Lektion 418 – Gurus, Lehrer und Selbst-Genügsamkeit

Frage: Mir wurde immer gesagt, dass ein lebender Lehrer oder Guru für ein Vorankommen auf dem spirituellen Pfad notwendig sei. Das war auch immer meine Erfahrung bei meiner lange andauernden Praxis als Hatha-Yoga-Lehrer. Werden die Schüler sich selbst überlassen, werden die Übungen nicht gemacht. Auf der anderen Seite können wir zusammen nur einmal oder zweimal die Woche praktizieren. Deshalb ist da eine Begrenzung eingebaut, was auf diese Weise erreicht werden kann. Bei einigen meiner Schüler läuft das so schon seit einigen Jahren: Es ist keine Motivation vorhanden, neben unseren wöchentlichen Yoga-Stunden zu praktizieren. In den letzten Monaten habe ich mich beobachtet, wie ich auf der Suche war, Wege zu finden, wie ich aus diesem ziemlich statischen Muster ausbrechen könnte. So war ich angenehm überrascht, als ich die „Fortgeschrittenen Yoga Übungen“ mit seinem umfassenden Übungssystem und auch offensichtlich einer großen Menge an Leuten, die das nutzen, im Internet fand.


Meine Frage lautet: Wie integriere ich etwas wie die fortgeschrittenen Yoga Übungen in meinen laufenden Unterricht? Wie bewege ich mich mit meinen Schülern über das wöchentliche Szenario der Yoga-Stunden hinaus zu mehr individueller Praxis? Ist dies überhaupt möglich? Ich würde gern zu einer Gläubigen des „selbstbestimmten“ Übens werden.


Antwort: Da hast du eine interessante Frage aufgeworfen. Es kann sein, dass einige Schüler mit einer einmal wöchentlichen Gruppenübung lange Zeit zufrieden sind. Das ist nichts Schlechtes. Dann gibt es auf der anderen Seite aber auch einige, die mehr wollen – mehr der Glieder des Yoga und mehr, womit man zuhause praktizieren kann. Deshalb ist es sicherlich im besten Interesse deiner Mission als Lehrer und deiner Schüler, wenn du über den Status quo hinausgehst.


Meiner Meinung nach muss, unabhängig von den Mitteln, die man anderen zur spirituellen Unterstützung zur Verfügung stellt, das höchste Ziel sein, dass die/der Übende Selbstgenügsamkeit entwickelt. Definitionsgemäß kann es keine Erleuchtung ohne selbstgenügsames Verweilen im SELBST (Großbuchstaben) geben. Niemand anders kann dir das geben, obwohl viele denken, dass es so funktioniert. Das ist nicht möglich. Jeder von uns muss es selbst für sich einfordern (sich ihm hingeben), auf die eine oder andere Weise.


Sowohl die schriftliche Übertragung von spirituellem Wissen wie die durch den lebenden Guru bzw. Lehrer besitzen ihre Stärken und Schwächen. Letztendlich muss alle Übertragung von Wissen in irgendeiner Form von Medien gespeichert und weitergegeben werden. Die Vollständigkeit und Effektivität von solchen Übertragungen bestimmen den zukünftigen Erfolg, den das Wissen über Generationen hat. Langfristig sind es also die Schriften, die zählen, und zwar in dem Maße, in dem sie effektiv das Praktizieren der Standardübungen in vollem Umfang erleichtern und auch die anhaltende Entwicklung von effektivem „selbstbestimmten“ Praktizieren in sich wandelnden Zeiten und Umständen. Unabhängig davon, wie wir unterrichten, muss da eine solide Grundlage von Wissen vorhanden sein, zusammen mit einer ständigen Beurteilung von Ursachen und Wirkungen in den Übungen. Damit können Anpassungen in den Übungen je nach Bedarf vorgenommen werden.

Das Internet bietet außerordentliche Möglichkeiten für die Weitergabe von schriftlichen Unterrichtsmaterialien. Nicht nur die Übertragung von klaren Anweisungen zu wirkungsvollen Übungen an Millionen profitiert davon. Das Internet bietet auch die Möglichkeit eines ständigen Supports innerhalb dieser Online-Umgebung. Internet Support muss nicht notwendigerweise live, also mit Anwesenheit des Lehrers geschehen. Diese Art von Support funktioniert trotzdem und er kann auch die den Guru-Schüler Beziehungen innewohnenden Gefahren erheblich vermindern. Es kann auch die effektive Anwendung von selbstgesteuerter Praxis innerhalb einer großen Vielzahl von Kulturen, Umgebungen und Umständen erleichtern. Das Internet kennt keine Grenzen (zumindest nicht viele).


