Lektion 333 – Auflösung des Zeugen in der Einheit
Frage: Sind die Zustände des Zeugen und der Leere dasselbe? Bezüglich Leere und Zeuge denke ich, dass ich diesen Zustand vielleicht schon bis zu einem bestimmten Grad erreicht habe, denn ich bin dieser unendliche Raum, wann immer ich bei den Übungen sitze und die Ebenen gehen während der tiefen Meditation von Zeit zu Zeit tiefer und tiefer. Und wenn ich mich bei den täglichen Aktivitäten befinde, bin ich im Hier und Jetzt und mein Verstand ist buchstäblich leer bzw. gedankenfrei und ich kann zum Zeugenzustand Beziehung aufnehmen, wann immer ich das will; und Achtsamkeit sowie plötzliche Augenblicke der Klarheit sind zu etwas geworden, zu was es immer wieder mal automatisch kommt.
Das Sonderbare daran ist, dass ich alles von mir getrennt sehe; sogar meinen Körper sehe ich als getrennt, wenn ich mich in diesem Zustand befinde. Ich sehe die Einheit in dem Ganzen – meinen Körper und seine Umgebung, doch ich sehe mich als Zeuge von dem allen und ich fühle überhaupt keine Einheit damit. Es fühlt sich so an, als sei das wirklich eine Illusion, etwas, das dazu bestimmt ist, mit der Zeit zu verschwinden, doch ich mag nicht, dass es scheinbar ziemlich unromantisch ist.
Dazu kommt mir der Gedanke, dass mein Körper bei meinem Tod geht, und diese Bewusstheit bleibt und das ist großartig. Doch ehrlich gesagt: Obwohl dies ein neuartiger Seinszustand ist, der bis zu einem gewissen Grad schön ist, kann es sehr einsam sein, wenn wir fortfahren, darin gegenwärtig zu sein.
Hat das, was ich erfahre, Ähnlichkeit mit dem ersten Stadium der Erleuchtung oder täusche ich mich da. Vielleicht denke ich ja, etwas erreicht zu haben, obwohl das nur eine spirituelle Übergangsphase ist. Und falls das was Reales ist, soll das so sein?
Antwort: Das hört sich sehr gut an. Falls die Stille (der Zeuge) bleibt, dann ist das wirklich die erste Stufe der Erleuchtung, wie wir das schon im Laufe der Lektionen (siehe Lektion 35) beschrieben haben. Und ja, dieses Gefühl der Trennung wird sich mit der Zeit allmählich auflösen, wenn wir uns weiter zum zweiten (dem ekstatischen) und dritten Zustand (der Einheit) hinbewegen. Ständig weitergehen, ist angesagt. Bleibe aktiv. Engagiere dich ohne Unterlass im Leben. Analysiere sanft dieses Unbehagen und die Einsamkeit, die du gegenüber dem Zeugenzustand in Bezug zu deinem restlichen Leben empfindest. Analysiere auch die Erwartungen, wie die Erwartung, dass Erleuchtung »romantisch« oder nicht einsam sein sollte. Dies sind alles Tricks des Verstandes und keine Selbst-Analyse. Da befinden sich die Türen. Der göttliche Fluss entwickelt sich aus diesen Wehen heraus, sobald du sie loslässt.
Alles Unbehagen oder Erwartungen sind Zeichen unserer noch vorhandenen Trennung, die durch Blockaden in unserem Nervensystem (dazu gehören Körper und Geist) verursacht wurden. Auch der Zeugenzustand selbst ist ein Zustand der Trennung. Nicht noch mehr getrennt, als wir schon immer waren, doch mit viel größerem Bewusstsein davon, weil wir unser göttliches SELBST jetzt im Zeugenzustand erkennen. Und dann ist da noch all das andere, was wir in Zukunft erfahren sollen, das sich ebenfalls in unserem SELBST befindet. Die Zweiheit wird zur Einheit. Der Zeuge gibt uns große vereinigende Kraft, diesen Prozess in unseren täglichen Übungen zu fördern, in der Ausdehnung von ekstatischer Leitfähigkeit und besonders beim Samyama und der beziehungsvollen Selbst-Analyse, die unmittelbar dazu beitragen, den Zeugen in Einheit aufzulösen. Man kann dies auch als eine Auflösung der Welt (unsere fabrizierte Wahrnehmung von ihr) in den Zeugen betrachten. Das ist das Gleiche – ein Vereinigen des SELBST mit allem und von allem mit dem SELBST. Dann verschwindet die Trennung. Wir haben vielleicht immer noch unsere alten Gedanken und Gefühle, doch sie werden uns nicht aus der Einheit herausziehen. Die Befreiung von Gedanken und Gefühlen ist keine Voraussetzung für die Einheit, die Überwindung unserer Identifikation mit ihnen sehr wohl. Das ist das Entscheidende.
