Lektion 143 – Kinnpumpe – Auswirkungen auf den unteren Teil des Körpers
Wir haben die Kinnpumpe (das dynamische Jalandhara) als eine „zielgerichtete“ fortgeschrittene Yoga-Übung erörtert. Sie fokussiert vor allem auf die Öffnung der Prana-Kanäle, die in beide Richtungen zwischen dem Brusthohlraum und dem Kopf verlaufen. Doch es steckt noch viel mehr dahinter.
Alle Yoga Übungen sind miteinander verknüpft. Manchmal können wir die bestehenden Verbindungen sehen (oder fühlen). Andere Male sind die Verbindungen nicht so offensichtlich. Es hängt davon ab, wie viel Reinigung wir in unserem Nervensystem kultiviert haben. Je mehr Reinigung da ist, desto wahrnehmbarer werden die Verbindungen sein.
In Lektion 91 zu Yoni Mudra Kumbhaka haben wir die statische Version von Jalandhara eingeführt. Dabei lässt man das Kinn nur nach vorne in Richtung Brust bis zur angenehmen Grenze fallen und es dort während Kumbhaka (Atemrückhaltung) ruhen. Wir haben erwähnt, dass Jalandhara den Wirbelsäulennerv auf seiner gesamten Länge vom Punkt zwischen Augenbrauen bis ganz hinunter zur Wurzel am Perineum streckt.
Die Kinnpumpe weitet diesen Streckeffekt für den Wirbelsäulennerv ein ziemliches Stück aus. Auch die Rotation des Kopfes wirkt auf den Wirbelsäulennerv bis ganz hinunter zur Wurzel und zwar in einer viel anregenderen Weise. Der Effekt ist ein leichtes Verdrehen des Wirbelsäulennervs von oben bis unten. Mit dem Anwachsen der ekstatischen Leitfähigkeit im Wirbelsäulennerv wird dieses Verdrehen auch noch ekstatisch und spielt eine bedeutende Rolle in der Vereinigung reinen Glückseligkeitsbewusstseins (Shiva) mit göttlicher Ekstase (Shakti) im Herzen und im gesamten Körper.
Die Kinnpumpe reift mit der Zeit aus und es kommt zu einer natürlichen Koordination mit allen Mudras und Bandhas im Körper. Am Ende gibt es nur noch ein subtiles „Ganzkörper“-Mudra, das sich aus all den Teilen zusammensetzt, die wir im Augenblick eins nach dem anderen lernen. Jedes einzelne Element ist zu Beginn „klobig“ und wird später subtil, geschmeidig und intim miteinander verknüpft, sobald die unendliche ekstatische Glückseligkeit in uns geboren ist und vom Körper ausstrahlt. Die Kinnpumpe trägt zu dieser Verfeinerung bei. Später in den Übungen, wenn der Kopf bereits zum Stillstand gekommen ist, wird das spirituelle Verdrehen innen um das Zentrum des Wirbelsäulennervs herum trotzdem noch weitergehen und göttliche Energien in alle Richtungen aussenden. Mach Dir aber keine Sorgen, Du wirst es dann gar nicht mehr merken. Niemand wird es merken, wenn er Dich anschaut, außer, dass er das glühende Lächeln auf Deinem Gesicht wahrnimmt und die Lust, sich in Deiner Nähe aufzuhalten. Eine schlichte Absicht Deinerseits wird genügen, die spirituellen Ströme in Bewegung zu setzen. Dann wirst Du die ekstatischen Energien quirlen, ohne Deinen Kopf überhaupt zu bewegen.
Neigst Du dazu, das innere spirituelle Quirlen äußerlich zu manifestieren, kannst Du die wirbelnden Derwische aufsuchen und die ganze Nacht durchtanzen. Viele spirituelle Rituale und Tänze gehen auf unser inneres spirituelles Quirlen zurück. Für einige ist es etwas Natürliches, das innere Licht offen zu zelebrieren. Andere bevorzugen es, ruhig dazusitzen und in einer ekstatischen inneren Träumerei zu tanzen. Unabhängig von Kultur, Religion oder persönlichen Vorlieben ist es immer derselbe Tanz. Es ist der Tanz des Göttlichen im Inneren.
Hast Du Dich an die Ausführung der Kinnpumpe gewöhnt, wirst Du merken, dass viele Dinge geschehen. Die Energie fließt zwischen Herz und Kopf, wie wir das bereits früher erörtert haben. Du wirst auch merken, wie sich das Strecken und Quirlen des Wirbelsäulennervs in die unteren Bereiche des Körpers ausdehnt. Beim Nach-oben-Schwingen Deines Kopfes während der Rotation bemerkst du dann vielleicht in Deinen Knien eine Neigung, sich leicht zu heben und dann wieder abzusenken, sobald Dein Kopf nach Durchlaufen der rückseitigen Rotation zur Brust hinuntersinkst. Später dann fällt Dir vielleicht auf, dass Deine Knie an verschiedenen Stellen der Kinnpumpe leicht nach oben und unten gehen. Eine Art von Koordination zwischen der Rotation des Kopfes und den feineren Bewegungen der Knie wird sich entwickeln.
Was ist das? Es ist der Beginn der Mikrobewegungen des subtilen Nauli, wie es in Lektion 129 erwähnt wurde. Und wozu dient Nauli? Zum Quirlen der Kundalini-Energie nach oben. Da haben wir wieder das Wort „Quirlen (Verdrehen)“. Mit der Zeit schließen sich die Kinnpumpe und Nauli ganz natürlich auf einer Ebene innerer Mikrobewegungen zusammen, um dadurch dieses Quirlen des Wirbelsäulennervs zu unterstützen. Dies wird sichtbar, sobald unsere Kinnpumpe Fortschritte macht und die Beine, Hände und Bauchmuskeln auf natürliche Weise ihren Weg in die Übung finden. Versuche nicht, dies alles gleich in der Anfangsphase zusammenzubringen. Sei Dir dessen nur bewusst. Es ist nicht in erster Linie eine physische Handlung. Es ist die Reaktion des Körpers auf die Bewegung der ekstatischen Energie im Wirbelsäulennerv. Ekstatische Leitfähigkeit ist die Grundvoraussetzung für alle natürlichen Verbundenheiten zwischen den Übungen.
Das Aufkommen dieser feinen Bewegungen während der Kinnpumpe verleiht auch dem Siddhasana einen neuen Schub, macht es subtil dynamisch und sogar noch köstlicher. Du kannst dir denken, dass Mulabandha, Sambhavi und Kechari schließlich auch noch ins Spiel kommen. Diese alle sind Techniken, die verschiedene Aspekte unseres Nervensystems stimulieren. Das Nervensystem bildet eine Einheit und früher oder später gehen alle Übungen in eine einzige viel-dimensionale Handlung ein, die Ausdruck dieses Nervensystems ist. An diesem Punkt sind nicht länger wir die Impulsgeber – Gott ist es. Darum geht es im Yoga, dass wir zu dem werden, was wir sind – das Tor zu unendlicher Glückseligkeit, Ekstase, Liebe und Freude.
Der Guru ist in Dir.
Neueste Kommentare