Lektion 202 – F&A – Freie Form vs. strukturierte Übungen

Frage: Ich liebe es sehr, deine Lektionen zu lesen, auch wenn ich es noch nicht geschafft habe, sie mir alle vorzunehmen. Doch ich drucke sie aus und werde noch dazu kommen.

Die meisten Übungen, von denen du geschrieben hast, scheinen bei meinen Meditationen im Laufe der Zeit spontan aufzutreten. Ich mache keine davon bewusst, habe jedoch diese Energie, die mich fast augenblicklich überkommt, sobald ich mich auf mein Meditationskissen setze. Ich überlasse mich ihr einfach und erlaube ihr, mich auf ihrem Weg mitzunehmen. Ich habe gelernt, mich mit Vertrauen und Dankbarkeit einfach hinzugeben.

Vor vier Jahren habe ich am 10. Tag des Vipassana-Stille-Meditations-Retreats eine tiefgehende Kundalini-Öffnung erfahren. Seither meditiere ich jeden Tag, üblicherweise für eine Stunde, allerdings in der Regel nur einmal am Tag.

Ich musste lernen, mit dieser neuen Energie, die außer Kontrolle geraten war und zunächst vollständig Kontrolle über meinen Körper ergriffen und mir verschiedene Probleme bereitet hatte, umzugehen. Ich musste lernen mich zu erden, mich zu schützen und auch lernen, auf eine neue Art zu funktionieren. Es kam zu vielen tiefgreifenden Erfahrungen während dieses anhaltenden Prozesses. Ich habe gelernt, einfach darauf zu vertrauen, dass ich gereinigt werde.

In meine tägliche Routine habe ich mehrere Techniken aufgenommen. Ich nutze Weihrauch, weil ich ihn gern habe und ich höre oft Sanskrit-Chants, während ich meditiere, doch fühlt es sich in Wirklichkeit mehr so an, als würde ich „gemeditiert“. Manchmal wiederhole ich Gesänge in meinem Kopf; ich habe festgestellt, dass das längere „SHREE OM I AM“ für mich besser funktioniert, als das einfache „I AM“. Doch erlösche ich oft einfach ins Nichts.

Meine Frage bezieht sich auf meine Übungsroutine. Sie scheint für mich zu funktionieren. Beim Lesen deiner Lektionen erkenne ich manchmal die Techniken, von denen du sprichst, als etwas, das mir irgendwann während meiner Meditationen widerfahren ist. Da das, was ich mache, ganz gut läuft, frage ich mich, ob es mir helfen würde, mich auf eine bewusstere Art und Weise mit den Techniken zu befassen?

Ich fühle mich oft so, als sei ich nur der Zeuge von dem, was in meinem Körper abläuft. Ich gebe mich einfach hin und beobachte. Ich werde zum Zeugen und urteile nicht, ich lasse ganz einfach los. Manchmal nehme ich eine tiefe Leere wahr, manchmal sind da viele Gedanken, Farben, Lichter, Visionen usw. Ich habe ein Gefühl, als hätte sich die Energie durch meinen Körper bewegt und mich dabei geheilt und Blockaden ausgeräumt. Manchmal kam es auch zu vielen Regungen des Körpers, was beizeiten auch mit Schmerzen verbunden war. Doch das lasse ich ohne weiteres geschehen. Oft mache ich spontan verschiedene Yoga-Stellungen oder Mudras. Es gab Zeiten, da ich eine ganze Stunde nur weinte und mir nicht einmal im Klaren darüber war, warum. Das fühlt sich immer wie eine fürchterliche Erleichterung an und ich fühle mich danach wundervoll. Ich fühle mich, als würde ich leichter und leichter werden. Ich reagiere auf Energie sehr sensibel und empathisch und bin noch dabei zu lernen, wie man am besten mit solchen Dingen umgeht. Es war immer und bleibt auch weiterhin eine Reise.

Hast du irgendwelche Anmerkungen oder Vorschläge? Mir helfen deine Lektionen sehr.

Antwort: Danke für deine freundliche Notiz. Das schätzen wir sehr.

Es hört sich an, als machtest du gute Fortschritte und dass alles reibungslos abläuft (wundervoll!). Wer bin ich also, dir dazu Vorschläge für Änderungen zu unterbreiten? Es scheint, als würde dir die Reise Spaß machen und so sollte es auch sein.

Andererseits erzielt man mit Meditation und anderen Übungen die effektivsten Ergebnisse, wenn man die angewandte Technik für eine festgesetzte Zeit favorisiert. „Effizienz“ bedeutet hierbei: maximaler Fortschritt mit den geringsten Unbequemlichkeiten. Dafür muss man schon etwas tun und ich bin mir nicht sicher, ob dies ohne eine irgendwie geartete Bemessung von Übungen erreicht werden kann.

Ein strukturiertes Programm von Übungen mag als restriktiv erscheinen, wenn man schon lange die Gewohnheit einer freien Herangehensweise pflegt. Struktur hat aber dennoch seine Vorteile. Sie hält uns auch dann auf Kurs, wenn Einflussfaktoren zum Tragen kommen, die das Zeug haben, uns abzulenken. Sie hält uns davon ab, uns selbst damit zum Narren zu halten, anzunehmen, dass wir spirituell üben, wenn wir uns vielleicht nur im Lehrlauf drehen. Struktur ist ebenfalls sinnvoll, wenn wir eine Integration kraftvoller fortgeschrittener Übungen nutzen, die eine Menge ekstatischer Energien durch unser Nervensystem bewegen. Man übertreibt leicht. Wird so viel Ekstase generiert, schießt man schnell über das Ziel hinaus und dann brauchen wir eine Methode, unsere Übungen so abzumessen, dass sie optimal angewandt werden und zu behaglichen Ergebnissen führen. Dann wird es wichtig, bei jeder Anwendung die Uhr einzusetzen. In den Lektionen findet sich eine Vielzahl von Beispielen, die die Bedeutung von Selbstabstimmung unterstreichen. Selbstabstimmung ist für die meisten Menschen in dieser Gruppe ein wichtiger Bestandteil der Übungspraxis. Ohne eine vorsichtige Selbstabstimmung hätten wir hier Leute, die an dieser und an jener Stelle ausbrennen. Sogar mit Selbstabstimmung wird es manchmal ein bisschen haarig.

Die Frage ist also, wie schnell du vorwärts gehen und dabei noch sicher (und gesund) unterwegs sein möchtest.

Vielleicht ist für dich ein Kompromiss am besten. Bestimmte Übungen könntest du vielleicht nach der Uhrzeit ausführen, ein anderer Teil deiner Routine könnte in der freien Form bleiben. Wenn du ab und zu die Erfahrung von heiklen Emotionen machst, die auf ein inneres Energieungleichgewicht hindeuten, könnte eine konstante Dosis von Wirbelsäulenatmung für dich besonders segensreich sein.

Jeder entscheidet selbst darüber, wie schnell und reibungslos er vorankommen will.

Der Guru ist in dir.

Über den Autor

Yogani

Yogani ist ein anonymer US Amerikaner, der 2003 begann, im Internet sein spirituelles Wissen in Form von Lektionen zu veröffentlichen und damit auf einen großen Kreis Interessierter weltweit traf. Im Laufe der Jahre entstand Daraus eine umfassende Bibliothek zu allen Aspekten des Yoga. Inzwischen gibt es viele Übersetzungen in andere Sprachen. Die Lektionen sind immer noch kostenlos abrufbar. Heute gibt es auch Bücher, Hörbücher, Ebooks und im Englischen eine PLus-Mitgliedschaft sowie ein gut besuchtes Forum.

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