Noch einmal: Die Herstellung von Selbstgenügsamkeit im Übenden ist der Schlüssel. Alle wahren Gurus setzen sich das zum Ziel, selbst wenn ihre körperliche Anwesenheit eine Co-Abhängigkeit mit vielen Anhängern, die vom eigentlichen Ziel ablenkt, befördern kann. Das ist der wichtigste Nachteil einer Guru-Schüler Beziehung, in der sich beide auf der physischen Ebene begegnen. Wird Bhakti in eine co-abhängige Beziehung eingeschlossen, ist sie nicht länger spirituell progressiv. Das kann genauso online passieren, auch wenn man es dort leichter vermeiden kann. Aus diesem Grund erinnere ich die Übenden stets daran, dass das Wichtigste unsere Beziehung zum Wissen, zu effektiven täglichen Übungen und Erfahrungen ist, und nicht zu unserem Lehrer.


Das FYÜ-Experiment mit Echtzeit- und archiviertem schriftlichen Wissen in einer großen Gemeinschaft von Übenden funktioniert bisher bemerkenswert gut. Tausende zapfen das je nach dem, wie ihre eigenen Neigungen aussehen, an und viele bewegen sich schnell durch die verschiedenen Erleuchtungsmeilensteine. Das ist ziemlich verblüffend, was sich da abspielt. Das zeigt, was Menschen tun können, sobald sie freien Zugang zu nützlichem Wissen erhalten. Während einige zur Abhängigkeit neigen mögen, beginnen andere mit nur geringer Ermunterung und Unterstützung zu fliegen. Sind das Wissen und die Übungen zugänglich und effektiv, kann alles geschehen. Die Erfahrungen, die ein Übender macht, kann all die Motivation liefern, die er oder sie für ein anhaltendes Üben und spirituelles Wachstum braucht.


Das soll nicht heißen, dass wir keinen Unterricht brauchen, bei dem wir uns von Angesicht zu Angesicht austauschen können. Das brauchen wir in der Tat und wir arbeiten auch bei den Fortgeschrittenen Yoga Übungen daran, dass wir das anbieten können. Es gibt da draußen bereits ein riesiges Netzwerk von Yoga-Lehrerinnen, wie du eine bist, das zu einem Sprungbrett für ein selbstbestimmtes Praktizieren innerhalb eines umfassenden Yoga für Millionen dienen kann. Ob das Wissen in interaktivem Unterricht, durch eine schriftliche Übertragung oder über andere Medien geschieht, es kann bei jedem funktionieren, der gewillt ist, sich an eine maßvolle zweimal tägliche Praxisroutine zuhause zu halten. Es läuft immer wieder auf die Bereitschaft des Übenden hinaus, eigeninitiativ zu praktizieren.


Ein erster Schritt für deine Situation könnte sein, dass du deinen Schülern vorschlägst, zuhause die tiefe Meditation zweimal täglich für 10 bis 20 Minuten zu praktizieren, und dass du sie dabei unterstützt, das zu erreichen. Die Unterstützung könnte so aussehen, dass du eine wöchentliche Gruppenmeditation anbietest, entweder innerhalb einer regulären Yoga-Stunde oder zu einer anderen Zeit. Die Hinzunahme der täglichen tiefen Meditation kann auf Hatha Yoga Übungen dramatische Auswirkungen haben. Wenn wir zusätzliche Übungen vom Yoga-Baum aufnehmen, kann das aufgrund der inneren Verbundenheit, die in unserem Nervensystem auftritt, viele Yoga-Glieder beeinflussen. Einzelheiten dazu findest du in Lektion 409.


