Lektion 423 – Warum so viel Aufhebens um etwas, das so einfach ist?

Frage: In jedem Augenblick liegt so viel Vollkommenheit. Das Leben lebt man von Augenblick zu Augenblick. Kein Versuchen, im Augenblick zu leben, nur leben, keine Anstrengung, kein anderer Weg, das zu tun. Nichts, um es geschehen zu lassen. Etwas zu tun, damit etwas geschieht, erfordert Anstrengung und es gibt keine Anstrengung. Ich bin, wo ich bin und es gibt keinen anderen Ort, wo ich sein sollte oder sein wollte. Liebe, Ideen und Kreativität fließen bloß ohne jede Absicht, ohne jede Anstrengung. Gefühle erlebt man im Augenblick ohne Urteil, dann sind sie vergangen wie ein Traum. Wenn es nicht jetzt geschieht, dann geschieht es nicht.


Das geht jetzt schon zwei Monate so. Mein Verstand mischt sich immer noch ein und sagt, dass es zu einem Zerwürfnis kommen wird. Doch es ist unwichtig, was der Verstand sagt. Ich habe sehr viel darüber nachgegrübelt, wie ich meine Aufmerksamkeit zurück zum Jetzt bringen und gegenwärtig sein kann. Doch als es begann zu geschehen, ohne dass ich mich darum bemühte, fühlte es sich an wie: Wow! Was ist das? Ich habe nicht viel zu irgendjemanden um mich herum gesagt, doch da ist so viel unverlangte Freude, so viel Glück, wie ich es nie zuvor kannte. Sogar aufgebracht und verärgert zu sein, ist nur etwas Augenblickliches, wie etwas, das der Körper macht, doch dann ist er gleich wieder bei der Freude. Ich sehe auch, wie die Dinge in uns so tief verwurzelt sind. Je stärker die Verstandsgeschichte, die wir am Laufen hatten, desto stärker ist die Anhaftung an die Blockade. Eine Blockade loszulassen, bedeutet, dass man die Geschichte einer jeden Zelle im Gewahrsein (innere Stille) entwirrt und beobachtet, wie sie wegfällt. Wieder keine Anstrengung. Praktiziert man, und hegt man eine leichte Absicht (wie beim Samyama), geschieht es einfach.


Das Lernen von Samyama war gewaltig. Es ist das beste Hilfsmittel, dem ich je begegnet bin. Bittet man um etwas, heißt das, dass man fragt und loslässt. Je mehr man in die Stille loslassen kann, desto leichter ist es möglich, dass es sich ereignet. Das ist Siddhi. Alle Siddhis sind nur das … wie sehr kannst du es loslassen. Je mehr du in die Stille loslassen kannst, desto mehr hat es die Gelegenheit, sich zu manifestieren. Von daher kann ich machen, dass ich die Dinge geschehen lassen kann, die für meine tiefsten Sehnsüchte nicht viel bedeuten. Doch bei Dingen, die mir sehr zu Herzen gehen, ist das Loslassen schwieriger. Da sind noch diese kleine Anziehung und die Geschichte, die noch einen leichten Wunsch aufrecht erhalten. Das erlaubt kein völliges Loslassen. Doch wenn ich wirklich loslassen kann, dann geschehen die Dinge.


Es fühlt sich an, als würde ich gleiten oder schweben, anstatt zu laufen. Und es fühlt sich an, als würde ich ständig in der Stille tanzen. Selbst wenn die Leute um mich her mürrisch sind, bin ich immer noch in der Freude und es ist dann, als ob es auf sie abfärben würde. Sie sind immer noch mürrisch, doch sie können nicht gemein sein. Es ist, als ob die Freude ansteckend sei und auch, wenn die Leute nicht wollen, dass sie nicht mehr mürrisch sind, können sie einfach nicht mehr gemein sein. Sie kehren zurück und drücken heftig ihre Missbilligung aus, doch den Fluss des reinen Glücks können sie nicht ignorieren. Es ist, wie wenn ein Baby anwesend ist. Das Baby ist ohne einen Grund glücklich und andere um es herum sind vielleicht verrückt, doch wenn sie das Lächeln auf dem Gesicht des Kindes sehen und das unschuldige Glück sehen, dann gibt es da nicht viel, was sie tun können, außer zu lächeln. Sie können danach wieder zu ihrem Mürrischsein zurückkehren. Doch für einige wenige Momente erfreuen sie sich an dem unverfälschten Glück. Genau so fühlt es sich an. Ich könnte hier immer weiter machen mit meiner Schilderung, wie sich das Leben zum Besseren verändert hat.


Egal, es ist aber alles wahr, alles, was ich gehört und gelesen habe … alles davon ist wahr. Und ich bin nur erstaunt über die Einfachheit und Schönheit davon, wenn ich in Ehrfurcht die Kraft des Loslassens beobachte.


Was mich aber immer noch wirklich verwundert, ist all das Gerede, dass die alten Gurus die Erleuchtung weitergegeben haben. Da wird so viel Trara darum gemacht. Es ist so einfach. Da ist nichts Gewaltiges dran. Warum wurde es dann so dargestellt, als sei es gewaltig? All das mit dem Verlieren des Körpers und dem Regenbogenkörper und einer Million Definitionen. Das verwirrt die Menschen so. Warum? Warum meditiert man nicht einfach, lernt Samyama und dann auch die anderen einfachen Methoden. Dann praktiziert man sie jeden Tag und kommt damit weiter. Warum macht man die einfachsten aller Dinge so kompliziert. Oder verstehe ich das falsch?


