Lektion 367 – Vorschläge für überempfindliche Meditierende

Einer der großen Vorteile einer frei zugänglichen Quelle für spirituelle Übungen, wie das die Fortgeschrittenen Yoga Übungen sind, ist der, dass sich die Unterschiede in der Resonanz der Übenden auf die angebotenen Übungen ziemlich klar herausschälen. Auf individueller Ebene stehen den Übenden das notwendige Wissen und die Hilfsmittel zur Verfügung, womit sie ihre Übungen selbstabstimmen und sich in den täglichen Aktivitäten erden können, um im Zeitverlauf beste Ergebnisse zu erzielen. Auf kollektiver Ebene können wir Lösungen entwickeln und Vorschläge unterbreiten, um die Übungen so anzupassen, dass sie auch für Menschen geeignet sind, die andere Reaktionen aufweisen, als man diese mit Standardmethoden in den Griff bekommen kann. Das hat Bezug auf die „Glockenkurvenverteilung“ von Reaktionen (besonders bei der Tiefen Meditation), wie wir dies vor allem in Lektion 365 erörtert haben. Anders als bei traditionellen spirituellen Übungen, die eher rigide und begrenzt in ihrer Fähigkeit sind, die Übenden zu unterstützen, die nicht wie die große Mehrheit auf die Übungen reagieren, können wir hier eine Menge tun und Anpassungen bei der Anwendung von Übungen anbieten, damit alle davon profitieren können, die danach trachten, auf ihrem spirituellen Pfad voranzukommen.

In der vorhergehenden Lektion haben wir Vorschläge für diejenigen unterbreitet, die zu wenig empfindlich auf die tiefe Meditation Reagieren. Dabei fokussierten wir auf den spirituellen Wunsch (Bhakti), Regelmäßigkeit der Übung, diffizilere Gesichtspunkte der Meditationstechnik und die Annahme des eigenen Pfads im Rahmen der eigenen Parameter, ohne sich ständig an den Parametern anderer zu messen. Zur Entwicklung von Geduld und Beharrlichkeit, die zu einer Selbstgenügsamkeit auf dem Pfad führen, wurde ermuntert. Damit kann nichts und niemand verhindern, dass der Übende bis ans Ende seines Pfads gelangt.

Das Gleiche kann man jenen sagen, die „überempfindlich“ auf die tiefe Meditation reagieren. Sicher gelten all die Punkte, die wir in der Lektion zu den zu wenig Empfindlichen erörtert haben im gleichen Sinn für die überempfindlichen Meditierenden wie auch allgemein für jeden. Doch wurde in den letzten paar Jahren klar, dass für die überempfindlich Meditierenden zusätzliche Mittel, die über die „Standardvorgehensweise“ hinaus gehen, nötig sind.

Überempfindlichkeit hinsichtlich der tiefen Meditation vs. vorzeitige Kundalini-Erweckung

Was bedeutet es, auf die tiefe Meditation überempfindlich zu reagieren?

Wie das gleicherweise bei den zuwenig empfindlichen Meditierenden der Fall ist, können wir einige Symptome ausmachen und darauf systematische Mittel anwenden, die zu einer effektiveren und ausgeglicheneren Übungsweise führen, selbst wenn es schwierig ist, die genauen Ursachen für die Überempfindlichkeit auszumachen (unergründliches Karma). Die Symptome für die Überempfindlichkeit der tiefen Meditation gegenüber kann man zusammenfassen als: „Der Gebrauch des Mantras führt schnell zu zuviel Energiefluss“.

Fließt zu viel Energie durch unsere innere Matrix von Blockierungen, ist das Ergebnis „übermäßige Reibung“. Wir haben das auch als „übermäßige Reinigung“ bezeichnet, was nicht implizieren soll, dass es eine nachhaltige Herangehensweise an die Reinigung und Öffnung darstellt. Unser Nervensystem kann in einem gegebenen Zeitraum nur ein bestimmtes Maß an Reinigung ertragen. Deshalb ist es nötig, Wege zu finden, diesen Prozess zu regulieren. Es handelt sich dabei um dieselben Ergebnisse, die auftreten können, wenn jemand mit normaler Empfindlichkeit gegenüber der tiefen Meditation von seiner Sitzung aufsteht, ohne sich genügend auszuruhen, oder wenn man absichtlich um einiges länger meditiert als normal (Anmerkung: Überzieht man versehentlich, bereitet das nur selten Probleme). Der Unterschied liegt darin, dass ein überempfindlich Meditierender während und/oder nach den Übungen Symptome feststellen wird, selbst wenn er sehr wenig meditiert und sich am Ende lange ausruht. Das heißt, es kann zu starken Emotionen, Reizbarkeit, körperlichem Unbehagen, Regungen, Ausschlägen, Kopfschmerzen usw. kommen.