Der Schritt, die tägliche Übung von tiefer Meditation zu Hause einzurichten, wird deinen Schülern zu einer direkten Erfahrung von aufkommender innerer Stille verhelfen. Das steigert ihre tagtägliche Lebensqualität in fühlbarer Weise, was einer der wichtigsten Motivatoren für eine anhaltende tägliche Praxis zu Hause ist. Mit der Zeit kann sich eine natürliche Motivation einstellen, das Pranayama der Wirbelsäulenatmung und andere Übungen zur Routine hinzuzufügen. Dann zeigen sich immer mehr Ergebnisse, die wie ein Schneeball, der den Berg nach unten rollt, immer größer werden. Daraus ergibt sich gleichzeitig immer mehr Motivation weiterzumachen. So funktioniert das.


Dabei wird der Lehrer mehr zu einem Coach als zu einem vornehmlichen Objekt der Aufmerksamkeit. So sollte es auch sein. Wöchentliche Yoga-Stunden sollten weitergehen. Sie sollten aber vor allem zum Ziel haben, die Übungen zu Hause zu unterstützen. Zuerst befähigen wir den Schüler in einer Umgebung, die für das Wachstum förderlich ist. Dann liefern wir ihm die Mittel und die Unterstützung, damit er zu Hause üben kann. Wir wissen, dass der Unterricht erfolgreich ist, wenn der Schüler auf seiner eigenen bleibenden inneren Stille, ekstatischen Glückseligkeit und ausfließenden göttlichen Liebe fliegen lernt. Das ist alles, was es braucht. Das ist unsere Gabe an die Welt und jeder, dem wir dabei beistehen, wird das Geschenk auf seine eigene Art und Weise weitergeben. Und so geht es vorwärts.


Das FYÜ-System ist ein „Werkzeugkasten“, den jeder entweder für sich selbst oder zur Unterstützung vieler anderer teilweise oder ganz zum Einsatz bringen kann. Es ist völlig offen und wird auf vielen Wegen von vielen einzelnen Übenden, Leitern einer Gruppe oder Lehrern genutzt. Es geht immer um das eine: Den Suchenden und stellt effektive Mittel zur Verfügung, um die Selbstgenügsamkeit bei den Übungen und beim spirituellen Wachstum zu erreichen.


Die traditionelle Guru-Desciple (Lehrer-Schüler) Beziehung wird auch im Informationszeitalter weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Diese Beziehung kann sogar besser funktionieren als in der Vergangenheit, wenn man Maßnahmen ergreift, damit die Anhänger (Schüler) ihre Selbst-Genügsamkeit bei der Praxis zuhause stärken. Eine selbstabgestimmte zweimal tägliche Praxis ist für einen stetigen Fortschritt notwendig. Das kann man bei ausschließlicher Gruppenpraxis nicht erreichen, außer vielleicht in einer Ashram-Umgebung. Das ist in Ordnung, doch wir können nicht alle in einem Ashram leben.


Wir würden gerne noch viel mehr Menschen dazu inspirieren, täglich zuhause zu praktizieren, um dann mit ihrer bleibenden inneren Stille jeden Tag in die Welt hinaus zu gehen. Das ist der Weg, wie man den Mainstream transformieren kann. Es gibt nicht genügend Gurus und Ashrams, damit sie die Milliarden an Menschen der Erde als persönliche Schüler annehmen können. Ihre spirituelle Versorgung kann man jedoch gewährleisten, wenn sich viel mehr Menschen mit der selbstgesteuerten Praxis zuhause beschäftigen. Die Übertragung von Wissen und Hilfeleistungen über das Internet sind in der Lage, so eine Herangehensweise zu erleichtern.


Tausende von Lehrern und Gurus können das genauso anzapfen. Wenn sie die selbstgenügsamen Übenden überall unterstützen, multipliziert das die Wirkung ihres Unterrichts von Angesicht zu Angesicht um ein Vielfaches.


Ich wünsche dir alles Gute auf deinem Pfad und bei deinem weiteren Unterrichten.


Der Guru ist in dir.

Über den Autor

Yogani

Yogani ist ein anonymer US Amerikaner, der 2003 begann, im Internet sein spirituelles Wissen in Form von Lektionen zu veröffentlichen und damit auf einen großen Kreis Interessierter weltweit traf. Im Laufe der Jahre entstand Daraus eine umfassende Bibliothek zu allen Aspekten des Yoga. Inzwischen gibt es viele Übersetzungen in andere Sprachen. Die Lektionen sind immer noch kostenlos abrufbar. Heute gibt es auch Bücher, Hörbücher, Ebooks und im Englischen eine PLus-Mitgliedschaft sowie ein gut besuchtes Forum.

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