Lektion 195 – F&A – Mantra, Gedanken und Aufmerksamkeit

Frage: Im Laufe von 13 Jahren habe ich mit einigen wenigen Mantren Japa praktiziert und diese mehrere Hunderttausend Mal wiederholt. Eines dieser besonderen Mantren ist ‚Om Namo Naaraayanaaya’ – Du kennst das vielleicht als das Mantra, das an Gott Vishnu gerichtet ist. Aufgrund der ständigen Praxis des Mantra-Chantens finde ich ein besonderes Problem in der I AM [AYÄM] Meditation. In dem Augenblick, da ich mit dem I AM beginne, greift mein Verstand, der daran gewöhnt ist, ständig etwas zu chanten, das I AM auf und fährt mit ihm fort. Doch wandert mein Verstand auch in andere Gedanken, wenn er gleichzeitig noch das ‚I AM’ weiterchantet. Sollte ich das jetzt so bewerten, dass mein Verstand beim I AM ist, weil er es chantet (oder) sollte ich es so ansehen, dass mein Verstand vom I AM abgekommen ist, weil er mit anderen Gedanken beschäftigt ist? Falls ich es als eine Abweichung meines Verstandes vom I AM betrachten soll und ihn deshalb zurückbringen sollte, was sollte mein Verstand denken? Du hast gesagt, ich solle nicht an die Bedeutung des I AM denken. An was sonst sollte ich denken, da mein Verstand bereits I AM chantet? Was meinst Du genau damit, wenn Du sagst: ‚Meditiere über den Klang von I AM’?

Antwort: Das Mantra und Gedanken können im Geist gleichzeitig vorhanden sein. Das Mantra kann weitergehen, auch wenn wir über etwas anderes nachdenken. Wird das Mantra im Hintergrund wiederholt, während wir unsere Einkaufsliste zusammenstellen, ist das dann Meditation? – Nicht, wenn wir bewusst die Lebensmittel ständig dem Mantra vorziehen. Läuft das Mantra im Verstand wie ein Motor, ohne dass wir es mit unserer Aufmerksamkeit begünstigen, ist das keine tiefe Meditation. Bei der Meditation geht es um die Favorisierung des Mantras mit unserer Aufmerksamkeit, nicht um die automatische Wiederholung des Mantras, während wir auf andere Dinge fokussieren. Wir wollen das lockere und leichte Zurückbringen unserer Aufmerksamkeit zum Mantra, sobald wir erkennen, dass unsere Aufmerksamkeit vom Mantra abgekommen ist, automatisieren. Haben wir also Gedanken und das Mantra zur selben Zeit am Laufen, wird die Meditation nicht durch das Da-Sein des Mantras, sondern durch unser Favorisieren mit unserer Aufmerksamkeit bestimmt. Andere Gedanken können immer noch da sein, wenn wir das Mantra favorisieren. Das macht nichts aus. Die Aufmerksamkeit ist es, die für den Charakter des Prozesses ausschlaggebend ist. Sind wir gewohnt, das Mantra mit unserer Aufmerksamkeit zu favorisieren, sobald wir erkennen, dass wir das nicht getan haben, ist das richtige Meditation.

Das sollte Deine Frage, was man denken solle, während man das Mantra im Inneren „chantet“, beantwortet haben. Es ist nicht wichtig, wie oft wir das Mantra im Inneren wiederholen. Tiefe Meditation ist kein mentales Chanten. Es ist ein Prozess, der die Aufmerksamkeit und das Mantra zusammen nutzt, um damit einen Zustand im Verstand herzustellen, der es diesem erlaubt, in die Stille zu gehen. Wenn man nur gewohnheitsgemäß das Mantra innerlich im Hintergrund chantet und gleichzeitig mit der Aufmerksamkeit alle möglichen Arten mentaler Geschäfte verfolgt, ist dies keine tiefe Meditation. In tiefer Meditation dient die Aufmerksamkeit der Favorisierung des Mantras. Etablieren wir dies als einen Prozess während der festgesetzten Meditationszeit, verblasst und verfeinert sich das Mantra immer mehr und immer wieder. Auf jeder Gedankenebene, auf der wir uns wiederfinden, kommen wir mit unserer Aufmerksamkeit zurück und favorisieren das Mantra auf dieser verschwommenen Reise der Verfeinerung. Bevor wir es wissen, hat unsere Aufmerksamkeit kein Objekt mehr – nicht einmal mehr das Mantra ist dann da. Dies ist ein sehr angenehmes Gefühl. Das ist Samadhi, das achte Glied des Yoga. Kommt es dazu, wird das Atmen feiner, der Stoffwechsel verlangsamt sich und Blockierungen in unserem gesamten Nervensystem werden von innen heraus aufgelöst. Es ist innere Stille (reines Glückseligkeitsbewusstsein), in die wir in tiefer Meditation gehen. Alle guten Wirkungen gehen davon aus und es geschieht durch einen Prozess der lockeren und richtigen Steuerung unserer Aufmerksamkeit in der Meditation.