Wenn man dabei klassische Kundalini-Erweckungssymptome wiedererkennt, dann kann das gut der Fall sein, wobei aber ein Unterschied vorliegt: Während eine vorzeitige Kundalini-Erweckung dahin tendiert, ohne zusätzliche Stimulation weiterzubestehen, werden die Symptome eines übersensiblen Meditierenden zwar schnell durch den Gebrauch des Mantra hervorgerufen, legen sich aber normalerweise bald nach Beendigung der Meditationssitzung wieder.

Jene mit einer vorzeitigen Kundalini-Erweckung finden oft Linderung, wenn sie mit der tiefen Meditation und/oder dem Wirbelsäulen-Pranayama beginnen. Dagegen hatten jene, die überempfindlich auf die tiefe Meditation reagieren, in der Regel nie etwas mit vorzeitigen Kundalini-Symptomen zu tun gehabt. Sie müssen ihre Meditation jedoch selbstabstimmen, um diese zu vermeiden. Auch finden überempfindlich Meditierende vielleicht keine stabilisierende Unterstützung durch das Pranayama der Wirbelsäulenatmung.

Deshalb sollten wir zwischen einer vorzeitigen Kundalini-Erweckung, deren Ursache meist außerhalb des FYÜ-Systems liegt, und einer angeborenen Überempfindlichkeit auf die tiefe Meditation mit einem Mantra, die durch frühere Kundalini-Symptome angekündigt sein mag oder nicht, unterscheiden. Jenen, die mit einer vorzeitigen Kundalini-Erweckung zu den Fortgeschrittenen Yoga Übungen kommen, raten wir, es mit der tiefen Meditation und/oder dem Pranayama der Wirbelsäulenatmung entsprechend der Anweisungen in den Lektionen zu versuchen. Sie sollten auch zusätzliche unterstützende Maßnahmen (vgl. Lektion 69) in Betracht ziehen und sehen, wie es sich entwickelt. Viele die mit einer vorzeitigen Kundalini-Erweckung zu den Fortgeschrittenen Yoga Übungen kommen, haben zu einem stabilen Gleichgewicht und zu solidem Fortschritt gefunden, indem sie diesen Weg eingeschlagen haben.

Jenen die empfindlich auf die tiefe Meditation reagieren, ob mit vorzeitiger Kundalini-Erweckung oder nicht, raten wir, hier weiterzulesen.

Anwendung der Standard-Methoden und die Entwicklung von Kriterien

Bevor wir uns mit alternativen Ansätzen für die Meditationspraxis beschäftigen, sollten wir die Standardmethoden für den Umgang mit Symptomen für übermäßigen Energiefluss und auftretende Reinigung während oder nach der tiefen Meditation mit dem „I AM“ (AYÄM) Mantra wiederholen. Selbst wenn wir zu empfindlich auf die tiefe Meditation mit dem I AM-Mantra reagieren, können wir diese immer noch als Basis nutzen, von wo aus wir uns weiterbewegen können, um Alternativen für die Entwicklung einer stabilen und effektiven Praxis erforschen zu können.

Das bedeutet nicht, dass wir uns auf eine Meditationspraxis einlassen sollten, die jedes Mal, wenn wir uns für ihre Ausführung hinsetzen, unbequem und destabilisierend ist. 

Die normalen emotionalen und körperlichen Höhen und Tiefen, die während der tiefen Meditation mitunter auftreten, kann man mit dem Verfahren der Energie-/Körperachtsamkeit aus Lektion 15 in den Griff bekommen. Daneben sollten wir sicherstellen, dass wir ausreichend ruhen, bevor wir nach dem Praktizieren aufstehen. Sich 5 bis 10 Minuten hinzulegen, ist gut, falls wir während oder nach der tiefen Meditation zu Gereiztheit neigen. Auch sollten wir während des Tages aktiv sein und dafür sorgen, dass wir den Körper durch regelmäßige körperliche Verausgabung fit halten. Mentale und körperliche Aktivitäten spielen eine Schlüsselrolle bei der Stabilisierung der inneren Stille, die wir während unserer zweimal täglichen Meditationssitzungen kultivieren.

