Lektion 221 – F&A – Erweiterung des Herzraums

Frage: Was du zur Herzatmung gesagt hast (Lektion 220), gefällt mir wirklich sehr gut. Ich habe gute Erfahrungen mit der Wirbelsäulenatmung gemacht, seit ich vor 6 Monaten mit ihr angefangen habe, und dies fügt dem noch eine neue Dimension hinzu. Mit regelmäßiger Wirbelsäulenatmung fühle ich mich oft, als würde ich mich im Innern in einen endlosen Weltraum öffnen. Manchmal ist dies nur eine freudevolle Leere. Andere Male gibt es da sehr vergnügliche Klänge wie ein plätschernder Bergstrom, Kirchenglocken oder Musik, wie ich sie noch nie durch meine physischen Ohren gehört habe. Manchmal gehören dazu goldene oder vielfarbige Lichter – manchmal auch überhaupt kein Licht. Ich weiß nicht, wo das alles herkommt. Doch normalerweise dehnt es sich aus und ist sehr, sehr angenehm. Dieser Raum scheint sich in meinem Herzen zu befinden, doch unendlich viel größer zu sein als mein physischer Körper. Ich habe die Herzatmung die letzten paar Tage am Ende meiner Übungen ausprobiert. Obwohl ich mich nicht für sehr religiös halte, wurde ich christlich erzogen und stellte mir vor, ich würde Christus durch mein drittes Auge in mein Herz einatmen und beim Ausatmen alle Unreinheiten, die sich dort drin befinden, nach oben und durch das Auge mit hinausgehen lassen. Gut, der innere Weltraum wird mit riesigen Wellen von Liebe und Mitgefühl sowie einem Sinn unbeschreiblicher Stärke und Sinnhaftigkeit immer lebendiger. Das ist schon erstaunlich. So laufe ich auch immer herum, wenn ich die Übungsroutine gemacht habe. Ist das Jesus Christus in meinem Inneren? Oder ist es etwas anderes? Was immer es ist, ich will mehr davon.

Antwort: Was für eine schöne Erfahrung. Es ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie die Wirbelsäulenatmung in Verbindung mit tiefer Meditation und anderen Übungen das Herz als Teil der allgemeinen Reinigung des Nervensystems öffnet.

Dies ist der „Weltraum im Herzen“, in den wir eintreten, wenn unser Nervensystem sich öffnet und unsere nach innen gerichtete Sinnlichkeit beginnt sich auszuprägen. Das Sanskritwort für das Herz-Chakra ist „Anahata“, was so viel wie „Klang, der nicht angeschlagen wurde“ bedeutet. Sinnliche Erfahrungen stellen sich im Herzraum aus dem Nichts heraus ein und können überall im Inneren gleichzeitig wahrgenommen werden. Diese Klänge sind „nicht angeschlagen“ und die inneren Lichter sind „nicht angezündet“. Was sich im Herzweltraum befindet, ist einfach, als ob es kein Gesetz von Ursache und Wirkung gäbe – nur eine Ausstrahlung der Eigenschaften reinen Glückseligkeitsbewusstseins, das unerschöpflich aus dem Inneren hervorquillt und sich in unserer verfeinerteren Wahrnehmung bemerkbar macht – eine ewige Quelle von Glückseligkeit in uns.

Dadurch, dass wir mit der Herzatmung ein Einflussobjekt wie unser Ishta (gewähltes Ideal) in unseren Herzraum einladen, wird dieser entsprechend unserer Offenheit und unserem Hang zur Wahrheit und Harmonie angefüllt. Wir alle wissen, dass im täglichen Leben positive Absichten (und Gewohnheiten) unseren Herzraum ausdehnen und uns aufleben lassen. Negative Absichten (und Gewohnheiten) dagegen verengen unseren Herz-raum und töten uns ab. Mit fortgeschrittenen Yoga-Übungen arbeiten wir daran, unser Nervensystem auf viel tieferen Ebenen als normal zu öffnen – so tief, dass unsere Erfahrungen in die himmlischen Regionen, die alle in uns verborgen liegen, hineinreichen. Dort werden die negativen Absichten (und Gewohnheiten) von der reinen Liebe unserer aus dem inneren hochsteigenden göttlichen Eigenschaften aufgeschmolzen, wodurch die Erfahrungen von Herzverengung immer weniger werden, auch wenn wir uns unseren Weg durch diese physische Welt bahnen, in der nichts von Dauer ist. Je mehr wir uns mit demjenigen in uns identifizieren, das die ganze Glückseligkeit beinhaltet und nicht hinwelkt, desto weiter dehnen wir unser Bewusstsein aus.

