu steigen, „ausgleichen“ müssen. Dieser Ausgleich würde durch das ständige freie Fließen durch beide Nasenlöcher angezeigt werden. Ist diese Auffassung richtig? Der Grund, warum ich das frage, ist, dass, soweit ich mich an die Zeit vor dem Beginn mit den FYÜ-Lektionen zurückerinnern kann, eines meiner Nasenlöcher die ganze Zeit (wechselweise) blockiert war. Doch wahrscheinlich aufgrund der Intensität und Regelmäßigkeit der Übung über 18 Monate bemerke ich, dass nun die meiste Zeit beide Nasenlöcher frei sind. Ich habe mehr Frieden, doch immer noch keine Kundalini-Erweckung hier. Kannst du zur Bedeutung des Ausgleichs von Ida und Pingala etwas sagen und zur Rolle der beiden bei der Kundalini-Erweckung?


Antwort: Beim FYÜ-Ansatz sehen wir den Ausgleich der Seiten-Nadis (Ida und Pingala) mehr als Wirkung denn als Ursache der von uns genutzten allumfassenden Übungen (besonders der tiefen Meditation und des Wirbelsäulenpranayama) an. Die Konzentration auf das Lenken bestimmter Energiebeziehungen in die Neurobiologie erhält bei den Fortgeschrittenen Yoga Übungen kein besonderes Gewicht. Wir erreichen das auf großen (globalen) Wegen, die eine natürliche Erweckung kultivieren. Die ekstatische Leitfähigkeit kommt dann, wenn es dafür Zeit ist. Auch die Kultivierung der bleibenden inneren Stille ist Wirkung.


Deine Befindlichkeit während deiner täglichen Aktivitäten,ist ein besserer Maßstab für die Güte deiner Übungen. Bemerkst du da mehr Frieden, Glück, Produktivität, Neigung nachzuforschen und anderen zu dienen? Dies sind sehr viel wichtigere Indikatoren als irgendwelche Energie-Symptome. Die Symptome der Energiebewegung sind schließlich nur Zeichen von Reibung übriggebliebener innerer Blockierungen. Werden die Blockierungen viel weniger, bleibt da nur noch nicht endendes Glück und ausströmende göttliche Liebe, was immer in der profanen Welt um uns herum geschehen mag.


Es hört sich aber an, als sei die Öffnung der Nasenlöcher ein gutes Zeichen. Das ist ein Symptom von innerer Ausgeglichenheit – eine Wirkung. Nicht dass wir unsere Nasenlöcher oder irgendetwas anderes ständig beobachten sollten. Mache nur deine Übungen. Gehe dann hinaus und lebe in Fülle. Das ist die Eintrittskarte.


Bei der Erleuchtung musst du wissen, dass es nichts ist, das du dir aneignen oder das du steuern kannst. Es ist etwas, das geschieht, wenn wir in die Stille loslassen, während wir mit alltäglichen Dingen beschäftigt bleiben. Im Modus der aktiven Hingabe ist es etwas, das wir ständig weggeben.


Loslassen heißt nicht, dass wir unsere Übungen absetzen oder aufhören, aktiv zu sein. Tatsächlich können wir von beiden sogar mehr tun, wenn der Fluss von Bhakti und göttlicher Liebe zunimmt. Es geht immer weniger um unser eigenes Tun (selbst während des Handelns), sondern vielmehr um unsere Hingabe an den Prozess, der in uns und durch uns erscheint.


Vielleicht lässt du also ein wenig davon ab, ein bestimmtes Ergebnis anzustreben und lässt mehr in das Tun los. Das ist ein Paradox … mit einem völligen Kontrollverlust gewinnt man alles. Dahin führen unsere Übungen. Es ist in Ordnung, sich damit zu entspannen. Lass los und erfreue dich.


Meine Erfahrung war, wie bei den meisten Dingen im Leben, dass es bei der Kundalini-Erweckung nicht um alles oder nichts geht. Da gibt es Abstufungen. Fortschritt hängt von der Willigkeit ab, auf dieser Grundlage, ohne die Garantie einer „vollkommenen Erweckung“, fortzufahren.