Erfahren wir jedes Mal, wenn wir uns zur Meditation hinsetzen, Unbehagen, dann sind wir möglicherweise überempfindlich. In diesem Fall können wir unsere Übungszeit so weit wie nötig reduzieren, um die Symptome bis auf ein angenehmes Niveau zu verringern. In Fällen von extremer Empfindlichkeit könnte dies zu einer kurzen Meditationssitzung führen, die vielleicht nur wenige Minuten pro Sitzung dauert. Erleben wir nach der Reduzierung auf 5 Minuten tiefe Meditation immer noch regelmäßig unangenehme Symptome, ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass wir überempfindlich sind. Man kann also bei allen, die weniger als 10 Minuten praktizieren und trotzdem anhaltend Unbehagen verspüren, annehmen, dass sie überempfindlich sind.

Ironischerweise besitzen überempfindlich Meditierende oft ein sehr starkes Bhakti (spirituelles Verlangen), so dass es für sie frustrierend sein kann, die Meditationszeit so weit zurückschrauben zu müssen. Letztendlich wird es unsere Bhakti sein, die uns beharrlich zu einer ausgeglicheneren Herangehensweise führt und es uns ermöglicht, mit Annehmlichkeit und sogar ekstatischer Glückseligkeit Fortschritte zu machen.

Falls wir schon weiter sind und neben der tiefen Meditation die Wirbelsäulenatmung und zusätzliche Übungen praktizieren, ohne dass dadurch eine Stabilisierung eintritt, dann sollten wir solange mit diesen aufhören, bis wir zu einer stabilen Meditationspraxis zurückgekehrt sind. Dies gilt auch für jede andere zusätzliche Übung, der wir uns unterziehen, von woher immer sie stammen mag. Nur auf eine sanfte  Asana-Reihe (Stellungen), trifft das vielleicht nicht zu, weil wir uns damit vor dem Hinsetzen auflockern. Machst du diese aber nicht schon, füge Asanas (oder irgendetwas anderes) nicht hinzu, falls Symptome von Überempfindlichkeit auf die Meditation auftreten. Das Wichtigste immer zuerst. Haben wir das Ziel, zu einer stabilen Meditationspraxis zu finden, dann muss alles andere auf dem Rücksitz Platz nehmen, bis wir zu einer stabilen Routine gefunden haben. Von dieser aus können wir später beginnen, andere Dinge zu ergründen. In den meisten Fällen ist es weise, zuerst an der Meditation zu arbeiten, weil wir dadurch die bleibende innere Stille generieren, die uns befähigt, mit allem anderem auf unserem spirituellen Pfad voranzukommen.

Haben wir einen eindeutigen Kriterienkatalog dazu entwickelt, was gegeben sein muss, wenn das Einlassen auf die tiefe Meditation mit dem I AM-Mantra kein übermäßiges Unbehagen hervorrufen soll, können wir daraus ableiten, ob wir überempfindlich sind oder nicht. Veranlasst uns die Selbstabstimmung, unsere Sitzungen auf einige wenige Minuten zu reduzieren, dann wissen wir, dass die Zeit gekommen ist, Alternativen zu unserer Meditationspraxis in Betracht zu ziehen. Wir können mit jeder Alternative, die wir ausprobieren, weiter selbstabstimmen und sollten dabei bestrebt sein, eine Herangehensweise einzuüben, die es uns erlaubt, auf angenehme Weise zweimal am Tag 10 bis 20 Minuten zu meditieren. Wie wir uns bei unseren täglichen Aktivitäten fühlen, wird die Hauptmesslatte für unsere Praxis sein. Haben wir einmal eine stabile Meditationsroutine eingerichtet, können wir auch mit Zuversicht auf die vielen anderen Hilfsmittel zurückgreifen, die zur Verfügung stehen, um unseren Fortschritt auf dem spirituellen Pfad zu verbessern. Ein Schritt auf einmal.