Antwort: Ich bin sehr froh, von deinem Leben im Hier und Jetzt zu erfahren. Das erinnert mich an ein Gedicht von Rumi.


„Draußen, jenseits von Vorstellung des falschen und richtigen Handelns gibt es ein Feld. Ich werde dich dort treffen.Legt sich die Seele nieder in dieses Gras, ist die Welt zu voll, um darüber zu sprechen. Vorstellungen, Sprachen geben überhaupt keinen Sinn – nicht einmal der Ausdruck ‚gegenseitig‘ …“ 


Es ist einfach, wenn wir wissen. Doch es gibt da eine Reise, die man erst einmal antreten muss, um zu dem Feld zu gelangen.


Es ist wie mit dem sprichwörtlichen Ausflug durch den Wald zum Haus der Großmutter. Sobald wir einmal den Weg kennen, ist es leicht und anstrengungslos. Sind wir dort einmal angekommen, sind wir dort in jedem Augenblick. Doch das erste Mal, wenn wir dorthin gehen, sind wir auf einen Weg angewiesen. Hoffentlich ist das ein gut ausgeschilderter Weg. Auch bei einem guten Weg können wir abgelenkt werden und auf andere Pfade abkommen. Sie sagen alle Wege führen zum Haus der Großmutter. Ohne Zweifel tun sie das letztendlich. Doch es gibt in dem Wald auch ein paar Wölfe. Ein einfaches Drauflosmarschieren könnte sich als die nicht so schnelle und sichere Vorgehensweise herausstellen.


Das Trara gibt es sowohl zum Zweck des Markierens wie auch zum Zweck des Vermarktens eines Weges. Es ist nämlich notwendig, einen Weg zu nutzen, um von „hier nach hier“ zu gelangen. Was so leicht aussieht, wenn man es einmal gesehen hat, sieht man davor nicht so einfach. Deshalb all die Aufregung. Ein gewisses Maß an innerer Hausreinigung muss sein, bevor man viel von irgendetwas sehen kann. Diesem Zweck dienen die täglichen Übungen.


Sonderbarerweise kann, sobald man sieht, genau diese Leichtigkeit des Sehens und Handelns in der Stille andere in Verwirrung bringen. Denn wenn man es als das ausdrückt (nichts zu tun), ermuntert das diejenigen, die nicht sehen können, sich vorzustellen, dass sie sehen, anstatt tatsächlich das zu tun, was man notwendigerweise tun muss, um zu sehen. Dadurch wird das Einfache (das Sehen) kompliziert, und das komplizierte (die Übung) wird einfach. Das ist der Grund dafür, warum wir immer sagen, ziehe Übungen der Landschaft vor.


Immer wieder beobachten wir Leute, die hier bei der Gemeinschaft der Fortgeschrittenen Yoga Übungen ankommen und weiter 100 verschiedene Strategien erforschen, selbst wenn sie auf der Schnellstraße stehen, auf der alles, was sie zu tun hätten, wäre, aufs Gaspedal zu treten und loszufahren. Die Reise kann so verschlungen sein, weil das Karma des Menschen da mit hineinspielt. Doch muss der Weg nicht verschlungen sein. Ein Weg kann gerade sein und klar beschildert. Solange da ein Weg ganz offen daliegt, werden Menschen ihn finden. Das ist die einfache Prämisse bei den Fortgeschrittenen Yoga Übungen, mit der Mentalität eines Ingenieurs zu fliegen: Baue es und sie werden es finden.


Auch jeder andere gut konzipierte und geprüfte Weg ist gut. Doch ist es besser, auf einem gut ausgeschilderten Weg zu bleiben, anstatt im Wald im Kreis herumzuirren.


Ja, definitiv sehr einfach, besonders, wenn wir beim Haus der Großmutter angekommen sind. Es gibt viele Wege zum Haus der Großmutter und sie werden aus gutem Grund seit Jahrhunderten mit Neonlicht (und Trara) ausgeleuchtet. Doch bei der Großmutter ist kein Neonlicht mehr nötig. Alles dort glüht ruhig aus dem Inneren heraus, ohne dass es dafür einen Grund gibt. Zuhause ist zuhause und braucht kein Trara. Viel Spaß!


Der Guru ist in dir!

Über den Autor

Yogani

Yogani ist ein anonymer US Amerikaner, der 2003 begann, im Internet sein spirituelles Wissen in Form von Lektionen zu veröffentlichen und damit auf einen großen Kreis Interessierter weltweit traf. Im Laufe der Jahre entstand Daraus eine umfassende Bibliothek zu allen Aspekten des Yoga. Inzwischen gibt es viele Übersetzungen in andere Sprachen. Die Lektionen sind immer noch kostenlos abrufbar. Heute gibt es auch Bücher, Hörbücher, Ebooks und im Englischen eine PLus-Mitgliedschaft sowie ein gut besuchtes Forum.

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