Lektion 260 – Der Unterschied zwischen Erleuchtung und Vollkommenheit

Frage: Zur Erleuchtung kommt bei mir eine Frage auf und dieses besondere Thema finde ich sehr interessant.

Vor einigen Jahren hätte ich gesagt, dass einige Gurus nicht ‚erleuchtet’ sind, weil sie solche Vorurteile gegen andere Kasten hegen. Doch wahrscheinlich habe ich ‚erleuchtet’ mit ‚vollkommen’ oder ‚immer richtig’ verwechselt.

Mein neuerer Ansatz ist der, dass ich nicht mehr annehme, sie seien nicht erleuchtet, sondern vielmehr einfach nüchtern sage, dass sie einen großen Fehler begangen haben. Ich spreche dann über diesen Fehler, stelle ihn heraus und versuche in einem weiteren Schritt den Grad der Erleuchtung für Leute zu bestimmen, denen daran gelegen ist, über diese Gurus zu reden.

So viel Mist kommt da heraus, wenn man ‚erleuchtet’ mit ‚vollkommen und immer richtig’ verwechselt. Dieser Fehler hat eine Auswirkung auf die Art, wie wir Erleuchtung sehen, nach was wir suchen, wenn wir danach suchen, wie unsere Erwartungen aussehen, wie wir ‚Gurus’ sehen, wie wir uns zu ihnen in Beziehung setzen und auf all das Zeug, das mit Gurus immer im Schwange ist, gefallene Gurus, Kulte und all dies die Jahre hindurch. [Anmerkung des Übersetzers zu Kult: Im Englischen unterscheidet man zwischen Religion, Sekte und Kult, was sehr sinnvoll ist. Dabei versteht man unter Kult das, was man gemeinhin mit der negativen Verwendung von Sekte im Deutschen meint. Sekte bezeichnet als neutraler Begriff nur eine Abspaltung oder einen Teil von etwas Größerem, hier einer Religion, ohne dass damit gleich die negativen Auswüchse gemeint sind, zu denen es in manchen Sekten kommt. Deshalb verwende ich hier ebenfalls Sekte als wertfreien Begriff und Kult bezeichnet Auswüchse, die unsere Gesellschaft verurteilt]

Antwort: Du bringst ein sehr wichtiges Thema zur Sprache: Als was sollen wir unsere spirituellen Lehrer ansehen? Das Problem der Erleuchtung oder Vollkommenheit ist eine von mehreren Gründen, warum ich mich dafür entschieden habe, ein anonymer Nicht-Guru zu bleiben – um die Aufmerksamkeit auf das Wissen über Übungen zu lenken, anstatt auf den Übermittlungskanal.

Natürlich ermuntern uns viele der berühmten Lehrer (und Berühmtheiten im Allgemeinen), dass wir von ihnen Vollkommenheit erwarten. Dies liegt in der menschlichen Natur. Das Guru-System ist ein glänzendes Beispiel dafür. Aber letztendlich führt es sich in diesen Zeiten des freien Informationsflusses, in denen nur wenig verborgen bleiben kann, selbst ad absurdum. Immer wieder haben wir miterlebt, wie die Unvollkommenheiten „erleuchteter“ Gurus bloßgestellt wurden.

Es gibt einen Unterschied zwischen Erleuchtung (im Licht) und Vollkommenheit (immer richtig). Das Erste ist Wirklichkeit, das Zweite Illusion.

Gibt es da einen Zusammenhang zwischen der Erleuchtung und der Richtigkeit in der Vision? Auf jeden Fall. Doch das Zustandekommen des vollkommenen Ausdrucks des Göttlichen ist ein Prozess, zu dem auf dem Weg auch Fehltritte gehören können. Wenn wir dem Licht folgen, folgen wir vielleicht nicht einer geraden Linie. Auch wenn das Licht hell leuchtet, können wir stolpern und fallen und das manchmal aufgrund des Lichts selbst. (Ramakrishna war berühmt dafür, dass er während seiner ekstatischen Träumereien hinfiel und sich verletzte. Andere Gurus haben viel größere Fehler begangen und in manchen Fällen damit die spirituellen Möglichkeiten von Millionen begrenzt.)

Anhänger verteidigen die Unvollkommenheiten ihres Gurus oft als Teil des vollkommenen Plans, während diejenigen, die schnell mit einem Urteil zur Hand sind, das Gegenteil behaupten werden. Keiner von beiden hat recht. In dieser irdischen Welt ist alles eine Mischung aus Licht und Schatten. Die Erkenntnis dieser Tatsache ist der Schlüssel fürs Lernen und zur langfristigen Aufrechterhaltung effektiver Yoga-Übungen. Erkennt man das an, erlaubt uns das, engen Kontakt mit den Wissenden und ihrer spirituellen Energie zu halten, ohne dass wir in der Illusionsfalle ihrer Perfektion gefangen werden, wodurch wir dann nur zurückgehalten werden würden. Deshalb legen wir in den Lektionen der Fortgeschrittenen Yoga Übungen so viel Nachdruck auf den Guru im Inneren und dem Erreichen einer Selbstgenügsamkeit in den Übungen. Dadurch verringern wir immer mehr den Einfluss von Illusionen auf unser Leben, wozu auch die Illusion von der Vollkommenheit eines Gurus gehört.

Erleuchtete Gurus machen Fehler. Solange wir von den Erleuchteten Vollkommenheit erwarten, wird die Übermittlung von Wissen durch diese verzögert werden und dies hilft niemandem. Es gibt hier ein göttliches Paradox. Akzeptieren wir die irdischen Unvollkommenheiten der Erleuchteten, erhalten wir von ihnen den größten Gewinn, weil wir sie dann weder verteidigen, noch von ihnen abgestoßen werden.

Die Fortgeschrittenen Yoga Übungen sind der unmittelbaren Wirkung dieser Art der Beziehungsfindung zu einem Guru entsprungen.

Deine innere Weisheit scheint durch auf diesen hier und das ist die Vollkommenheit.

Der Guru ist in dir.

Über den Autor

Yogani

Yogani ist ein anonymer US Amerikaner, der 2003 begann, im Internet sein spirituelles Wissen in Form von Lektionen zu veröffentlichen und damit auf einen großen Kreis Interessierter weltweit traf. Im Laufe der Jahre entstand Daraus eine umfassende Bibliothek zu allen Aspekten des Yoga. Inzwischen gibt es viele Übersetzungen in andere Sprachen. Die Lektionen sind immer noch kostenlos abrufbar. Heute gibt es auch Bücher, Hörbücher, Ebooks und im Englischen eine PLus-Mitgliedschaft sowie ein gut besuchtes Forum.

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