Ein schnelles Transzendieren und Modifizieren des Mantra

In der Erörterung des zu wenig empfindlichen Meditierenden (vorherige Lektion) erwähnten wir, dass innere Blockierungen dazu tendieren, „dicht gepackt“ zu sein und dadurch den Fluss des Bewusstseins nach innen zu stilleren Ebenen des Verstandes verlangsamen. Beim überempfindlichen Meditierenden scheint die Situation genau umgekehrt zu sein, d.h. die inneren Blockierungen sind „locker gepackt“ und das Bewusstsein geht schnell nach innen. Wir könnten dies auch das „schnelle Transzendieren“ nennen. Das ist eine in zwei Richtungen befahrbare Straße. Kaum geht der überempfindlich Meditierende schnell mit dem Mantra nach innen, kommt das Bewusstsein schnell wieder heraus und bringt übermäßige Reinigung und Öffnung mit sich. Während also der überempfindlich Meditierende Erfahrungen von Glückseligkeit, Ekstase und schnell ansteigendem Bhakti (spiritueller Wunsch) machen kann, kommt da noch die Erfahrung von übermäßiger Reinigung hinzu. In diesem Fall kann Selbstabstimmung in einem Maß nötig sein, das die Meditationszeiten extrem verkürzt.

Eine Möglichkeit, das zu umgehen, wäre, das Mantra so zu modifizieren, dass ein „langsameres Transzendieren“ erleichtert wird. Wir können die Natur der Blockierungsmatrix im Nervensystem, mit der wir es zu tun haben, nicht von heute auf morgen verändern. Allerdings können wir ein anderes Vehikel (Beförderungsmittel) wählen, das wir für das Überqueren nutzen, wenn wir von der Oberfläche des Verstandes zu seiner stillen Tiefe und wieder heraus gehen.

In der englischsprachigen FYÜ-Gemeinschaft (AYP-community) wurde zur dritten Erweiterung des I AM Mantras (das längste Mantra, das wir im FYÜ-System benutzen) etwas Forschung betrieben. Die zusätzlichen Silben reduzieren die Geschwindigkeit, mit der das Bewusstsein sich zu den stillen Ebenen des Verstandes bewegt. Dadurch erzeugt ein längeres Mantra auf seinem Weg hinein und genauso auf seinem Weg heraus einen breiteren Kehreffekt. Damit neigt es weniger dazu, „durch die Spalten“ zwischen den lose gepackten inneren Blockierungen und Gedanken eines überempfindlich Meditierenden „zu fallen“.

Während man an der Stabilisierung der Meditationsroutine arbeitet, ist es ratsam, das Pranayama der Wirbelsäulenatmung und jede andere die Energie stimulierende oder aktivierende Übung oder Aktivität, die wir noch praktizieren, einzustellen.

Den überempfindlich Meditierenden, die versuchen wollen, ihre Rate der Transformation zu verlangsamen, empfehlen wir, zur dritten FYÜ-Mantra-Erweiterung weiterzugehen (Vgl. Lektionen 188 und Lektion 369). Diese lautet:

SHREE OM SHREE OM I AM I AM NAMAH NAMAH 

[SCHRIE OHM SCHRIE OHM AYÄM AYÄM NAMAH NAMAH] 

Das ist keine Empfehlung an alle, damit zu beginnen, nach Lust und Laune durch die Mantra-Erweiterungen zu wechseln. Diese Erörterung betrifft die sehr spezielle Situation einer Überempfindlichkeit gegenüber der tiefen Meditation. Jeder andere tut gut daran, die Mantra-Erweiterungen der Reihe nach durchzugehen, so wie die Anweisungen in den Lektionen gegeben sind.

Übernehmen wir eine Mantra-Erweiterung, verlangsamt das bei der Vorgehensweise der tiefen Meditation den Fluss des Bewusstseins im Verstand nach innen und außen. Übernehmen wir eine Mantra-Erweiterung verfrüht, kann es sich anfühlen, als seien wir auf eine Ziegelwand gestoßen und das Bewusstsein bleibt vor allem auf der Oberfläche des Verstandes. Das ist normal. Wenn wir den Gangschalter zu einem längeren Mantra jedoch zur für uns richtigen Zeit wechseln, wandert das Bewusstsein langsamer nach innen, allerdings mit einer breiteren Schneise des Verstandes und Nervensystems. Das Gleiche gilt für das Herausgehen.