Frage: Ich zweifle ein wenig: Du hast in Deinen Lektionen erwähnt, dass der bloße Klang von I AM [AYÄM] die Hindernisse im Nervensystem beseitigt. In späteren Lektionen hast Du auch ausgeführt, dass der Klang I AM am dritten Auge seinen Anfang nimmt und den ganzen Weg hinunter durch die Wirbelsäule bis zum Perineum geht. Wenn das der Fall ist, sollte die Reinigung mit oder ohne Aufmerksamkeit stattfinden, solange der I AM-Klang im Verstand da ist, oder? Über die Reinigung hinaus, die auf den Klang zurückzuführen ist, gibt es da noch mehr Reinigung, die auf den Part der Aufmerksamkeit zurückgeht?

Antwort: Betrachte das Mantra als Werkzeug. Haben wir einen Hammer und tragen wir ihn alle Zeit mit uns, wird er für uns ein Haus bauen? Natürlich nicht. Es ist etwas mehr vonnöten. Wir müssen den Hammer mit etwas Fertigkeit in Einsatz bringen. Ein Hammer hat überhaupt keinen Zweck, wenn er nicht mit etwas Können eingesetzt wird.

Ich weiß, dass das vielleicht dem Verständnis vieler widerspricht, die den Mantren magische Kräfte und all das zusprechen. Gut, verschiedene Klänge hallen im Nervensystem auf verschiedene Weise wider. Deshalb haben auch verschiedene Mantren verschiedene Wirkungen. Doch bleiben sie immer noch nur Werkzeuge und werden nicht viel bewirken, wenn sie nicht mit etwas Geschick eingesetzt werden. Das Mantra kann als Werkzeug benutzt werden, den Verstand und Körper zur Stille zu führen. Dazu benötigt man eine Methode der besonderen Nutzung von Aufmerksamkeit zusammen mit dem Mantra. Wenden wir diese an, steht die Aufmerksamkeit wiederholt alleine, ohne irgendein Objekt, auch ohne das Mantra, da. Dann ist man so still, wie man werden kann und dann lösen sich die inneren Blockierungen in diesem Zustand der tiefen Stille in unserem Nervensystem auf. Sobald die Blockierungen verschwinden, bleibt die innere Stille mehr und mehr auch während unserer täglichen Aktivitäten bei uns.

Das ist der Grund, warum wir eine besondere Vorgehensweise benutzen. Das Mantra alleine, ohne korrekte Anwendung der Aufmerksamkeit, ist wie ein Hammer, dem der Zimmermann fehlt. Du bist der Zimmermann!

Der Guru ist in Dir.

Über den Autor

Yogani

Yogani ist ein anonymer US Amerikaner, der 2003 begann, im Internet sein spirituelles Wissen in Form von Lektionen zu veröffentlichen und damit auf einen großen Kreis Interessierter weltweit traf. Im Laufe der Jahre entstand Daraus eine umfassende Bibliothek zu allen Aspekten des Yoga. Inzwischen gibt es viele Übersetzungen in andere Sprachen. Die Lektionen sind immer noch kostenlos abrufbar. Heute gibt es auch Bücher, Hörbücher, Ebooks und im Englischen eine PLus-Mitgliedschaft sowie ein gut besuchtes Forum.

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