Lektion 324 – Selbst-Analyse – von der Inspiration zur Verwirklichung

Neben der Hingabe, dem Grundpfeiler aller spirituellen Tradition auf der Welt, ist Selbst-Analyse die am weitesten verbreitete spirituelle Technik auf der Erde. Tatsächlich wird sie von vielen, die sie anwenden, gar nicht als spirituelle Technik betrachtet. Es ist einfach eine andauernde Suche nach der Wahrheit.

Als kleines Kind haben wir wahrscheinlich gefragt: »Wer bin ich?«, und »Warum bin ich hier?« Die Art, wie wir diese Fragen in der Vergangenheit beantwortet haben, hat in hohem Maße bestimmt, was wir mit unserm Leben bis heute gemacht haben. Und falls wir durch das Leben nicht zu sehr verhärtet wurden, werden wir diese Fragen sehr wahrscheinlich bis heute stellen. Dafür sind wir verdrahtet. Wir müssen die Wahrheit über das Leben einfach wissen. Es ist eine endlose Suche nach Sinn und Bedeutung.

Vielleicht haben wir an einem gewissen Punkt gelesen oder gehört, dass das Leben grenzenlos ist und dass menschliche Wesen diese grenzenlose Natur des Lebens erfahren und zu DEM werden können. Irgendwie haben wir das als die Wahrheit empfunden und wir wurden inspiriert. Vielleicht sind wir seither inspiriert geblieben.

Das war der Ausgangspunkt für unsere ernsthafte Suche nach Wissen. Das führte aber nur zu der Feststellung, dass der Verstand alleine, auch wenn er sehr gut darin ist, Gedankengebäude zu errichten, sogar den der Erleuchtung, uns am Ende doch entweder festgefahren in Frustration oder verloren in einem Labyrinth von endlosen Gedankenströmen zurückgelassen hat. Sogar der Gedanke loszulassen kann zu mehr mentalen Strukturen und mentaler Trägheit führen.

Je mehr wir darüber nachdenken, desto frustrierender kann es werden. Der Verstand ist einfach nicht der Ort, an dem das Rätsel der Erleuchtung gelöst werden kann. Der Schlüssel liegt im Transzendieren des Verstandes. Wir brauchen unseren Verstand und unsere Gedanken nicht zu töten, um dies zu erreichen. Wir müssen nur unsere Mitte im Zeugen finden (die uns angeborene bedingungslose Bewusstheit), die jenseits des Verstandes liegt, und das favorisieren. Dann wird unser Verstand wieder zu unserem Freund. Der Verstand gibt einen armseligen Meisster ab. Er ist jedoch ein guter Diener. Unser Ziel ist es nicht, den Verstand oder das Denken loszubekommen. Das Ziel besteht darin, die Identifikation aufzulösen, dass der Verstand unser Selbst oder Ego ist. Wir müssen von dem Traum aufwachen, in dem wir gelebt haben. Das ist keine Zerstörung des Ichs oder des Verstandes. Ziel ist eine Verlagerung, so dass wir zu der großen leeren Leinwand hinter dem großen Spielfilm unseres Lebens – dem Zeugen – werden.

Es ist also sehr wichtig, was wir mit der Inspiration, die uns unsere anfängliche Selbst-Analyse bringen kann, tun. Nutzen wir die Inspiration dazu, um uns von ihr in vernünftige Methoden des Hinausgehens über den Verstand in die Stille katapultieren zu lassen, dann finden wir die Möglichkeit, uns von der Inspiration zur Transformation weiter zu bewegen.

Der Idealist, der für einen philosophischen Ansatz voreingenommen ist, wird sagen, dass es da keine Transformation zu haben gibt, weil alles so ist, wie es im Augenblick sein sollte. Wir bräuchten es nur im Augenblick zu erkennen. Doch diese Erkenntnis ist genauso eine Transformation und zu dieser kann es nicht kommen, solange unsere Wahrnehmung nicht zu einer Ebene geöffnet wird, auf der wir sehen, was ist. Ohne den Zeugen wird das nie geschehen.