Für den überempfindlich Meditierenden ergibt ein Springen zur dritten Mantra-Erweiterung die unmittelbare Wirkung einer Verlangsamung des Transzendierens. Daraus kann einige Linderung von übermäßigen Reinigungssymptomen resultieren. Unter Umständen ist es auch möglich, die Meditationszeit zu erhöhen – von den wenigen selbstabgestimmten Minuten, die wir vielleicht noch machen, auf 10 Minuten oder mehr, ohne dafür Unannehmlichkeiten zu ernten.

Allerdings haben wir herausgefunden, dass die Vorteile der Nutzung eines längeren Mantra bei manchen überempfindlich Meditierenden nur kurzzeitig wirksam sein können. Haben wir uns an das längere Mantra in der täglichen Praxis über Wochen oder Monate gewöhnt und gehen wir damit routinierter um, können einige Symptome der übermäßigen Reinigung anfangen, sich wieder einzustellen. Dann sind wir wieder da, wo wir unsere Meditationszeit mit Selbstabstimmung reduzieren müssen, möglicherweise auf eine Dauer, die für unsere Ebene der Bhakti unbefriedigend ist. Doch das längere Mantra ist für jene, die dazu neigen, bei der Mantra-Meditation zu bleiben, einen Versuch wert. Es kann dadurch kein Schaden entstehen, wenn wir vorsichtig Selbstabstimmung anwenden. Einige werden damit viele Jahre, wenn nicht sogar immer meditieren.

Bei anderen löst das lange Mantra das Problem der Überempfindlichkeit nicht. Für diese kann es aber ein Trittbrett für eine Herangehensweise sein, die ohne ein Mantra auskommt. Das wollen wir uns jetzt mal genauer ansehen.

Atem statt Mantra als Objekt der Meditation

Die wahre Meditation beinhaltet immer den Gebrauch eines Objekts und eine systematische Verfeinerung unseres Gewahrseins des Objektes im Verstand. Bei den Fortgeschrittenen Yoga Übungen ist das Objekt, das wir gebrauchen, ein Mantra (in Wirklichkeit ein progressives System von Mantras), das sich als äußerst effektiv für die Kultivierung von bleibender innerer Stille in unserem Nervensystem erwiesen hat.

Für jene, die überempfindlich auf die Mantra-Meditation reagieren, egal, wie sie an sie herangehen, schlagen wir vor, in der Meditation ein anderes Objekt als das Mantra zu gebrauchen. Es gibt ganz gewiss auch alternative Wege für die Kultivierung von bleibender innerer Stille im Nervensystem. Eine uralte und verlässliche Methode der Meditation, die im buddhistischen System und anderswo sehr verbreitet ist, beinhaltet die Nutzung des Atems, statt des Mantra, als Objekt.

Wir können meditieren und unseren Atem auf die gleiche Weise nutzen wie das Mantra bei der Mantra-Meditation. Die Vorgehensweise ist dieselbe. Beginnen wir, sitzen wir mit geschlossenen Augen und bringen unsere Aufmerksamkeit locker und leicht zu unserem Atem. Bemerken wir, dass unsere Aufmerksamkeit nicht länger beim Atem ist, bringen wir sie locker und leicht zum Atem zurück. Sind unsere Aufmerksamkeit und der Atem verfeinert worden, kommen wir auf dem verfeinerten Niveau zurück, genauso wie wir unsere Aufmerksamkeit auf ein verfeinertes Niveau des Mantra zurückbringen würden, wenn das das ist, wo wir sind, sobald wir bemerken, dass wir vom Objekt unserer Meditation abgekommen sind. Und genauso wie bei der Mantra-Meditation kann es bei der Atem-Meditation Gedanken oder keine Gedanken mit dem Gewahrsein des Atems geben. Wir versuchen nicht, Gedanken abzudrängen. Wir favorisieren nur locker und leicht den Atem, was immer anderes im Gange sein mag. Die grundlegenden Anweisungen der Atem-Meditation sind also die gleichen wie für die Mantra-Meditation.

Allerdings gibt es zwischen der Mantra-Meditation und der Atem-Meditation einige Unterschiede und diese sollten wir deutlich machen.