Bei der Auflösung des Zeugen in die Einheit gibt es viele Schattierungen. All unsere Haltungen, Erwartungen und Urteile werden davon verschlungen. Dazu kommt es, sobald sich die wahre Nicht-Dualität stabilisiert. Doch unsere Gedanken oder unsere Persönlichkeit verschwinden dadurch nicht. Das ist nicht philosophisch und ist auch keine absolutistische Sichtweise. Das ist eine direkte Erfahrung. Wir müssen daran jedoch bewusst teilnehmen, damit wir das voranbringen. Wie gehen wir da vor? Indem wir eine ernsthafte Beziehung kultivieren zwischen unserer angeborenen Bewusstheit (dem Zeugen, unserem SELBSTt) und allem, was wir sich in unserem Leben abspielen sehen: von Beziehungen zu anderen Menschen bis hin zu unseren tiefgründigen Haltungen und Gefühlen über uns und der um uns herum wahrgenommenen Welt. Wir werden erkennen, dass wir uns in der richtigen Spur befinden, sobald wir fähig sind, jeden unserer Gedanken auf Wahrhaftigkeit hin zu untersuchen und das zu tun, ohne uns damit zu identifizieren, ohne uns davon hypnotisieren zu lassen.
Bedeutet dies, dass wir vorziehen, im Leben passiv zu werden und unfähig zu funktionieren? Muss unser Verstand leer von Gedanken werden und unser Leben ohne effektive Handlungen ablaufen? Nein. Gedanken und Handlungen werden immer da sein. Wir unterdrücken keine Gedanken oder Handlungen, die nur den Umständen gerecht werden, in denen wir uns befinden. Wir lassen nur unsere Identifikation mit ihnen los. Tun wir dies, erheben sich unsere Gedanken und Handlungen, um zu einem göttlichen Fluss zu werden. So entsteht »Karma-Yoga«. Wir können uns dafür entscheiden, aktiv in der Hingabe unserer Geschichten und dramatischen Vorfälle (und unsere Reflexe) an das zu werden, was im Augenblick geschieht, selbst wenn die Geschichten und Dramen sich weiterhin in unserem Kopf abspielen. Das ist in Ordnung. Sie sollen sich nur abspielen. Wir lassen nur in die Stille los und leben unser Leben. Tun wir dies, können wir zu wilden Kriegern des Seins werden.
Es ist annähernd unmöglich, dies ohne den bleibenden Zeugen zu erreichen. Ohne diesen wird nur begrenzter Raum zur Verfügung stehen, in den man hinein loslassen kann und auch kein Beziehungszustand zur Stille, in die man hinein nachforschen, zulassen und sich hingeben kann. Die Beziehung des Zeugen zu unseren Gedanken, Gefühlen und Wahrnehmungen der äußeren Umgebung ist der Entzündungspunkt, an dem unsere Nachforschung Zugkraft gewinnen kann. Wir können loslassen. Dabei kann uns die Gewohnheit von Samyama helfen. Alles muss man frei geben und loslassen. Es ist unmöglich, irgendetwas zu besitzen, nicht einmal einen Gedanken. Die Gedanken werden da sein, doch wir können unser Besitzrecht auf diese aufgeben. Können wir dies mit gutem Gewissen auf dem Wege einer Selbst-Analyse tun und eine bleibende Gewohnheit stellt sich in uns ein, dann entdecken wir, dass sich alles in uns befindet und wir alles besitzen.
Jesus sagt, dass wir sterben müssen, um in diesem Leben neu geboren zu werden. Genau das machen wir. Indem wir alles loslassen, gewinnen wir alles. Das ist ein Paradoxon!
Bleibe aber zur selben Zeit aktiv. Engagiere dich. Deine Unannehmlichkeiten und Erwartungen im täglichen Leben sind deine Lehrer. Wenn du diese akzeptieren kannst, erlaube sie und durchdringe sie, ohne anzuhaften oder zu urteilen, dann ist das die Auflösung des Zeugen in Einheit. Flüchten wir nur in den Zeugenzustand, ohne uns im Leben zu engagieren, werden wir in eine selbstgebaute Falle tappen. Nimm das knifflige Denken nicht so leicht aus der Verantwortung. Gewähre diesem Denken keinen sicheren Landeplatz. Es versucht, ständig eine Identifikation außerhalb der Essenz unseres wirklichen Seins aufrechtzuerhalten. Durch ein furchtloses Beobachten und Auflösen dessen, was wir nicht sind und was nicht die Wahrheit ist, werden wir zu dem, was wir sind. Das geht über unser eingebildetes, egoistisches Selbst unendlich weit hinaus.