Kundalini kann mit unterschiedlicher Intensität aktiv sein, unabhängig davon ob Ida und Pingala ausgeglichen sind oder nicht. Auf einer Seite des Extremen kann Kundalini sehr viel mehr in einem der Seitenkanäle sein als in der Sushumna. Der Fall von Gopi Krishna (ein Pingala-Ungleichgewicht) ist dafür ein denkwürdiges Beispiel. Auf der anderen Seite des Extremen kann zwischen Ida und Pingala eine vollkommene Ausgeglichenheit herrschen und es fließt übergangslos alles in der Sushumna (zentraler Wirbelsäulenkanal). Die überwältigende Mehrheit der Kundalini-Erweckungen ereignet sich irgendwo dazwischen. Dabei finden die Dinge mit der Zeit im Wechselspiel mit unseren Aktivitäten im Leben zum Gleichgewicht. Niemand beginnt mit einer vollkommen ausgeglichenen Kundalini-Erweckung; zumindest weiß ich von niemandem, bei dem das der Fall war. Vielmehr entwickelt es sich allmählich, wenn wir unsere inneren Entwicklungen in unser äußeres Leben integrieren, wo immer sich der Ausgangspunkt befinden mag.


Wenn Leute also behaupten, dass du deine Ida und Pingala ausgleichen musst, bevor du die Kundalini erweckst, oder dass du das tun musst, um die Kundalini zu erwecken, dann sprechen sie über einen idealisierten Pfad, der nicht existiert. So funktioniert das einfach nicht. 


Erstens können wir die kleinsten Details unserer inneren Energien nicht bewusst regeln. Sollte dir jemals jemand sagen, er könne das für dich tun, mach auf dem Absatz kehrt und laufe davon! Zweitens entscheiden wir nicht selbst, wann die Kundalini aktiv wird. Sobald die Zeit da ist, geschieht es, ob nun Ida und Pingala völlig ausgeglichen sind oder nicht.


Alles, was wir tun können, ist, in einer ausgeglichenen Weise für die allgemeine Reinigung und Öffnung der inneren Neurobiologie von den tiefsten Ebenen in uns zu sorgen. Das wird es all diesen Dingen erleichtern, mit der Zeit auf natürliche Weise zu erscheinen. In diesem Fall wird das Ausmaß der allumfassenden Reinigung, Öffnung und des Ausgleichs im Nervensystem (Ida und Pingala eingeschlossen) ausreichend sein, eine fortlaufende und sichere Kundalini-Erweckung zu unterstützen.


Einige haben argumentiert, dass zum Zweck des Ausgleichs von Ida und Pingala für ausgedehnte Zeitperioden Nadi Shodana Pranayama (die Wechselatmung) praktiziert werden sollte, bevor man irgendwelche anderen Pranayama-Formen erlernt. Solche Argumente werden vorgebracht, obwohl die Erfahrung immer wieder gezeigt hat, dass das Pranayama der Wirbelsäulenatmung extrem effektiv ist, wenn es um den Ausgleich von Ida und Pingala geht. Außerdem ist die Wirbelsäulenatmung ein viel effektiverer und sichererer Weg, die ekstatische Leitfähigkeit anzuregen. Mehr zu diesem Thema findet man in einem Zusatz zur Lektion 41, in dem Nadi Shodana mit dem Pranayama der Wirbelsäulenatmung verglichen wird.


Ida und Pingala wurden bereits in der Lektion 90 aus dem Blickwinkel der Fortgeschrittenen Yoga Übungen diskutiert. Dabei ging es mehr um ihre Rolle im natürlichen Aufkommen von ekstatischer Leitfähigkeit und Ausstrahlung, als um den Versuch, sie zu steuern. Ida und Pingala spielen eine Schlüsselrolle bei der Manifestation des natürlichen Evolutionsprozesses, den wir die spirituelle Transformation des Menschen nennen.


Der Guru ist in dir.

Über den Autor

Yogani

Yogani ist ein anonymer US Amerikaner, der 2003 begann, im Internet sein spirituelles Wissen in Form von Lektionen zu veröffentlichen und damit auf einen großen Kreis Interessierter weltweit traf. Im Laufe der Jahre entstand Daraus eine umfassende Bibliothek zu allen Aspekten des Yoga. Inzwischen gibt es viele Übersetzungen in andere Sprachen. Die Lektionen sind immer noch kostenlos abrufbar. Heute gibt es auch Bücher, Hörbücher, Ebooks und im Englischen eine PLus-Mitgliedschaft sowie ein gut besuchtes Forum.

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