Einige fragen sich vielleicht, was das Objekt ist, das wir Atem nennen. Ist es die Empfindung der sich bewegenden Luft in unseren Nasenlöchern, in der Kehle oder in den Lungen? Ist es die Auf- und Abbewegung des Brustkorbs? Beginnen wir mit der Atemmeditation und kommen wir in sie hinein, stellen wir womöglich fest, dass es eins von diesen oder alle diese ist. Das ist in Ordnung. Als was immer wir das Objekt des Atems wahrnehmen, das ist es auch. Es ist nicht notwendig, das Bewusstsein des Atems am Körper zu lokalisieren. Das kann an einem Ort beginnen und sich auf natürliche Weise bewegen. Wir können uns damit wohlfühlen und locker und leicht favorisieren, was immer es ist. Damit verfeinern wir unser Bewusstsein, unser Nervensystem und kultivieren dabei bleibende innere Stille.

Im Laufe der Zeit werden wir feststellen, dass sich unsere Aufmerksamkeit auf einen in hohem Maße verfeinerten Aspekt des Atems richtet, den wir „Energieimpuls“ des Atems nennen könnten. Der weist keine bestimmte körperliche Verortung auf. Dieser hat große Ähnlichkeit mit einem verfeinerten Mantra und wir können darin sehr tief einsteigen. Werden wir einmal fortgeschritten Übende, merken wir vielleicht, wie wir diesen verfeinerten Energieimpuls des Mantra aufgreifen, sobald wir uns zur Meditation hinsetzen. So geht es auch jemandem, der fortgeschritten bei der Mantrameditation ist. Dieser greift das Mantra genauso auf einer verfeinerten Ebene des Mantra auf, sobald er seine Augen schließt. Keine dieser Verfeinerungen können wir erzwingen. Das geschieht von selbst, wenn unsere Meditationsmethode und das Objekt, das wir nutzen, in unser Nervensystem eingebacken wird. Deshalb ist die Regelmäßigkeit der Übung so wichtig – zweimal täglich, ob wir das Mantra oder den Atem nutzen.

Überempfindlich Meditierende haben herausgefunden, dass die Atem-Meditation sanfter als die Mantra-Meditation wirkt. Deshalb ist es sehr viel weniger wahrscheinlich, dass dadurch Symptome von übermäßiger Reinigung im Nervensystem hervorgerufen werden. Natürlich gibt es dafür keine Garantie. Doch für überempfindlich Meditierende ist die Wahrscheinlichkeit, mit der Atem-Meditation zu einer stabilen Praxis zu finden, deutlich höher.

Nutzt man die Atem-Meditation und geht tief hinein, kann es, wie das mit jeder effektiven Meditationsform geschieht, dazu kommen, dass die Atmung manchmal für kurze Zeit auf natürliche Weise aussetzt. Das ist ein Zeichen dafür, dass der Metabolismus niedrig ist, dass wir uns in tiefer Stille befinden und dass eine effektive Reinigung im Gang ist. Werden wir uns während eines Aussetzens des Atems bewusst, dass unsere Aufmerksamkeit nicht auf den Atem gerichtet ist, dann finden wir womöglich nicht viel physischen Atem oder feinen Energie-Impuls des Atems, den wir favorisieren können. Ist dies der Fall, können wir einfach locker und leicht in der Stille verweilen, die wir im Moment erfahren. Fühlen wir den physischen Atem oder den schwachen Energie-Impuls des Atems wieder, dann können wir dazu zurückkehren, auf welcher Ebene der Verfeinerung wir uns auch immer befinden. Das ist der wichtigste Unterschied zwischen Atem-Meditation und Mantra-Meditation. Setzt der Atem bei der Mantra-Meditation aus, können wir den Impuls des Mantra immer noch favorisieren. Setzt der Atem bei der Atem-Meditation aus, dann entspannen wir einfach in der Stille, bis der Impuls des Atems zurückkehrt. Das ist einer der Gründe, warum die Wirkungen der Atemmeditation etwas geringer ausfallen. Genau das braucht der überempfindlich Meditierende.