Man kann viele Jahre mit Selbst-Analyse zubringen, nach der Wahrheit hinter den Dingen fragen und die Worte jener, die wissen, immer wieder studieren. Derartige Schriften gibt es heutzutage zuhauf, sie sind leicht erhältlich und können sehr inspirierend sein. Doch wie oft wir diese Worte auch lesen oder die Logik bestimmter Formen der Selbst-Analyse anwenden, können wir uns ziemlich weit von dem entfernt fühlen, was die Worte und Ideen uns zu vermitteln versuchen. Der Grund dafür ist, dass wir nur in uns selbst wissen können und deshalb müssen wir uns zur Wahrnehmung öffnen, dass unsere eigene innere Stille unser Selbst ist. Wir brauchen den Zeugen.

Wenn wir dann die Worte der Weisen lesen, hallen sie jedes mal mehr nach. Es sind nicht die Worte, die uns verändern. Wir werden es sein, die uns verändert haben und wir werden mehr Wahrheit in allen Verlautbarungen von Wissen sehen, wenn wir uns weiter unserer angeborenen Bewusstheit im Inneren öffnen.

Selbst-Analyse alleine ist kein besonders effektiver Weg zur Kultivierung des Zeugen. Es sind die der Meditation zugrunde liegenden Prinzipien, die den Zeugen kultivieren – immer. In dem Maße, in dem uns die Selbst-Analyse beim Auflösen der Objekte des Verstandes helfen kann, wird sie an der Kultivierung des Zeugen teilhaben. Dabei nutzt sie die Prinzipien der Meditation – sie löst schrittweise die Identifikation unserer Bewusstheit mit Objekten auf und identifiziert sich zunehmend mit dem Subjekt, dem Zeugen. Selbst-Analyse ist nicht notwendigerweise die effektivste Form der Meditation, doch sie kann trotzdem eine Art von Meditation darstellen. Der größere Zweck der Selbst-Analyse besteht darin, unsere innere Stille in den Fluss des Lebens zu integrieren, wodurch die kontinuierliche bewusste Erfahrung der Einheit entsteht, die in den uralten Sätzen: »Ich bin DAS, Du bist DAS. All dies ist DAS.«, ausgedrückt wird. Es ist die ewige Freude des Einsseins …

In den frühen Tagen unserer Selbst-Analyse und unseres knospenden Wunsches nach der Wahrheit, ist es wichtig, dass wir die erhaltene Inspiration in nutzvolle Mittel umwandeln, die den Zeugen in unserem Inneren entfalten. Tun wir dies, dann werden wir feststellen, dass wir später zur Selbst-Analyse mit viel mehr Klarheit als zu Beginn zurückkehren. Deshalb raten wir zu dem Ansatz, dass man analysiert, sich inspirieren lässt, den Zeugen in täglicher Meditation (vgl. Lektion 13) entfaltet und dann noch etwas mehr analysiert, wenn der Drang natürlicherweise aus dem Inneren aufsteigt, wie das sicherlich geschehen wird. Dies ist ein Ansatz, der nachhaltig ist und sehr vielen Fortschritt, Frieden und Freude im Leben hervorrufen wird.

Das ist die Reise von der Inspiration zur Verwirklichung und was wir dazwischen machen, ist das, was entscheidend ist.

Der Guru ist in dir.

Über den Autor

Yogani

Yogani ist ein anonymer US Amerikaner, der 2003 begann, im Internet sein spirituelles Wissen in Form von Lektionen zu veröffentlichen und damit auf einen großen Kreis Interessierter weltweit traf. Im Laufe der Jahre entstand Daraus eine umfassende Bibliothek zu allen Aspekten des Yoga. Inzwischen gibt es viele Übersetzungen in andere Sprachen. Die Lektionen sind immer noch kostenlos abrufbar. Heute gibt es auch Bücher, Hörbücher, Ebooks und im Englischen eine PLus-Mitgliedschaft sowie ein gut besuchtes Forum.

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