Das ist ein bisschen viel verlangt, auch wenn es sich lediglich darum handelt, zu erkennen, dass weniger mehr ist. Es ist etwas, das jeder von uns auf seine eigene Art und Weise angehen wird, entsprechend der natürlichen Neigung unseres Geistes zum jeweiligen Zeitpunkt. Es ist nicht empfehlenswert, diese Aufgabe frontal in Angriff zu nehmen, bevor der bleibende Zeuge beginnt aufzukommen. Genauso wenig ist es empfehlenswert, das über den Punkt hinaus beizubehalten, an dem man den stabilen Lebensstil und die tägliche Praxisroutine wieder aufgegeben hat. Bleibe deshalb bei den Übungen, finde dieine Kante heraus, an der sich der Zeuge und der Rest des Lebens berühren und fahre dort mit der Analyse fort. Falls du mit der Selbst-Analyse im täglichen Leben kämpfst oder wenn du dich mit Apathie im Zeugen suhlst, ist das ein Zeichen der Unausgeglichenheit, zu viel auf der einen oder anderen Seite der Kante. Dann wird es Zeit sein für eine Anpassung – entweder für Selbstabstimmung bei den Übungen oder sich runter vom Sofa zu bewegen, um die Fülle des Lebens zu genießen.
Bezüglich deiner Frage zur Beziehung zwischen Zeugen und Leerheit, möchte ich sagen, dass der Zeuge und die Leere nur zwei Aspekte derselben Sache sind. Der Zeuge bedeutet Bewusstheit mit Objekten. Wie könnte es einen Zeugen geben, ohne etwas, das bezeugt werden kann? Doch Leere kann existieren, ohne die Anwesenheit von Objekten oder auch mit Anwesenheit. Der Zeuge heißt also soviel wie Leere bei Anwesenheit von Objekten.
Dasselbe gilt für das Bewusstsein. Wir nutzen dieses Wort ständig – reines Glückseligkeitsbewusstsein und dergleichen – doch einen Sinn gibt das nur, wenn auch etwas da ist, dessen wir uns bewusst sein können. Bewusstsein ist die Bewusstheit, die sich eines Körpers bzw. eines Gehirns bedient. Jenseits von Körper bzw. Gehirn ist es Leere.
Die Leere ist Bewusstheit ohne Objekte. Da gibt es nichts, dessen man sich bewusst sein könnte. Das ist reines Potenzial (Möglichkeiten), jenseits aller Existenz, die Quelle von allem. Das können wir auch im Körper/Geist sein. Wir sind dies. Es drückt sich durch Körper/Geist aus als Bewusstsein und als der Zeuge und als alles, was wir sehen und tun.
Da stellt sich die Frage, ob es ohne ein Vehikel, ohne einen Körper Bewusstheit geben kann? Ist Leere bewusst? Wie können wir dies wissen? Deshalb nutzen wir das Wort Leere. Bewusstheit in der Leere bleibt als offene Frage stehen. Die Quantenphysik ist in der wissenschaftlichen Forschung ebenfalls an diesem Punkt angelangt. Sieh dich aber um. Die ganze Zeit geschehen Wunder. Warum sollte es also keine ewige Bewusstheit geben? Ich bin dabei, wenn du auch dabei bist.Auf jeden Fall ist jedoch die Bewusstheit im Augenblick. Wir haben sie und wir sind sie. Das wissen wir mit Bestimmtheit. Deshalb schlagen wir vor, dass wir die notwendigen Schritte einleiten, sie in Fülle und Einheit zu leben. Das ist Freiheit. Das ist Befreiung und es befindet sich für alle menschlichen Wesen in Reichweite.Auf jeden Fall ist jedoch die Bewusstheit im Augenblick. Wir haben sie und wir sind sie. Das wissen wir mit Bestimmtheit. Deshalb schlagen wir vor, dass wir die notwendigen Schritte einleiten, sie in Fülle und Einheit zu leben. Das ist Freiheit. Das ist Befreiung und sie befindet sich für alle menschlichen Wesen in Reichweite.
Der Guru ist in dir.
Neueste Kommentare