Wir stimmen die Atemmeditation, je nach dem Behagen, das wir in der Übung fühlen, auf die gleiche Weise ab, wie wir die Mantra-Meditation abstimmen. Dabei denken wir aber daran, dass alle spirituellen Übungen verzögerte Wirkungen aufweisen. Deshalb tun wir gut daran, bescheiden anzufangen. Haben wir es für nötig befunden, uns auf das Niveau von 5 Minuten je Sitzung mit Mantra-Meditation (kurzes oder langes Mantra) selbstabzustimmen, sollten wir in Betracht ziehen, das als Ausgangspunkt für unsere Atem-Meditation herzunehmen. Im Laufe von mehreren Sitzungen können wir dann unsere Zeit schrittweise ein paar Minuten auf einmal erhöhen – vorausgesetzt, es zeigt sich, dass wir bei Nutzung des Atems als Meditationsobjekt ausgeglichen bleiben. Schaffen wir den ganzen Weg bis zu 20 Minuten je Sitzung ohne ernste Störung, schlagen wir vor, bei dieser Meditationsdauer wenigstens für die nächsten sechs Monate oder vielleicht sogar unbegrenzt zu bleiben. Obwohl andere Systeme mit Nutzung der Atemmeditation viel längere Sitzungen beinhalten mögen, kann eine Überempfindlichkeit beim Meditieren ein guter Grund sein, die 20-Minutengrenze einzuhalten. Das bietet uns auch die Option, zusätzliche Übungen aus dem FYÜ-System zu berücksichtigen, ohne dass wir aufgrund der Gesamtzeit für unsere spirituellen Übungen unser übriges Leben aus dem Gleichgewicht bringen.

Wie schon früher angemerkt, schlagen wir vor, dass man während der Zeit, in der man an der Stabilisierung der eigenen Meditationsroutine arbeitet, das Pranayama der Wirbelsäulenatmung und auch jede andere Energie stimulierende Übung oder Aktivität, die wir gegebenenfalls im Programm haben, abzusetzen. Auch sollten wir nicht versuchen, mehr als eine Art von Meditation zu machen, während wir die eigene Übungsroutine stabilisieren.

Die Atemmeditation ist eine ausgezeichnete Übung, die ein Fundament von bleibender innerer Stille, die wichtigste Voraussetzung für die Hinzunahme von zusätzlichen Übungen, zu denen wir uns vielleicht im Verlauf unseres spirituellen Pfades hingezogen fühlen, sehr wirksam kultivieren kann. Man kann auch mit der Atemmeditation als Fundament durch die FYÜ-Lektionen gehen. Es muss also nicht unbedingt die Mantra-Meditation sein. Da sind aber doch einige Warnungen, die wir aussprechen sollten.

Wir wenden die Atem-Meditation an, weil wir für einen überempfindlich Meditierenden, der es mit Symptomen der übermäßigen Energie zu tun hat, ein Gleichgewicht suchen. Deshalb sollten wir in vielen der FYÜ-Übungen stets auf die Energiekomponente achten – das zuallererst beim Pranayama der Wirbelsäulenatmung.

Außerdem sollten wir uns bewusst sein, dass beim Vergleich des Pranayama der Wirbelsäulenatmung mit der Atemmeditation größere Ähnlichkeiten auffallen als beim Vergleich der Wirbelsäulenatmung mit der Mantra-Meditation. Deshalb sollten wir mit der Atem-Meditation gut vertraut sein, bevor wir mit der Wirbelsäulenatmung beginnen. Das sind zwei unterschiedliche Übungen mit zwei unterschiedlichen Vorgehensweisen. In diesem Fall arbeiten beide aber mit dem Atem, jedoch auf unterschiedliche Weisen, weshalb wir uns im Klaren sein sollten, was wir mit der Atemmeditation tun, bevor wir versuchen, die Wirbelsäulenatmung hinzuzunehmen. Da ist genauso der Energieaspekt und überempfindlich Übenden empfehlen wir, wachsam zu sein. Dasselbe gilt für andere Energie-Übungen wie Mudras, Bandhas, Kumbhaka, tantrische Sexual-Methoden usw.

Jene, die die Atemmeditation praktizieren, finden möglicherweise einen angenehmeren Weg mit zusätzlichen Übungen, einen Weg, der über Samyama, Selbst-Analyse und Karma-Yoga (Dienst) führt. Diese Übungen sind weniger direkt auf die Kultivierung von ekstatischer Leitfähigkeit (innerer Energiefluss) ausgerichtet und können eventuell von Übenden, bei denen ein inneres Energiegespür schon vorhanden ist, leichter gesteuert werden. Durch diese Übungen wird der Ausdruck (die Bewegung) von innerer Stille in unser Leben auf natürliche Weise ausgedehnt. Sie führen bei geringerem Risiko von Energieüberladungen zur notwendigen ekstatischen Leitfähigkeit und Ausstrahlung. Samyama, Selbst-Analyse und Karma Yoga sind dazu noch exzellente Vehikel für eine strömende Bhakti, von der überempfindlich Meditierende gewöhnlicherweise einen Überfluss haben.