Besitzen wir einen religiösen Hintergrund und sind wir geneigt, ein Ishta aus unserer Tradition zu nutzen, kann das mit der Herzatmung sehr viel für uns bewirken. Genauso gut wirkt es aber für jeden, der sich ernsthaft nach der Wahrheit sehnt und dafür irgendeine Tradition oder ein Glaubenssystem zu Hilfe nimmt. Denn es sind die hingebungsvollen Gefühle für unser Ideal, die die Reinigung und Öffnung in unserem Herzen anregen. Unsere Hingabe/unser Bhakti ist es ja auch, das all unsere Übungen durch das In-Verbindung-Stehen des Yoga hervorbringt, wie dies in früheren Lektionen erörtert wurde.

Es gibt hierzu eine interessante Anbindung an die Samyama-Übung, in die in Lektion 150 eingeführt wurde. Die Ausdehnung des Weltraums in unserem Herzen entspricht der Ausdehnung unserer inneren Stille. Wir wissen, dass innere Stille (die wir in der Meditation kultivieren) der riesige Speicher göttlicher Kraft ist, in den wir uns mit unseren Sutren in der Samyama-Übung tragen lassen. Indem wir dies tun, kultivieren wir die Ausdehnung unserer inneren Stille entsprechend der ausgewählten Sutren in viele Richtungen. Dies ist genauso eine Ausdehnung unseres Herzraumes. Mit unserer Routinepraxis regen wir die Ausdehnung unseres Weltraums im Herzen auf viele Weisen an. Obwohl wir das Herz in den Lektionen nicht oft erwähnen, bildet es das Zentrum all dessen, was wir in den Fortgeschrittenen Yoga Übungen tun. Dieses örtlich begrenzte Energiezentrum, das wir als „Herz“ bezeichnen, wird schließlich zu ALLEM.

Die Herzöffnung ist der Weg, durch den sich unsere innere Stille, unsere innere Sinnlichkeit und ekstatische Glückseligkeit allmählich ausdehnen, um unsere gesamte Umgebung in der physischen Welt zu umfassen. Dann erfahren wir die gesamte Welt auf dieselbe Weise durch unsere Sinne, wie wir den Herzraum in diesen ersten Stadien der inneren Ausdehnung erfahren, so wie du dies beschrieben hast. Schließlich ist die gesamte Welt in unserem eigenen sich ausdehnenden Herzen enthalten. Das, was außerhalb von uns ist, wird zu unserem Inneren und unser Inneres wird zu unserem Äußeren – ein göttliches Paradox. Das ist Vereinigung – Einheit. Wenn wir dann von unserem Herzraum aus ausatmen, reinigt das die gesamte Welt.

Diese Erfahrung kann als ziemlich mystisch erscheinen. Doch hat sie ihre Wurzeln in der neurobiologischen Transformation unseres Nervensystems, das wir durch unsere täglichen Übungen kultivieren. Dafür sind wir verdrahtet. Wir sind alle Mystiker im Entstehungsprozess.

Der Guru ist in dir.

Über den Autor

Yogani

Yogani ist ein anonymer US Amerikaner, der 2003 begann, im Internet sein spirituelles Wissen in Form von Lektionen zu veröffentlichen und damit auf einen großen Kreis Interessierter weltweit traf. Im Laufe der Jahre entstand Daraus eine umfassende Bibliothek zu allen Aspekten des Yoga. Inzwischen gibt es viele Übersetzungen in andere Sprachen. Die Lektionen sind immer noch kostenlos abrufbar. Heute gibt es auch Bücher, Hörbücher, Ebooks und im Englischen eine PLus-Mitgliedschaft sowie ein gut besuchtes Forum.

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