Lektion 372 – Zeugenschaft vs. fokussierte Aufmerksamkeit zur Auflösung von Blockierungen
Frage: Oft weisen spirituelle Lehrer an, man solle die Bewusstheit auf Orte der Energieungleichgewichte oder Blockierungen richten, das könne heilen und den Schmerz lindern. Doch dann sagen einige Leute von den Fortgeschrittenen Yoga Übungen, dass man seine Aufmerksamkeit nicht auf Gebiete der Ungleichgewichte richten sollte. Kannst du bitte zu diesen scheinbar gegensätzlichen Anweisungen Stellung nehmen.
Antwort: Es gibt da einen Unterschied zwischen dem Fokussieren der Aufmerksamkeit auf Energieungleichgewichte oder Blockierungen und dem Erlauben des Bewusstseins, auf natürliche Weise mit einer emotionalen oder physischen Empfindung zu sein (Zeuge). Das Erste wird tendenziell die Empfindung steigern, weil dadurch Energie hinzugefügt wird. Das Letztere wird tendenziell die Empfindung auflösen, weil dadurch die Energie der Empfindung in uneingeschränktes Bewusstsein zerstreut wird. Das ist der Unterschied zwischen der Stärkung eines Objekts im Bewusstsein und dem Auflösen des Objekts im Bewusstsein.
Vergleichbar ist das mit dem Festhalten am Mantra auf der Oberfläche in der tiefen Meditation, gegenüber zuzulassen, dass es immer verschwommener und undeutlicher wird. Genauso ist es vergleichbar mit dem Festhalten an einem Sutra auf der Oberfläche beim Samyama gegenüber dem Loslassen in die Stille.
Es ist bei dieser Angelegenheit wichtig, den Unterschied zwischen dem Fokussieren (Festhalten) gegenüber dem Bezeugen (Erlauben) herauszustellen. Das wertvollste Tun liegt im Nicht-Tun – ein einfaches Zur-Kenntnis-Nehmen, ohne etwas zu tun.
Die Zeugenschaft mag etwas problematisch sein, solange die innere Stille noch nicht bis zu einem gewissen Maß vorhanden ist, weil davor alle Aufmerksamkeit die Tendenz hat, festzukleben (sich mit den Objekten der Wahrnehmung zu identifizieren). Kommt aber die innere Stille, um zu bleiben, beginnt der Prozess der Zeugenschaft langsam die Führung zu übernehmen und Ungleichgewichte wie auch Blockierungen lösen sich viel leichter dadurch auf, indem wir lediglich unserer Aufmerksamkeit erlauben, bei ihnen zu verweilen. Auf dem Weg der Erfahrung von mehr bleibender innerer Stille können wir intellektuell den Unterschied zwischen der Konzentration und dem Bezeugen (erlauben) beim Umgang mit Ungleichgewichten verstehen, während wir weiter zweimal täglich meditieren.
Wir haben da ein Verfahren für die Auflösung von starken Sinneseindrücken, die während der tiefen Meditation auftreten können, falls derartige Sinneseindrücke uns davon abhalten, das Mantra locker und leicht aufzugreifen (vergleiche Lektion 15). Dies ist eine Anwendung, die der Aufmerksamkeit locker und leicht erlaubt, zu einem Bereich des Unbehagens im Körper gezogen zu werden, ohne zu fokussieren. Das kann mit einem starken Gefühl beginnen, das uns während der Meditation überwältigt. Geschieht dies, können wir unsere Aufmerksamkeit locker und leicht bei dem verweilen lassen. Das wird zu einer physischen Sinnesempfindung im Körper führen, der wir genauso erlauben können, in unserer entspannten Aufmerksamkeit zu bleiben. Tun wir dies, werden wir feststellen, dass sowohl das emotionale Gefühl wie auch die physische Sinnesempfindung schwächer werden. Hat das einmal für uns soweit nachgelassen, dass wir locker und leicht zum Mantra zurückkehren können, dann tun wir das. Dieses Verfahren ist eine direkte Anwendung innerer Stille (Zeugen), die wir in der stillen Meditation kultiviert haben.
Finden wir zu mehr bleibender innerer Stille in den täglichen Aktivitäten, kann man dasselbe Verfahren mit guter Wirkung ebenso in Phasen von emotionalem Stress und körperlichem Unbehagen anwenden. Mit der Zeit wird unser inneres Fundament von reinem Glückseligkeitsbewusstsein so vorherrschend werden, dass die unvermeidlichen Höhen und Tiefen unseres Lebens in der unendlichen Bewusstheit aufgesogen werden, sobald wir nur Notiz davon nehmen. Die einfache Handlung des Wahrnehmens wird die Disharmonie auflösen. Das bedeutet nicht, dass alle körperlichen Leiden wie durch ein Wunder verschwinden (obwohl das in der Tat manchmal der Fall sein kann). Es heißt nur, dass die Identifizierung unserer angeborenen Bewusstheit, die uns an die auftretenden Schiefstellungen in unserem Leben fesselt, sehr viel geringer wird. Wir werden uns in einer weit besseren Situation wiederfinden, mit allem umzugehen, was uns auf unserem Weg begegnet. Was im Augenblick aufgelöst werden kann, wird aufgelöst. Durch den Rest navigieren wir weiter in der Stille. Wir nennen dies „Stille im Handeln“.
Den anderen Ansatz, mit Absicht die Aufmerksamkeit auf die Energieungleichgewichte und Blockierungen zu fokussieren (konzentrieren) und zu versuchen, sie auf irgendeine Weise in den Griff zu bekommen, wird im Rahmen der Fortgeschrittenen Yoga Übungen nicht empfohlen Derartige Anstrengungen werden die disharmonischen Energien genauso oft verstärken, wie sie sie auflösen. Raten wir also dazu, sich nicht zu sehr auf Energieungleichgewichte und Blockierungen zu konzentrieren, wollen wir damit vermeiden, sie zu verstärken. Der Gebrauch der Aufmerksamkeit auf diese Weise kann auch zu unnötigen Ablenkungen in den spirituellen Übungen gleicherweise wie im Leben führen. Es ist besser, seine fokussierte Aufmerksamkeit auf Dinge zu richten, die unsere Lebensqualität erhöhen. Bei Dingen, die das nicht tun, wenn sie unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sind wir einfach Zeuge (wir erlauben sie). Den unschuldigen Blick des unendlichen reinen Glückseligkeitsbewusstseins können keine dunklen Schatten überleben. In unserem unbedingten Zustand der bleibenden inneren Stille sind wir genau dieses unendliche reine Glückseligkeitsbewusstsein.
Der Guru ist in dir.
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