In welchen zusätzlichen Übungen wir uns auch immer engagieren, vorsichtige Selbstabstimmung ist stets die Losung. Schritt für Schritt gehen wir voran – ein Ding auf einmal. Und stelle sicher, dass du jede Übung oder Ebene der Übung stabilisiert hast, bevor du zur nächsten weitergehst.

Die Entwicklung von langfristiger Selbstgenügsamkeit

Wir hoffen, dass die oben diskutierten zusätzlichen Mittel, es den überempfindlich Meditierenden erlauben, eine stabile Meditationsroutine für die Kultivierung von bleibender innerer Stille zu finden. Das Wissen, das wir hier teilen, ist das Produkt von Versuch und Irrtum zahlreicher Übender und wir sind diesen sehr dankbar. Durch ihre Erfahrungen bekommen viele eine Chance, schneller zu einer stabilen Meditationspraxis zu finden. Wir erwarten, dass wir im Laufe der Zeit noch mehr über Empfindlichkeit in Bezug auf Meditation lernen. Zusätzliches Wissen teilen wir mit, sobald sein möglicher Wert für die breite Gemeinschaft der Übenden klar ist.

Wie in Lektion 365 diskutiert, scheint das Bewusstsein der Welt unzweifelhaft anzusteigen. Bewiesen wird dies auch durch die Tatsache, dass spirituelle Übungen im Allgemeinen effektiver werden. 20 Minuten Meditation heute führen zu besseren Ergebnisse als 20 Minuten Meditation vor 10 Jahren. Ist dies der Fall, können wir erwarten, dass sich die Standardverteilung (die Glockenkurve) der Meditationsempfindlichkeit langsam auf die Seite der Überempfindlichen neigt. Das bedeutet, dass diese Lektion, je mehr Jahre ins Land ziehen, immer mehr von den Übenden genutzt wird.

Das Problem der Empfindlichkeit wollen wir auch weiterhin im Fokus behalten. Dabei handelt es sich um ein bewegliches Ziel und so müssen auch die Hilfsmittel, die wir anbieten, ständig angepasst werden, um die Veränderungen im Weltbewusstsein zu akkommodieren. Die Disziplin der Selbstabstimmung verschafft uns da allerdings einen großen Vorsprung, weil wir in der Position sind, jede Übung austesten zu können, während wir das Risiko zu übertreiben minimieren.

Wie dies seit Beginn der Fortgeschrittenen Yoga Übungen der Fall war, ist es hier das Ziel, jedem einen offenen Zugang zu den notwendigen Hilfsmitteln zu gewähren, mit denen man selbstgenügsam in den Übungen werden und gleichzeitig seinen Fortschritt in Richtung Erleuchtung mit Bequemlichkeit und Sicherheit beschleunigen kann.

Jene, die auf die Meditation sehr empfindlich reagieren, haben die Gabe eines Nervensystems mit hoher Leitfähigkeit und Ausstrahlung spiritueller Energie. Die Empfindlichkeit, die damit einhergeht, bringt zwar einige besondere Herausforderungen mit sich. Sobald einmal die Praxisroutine eingerichtet ist, werden davon jedoch schnell wunderbare Erfahrungen von ekstatischer Glückseligkeit und ein großer Beitrag zum Anstieg des Weltbewusstseins ausfließen.

Der Guru ist in dir.

Über den Autor

Yogani

Yogani ist ein anonymer US Amerikaner, der 2003 begann, im Internet sein spirituelles Wissen in Form von Lektionen zu veröffentlichen und damit auf einen großen Kreis Interessierter weltweit traf. Im Laufe der Jahre entstand Daraus eine umfassende Bibliothek zu allen Aspekten des Yoga. Inzwischen gibt es viele Übersetzungen in andere Sprachen. Die Lektionen sind immer noch kostenlos abrufbar. Heute gibt es auch Bücher, Hörbücher, Ebooks und im Englischen eine PLus-Mitgliedschaft sowie ein gut besuchtes Forum.

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