Lektion 329 – Fallstricke des Verstandes

Der Verstand ist eine wundersame Maschine. Er vermag es, herausragende Leistungen der Analyse, Schlussfolgerungen und Entdeckungen zu vollbringen. Auch ist es der Verstand, der uns befähigt, ein Bewusstsein von »Ich« in uns zu entwickeln. »Ich bin Maria.« »Ich bin dieser Körper.« »Ich bin dieser Verstand.« »Ich wurde geboren, ich lebe und eines Tages werde ich sterben.«

Die Aufgabe der Selbst-Analyse ist es, den Verstand für das Hinterfragen zu nutzen und die Annahmen zu transzendieren, die mit dem Bewusstsein von »Ich bin …« verknüpft sind.

Kombiniert man die Selbst-Analyse mit der Gegenwart des Zeugen, Folge der täglichen tiefen Meditation, offenbart diese, dass wir nicht unser Name, unsere Gestalt oder gar unsere Empfindung von »Ich« sind. Wir sind die Stille, die hinter und in all dem liegt, was projiziert wird. Der erste Fallstrick des Verstandes ist also unsere Identifizierung, d. h. die Identifizierung unseres Bewusstseins mit all den Dingen, die in die Zeit und den Raum hinausprojiziert sind.

In Wahrheit kann die Identifikation auch der einzige Fallstrick des Verstandes sein. Der Verstand tendiert dazu, über die Erfahrungen, die wir im Leben machen, herumzufaseln, ob diese in der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft liegen. Der Verstand färbt das dann noch je nach Stimmung positiv oder negativ ein. Es geht immer nur um eins – der Verstand hüllt uns mit etwas ein.

Ist also der Verstand der Bösewicht? Ist der Verstand vielleicht ganz falsch konstruiert? Oder liegt die Ursache woanders? Schließlich ist der Verstand nur eine Maschine. Geben wir dem Auto die Schuld, wenn es von der Straße abkommt und gegen einen Baum kracht? Gut, vielleicht machen das einige so und vielleicht ist das ein Symptom für das zugrunde liegende Problem. Übernimmt der Fahrer für das Auto nicht die Verantwortung und der Zimmermann keine Verantwortung für den Hammer, wer soll sie übernehmen? Wenn also analog der Bewohner des Verstandes nicht die Verantwortung für dessen Handlungen übernimmt, wer soll sie dann übernehmen?

Wer ist der Bewohner des Verstandes? Wir, die wir bewusst sind (bis zu welchem Grad der Bewusstheit wir auch gelangt sind) sind es. Je weniger bewusst der Bewohner des Verstandes ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass der Verstand entsprechend seiner Konstruktionsprinzipien als Diener funktioniert. Dann wird sich der Verstand mehr wie der Zauberlehrling gebärden, vorgeben, er sei der Anführer und ein Netz der Verwirrung über das Leben spannen. Wo es ein Vakuum der Bewusstheit gibt (wo der Zeuge nicht ausgeprägt vorhanden ist), wird der Verstand eilen, die Leere mit dem einzigen Ding auszufüllen, mit dem er es ausfüllen kann – vielen Gedanken und falschen Wahrnehmungen, was dann auch noch übersetzt wird in: »Ich bin diese Objekte der Wahrnehmung …«, anstatt: »Ich bin das Subjekt, die ewige Bewusstheit, die all diese Objekte durchdringt …«

Der erste Schritt, den Verstand zurück zur Erfüllung seines eigentlichen Zwecks zu verhelfen, besteht also darin, dafür zu sorgen, dass der Bewohner des Verstandes gegenwärtig und völlig wach ist. Dies ist der Zeuge und inzwischen kennen wir das Rezept ganz gut: tägliche Meditation. Tritt der Bewohner des Verstandes auf den Plan und nimmt die Zügel in die Hand, wird das Funktionieren des Verstandes stetig verbessert. Lockert sich die Klammer der Identifikation, wird sich das Funktionieren des Verstandes allseitig verbessern.

Doch ist die vollständige Integration der inneren Stille in den Verstand nichts, was von heute auf morgen geschieht. Das braucht seine Zeit. Auch wenn der Wunsch natürlicherweise aufkommt, sich immer mehr selbstanalysierend zu betätigen, ist der Weg zur Erleuchtung weit. Entlang des Wegs gibt es einige heikle Fallstricke des Verstandes, die den spirituellen Fortschritt gefährden können. Diese Art von Fallstricken wollen wir hier thematisieren, denn sie können unsere Fähigkeit, die Übungen aufrecht zu erhalten und damit unseren Fortschritt auf dem Weg, beeinträchtigen:

1. Vernarrtheit in oder Furcht vor spirituellen Erfahrungen

2. Übertriebenes Analysieren und Philosophieren.

3. Das Übertreiben der Selbst-Analyse oder anderer Yoga-Übungen.

4. Die Illusion des Erreichens oder »angekommen« zu sein.

5. Das Negieren der Notwendigkeit zu praktizieren.

6. Die Falle der Nicht-Dualität – das Leugnen der Welt.

Derartige Fallstricke des Verstandes können einen spirituellen Aspiranten auf jedem Abschnitt des Pfads behindern. Fortgeschritten Übende sind genauso anfällig dafür,  vom Kurs abgebracht zu werden, vielleicht sogar noch mehr, wenn sie die dramatischen Erfahrungen der unermesslichen Weite des reinen Glückseligkeitsbewusstseins, der ekstatischen Glückseligkeit und wunderbarer Kräfte der einen oder anderen Art machen. Diese Arten von Erfahrungen können den Verstand erschüttern, wenn die innere Stille (der Zeuge) im Nervensystem noch nicht genügend bis zu einem Niveau der Reife kultiviert worden ist, das den Übenden befähigt, mit fortgeschrittenen spirituellen Erfahrungen umzugehen.

Ob wir also erst auf den Pfad aufgebrochen sind oder schon ziemlich lang unterwegs sind, die Kultivierung des Zeugen ist die beste Versicherung, die wir abschließen können, uns vor den Fallstricken des Verstandes zu schützen.

Vernarrtheit in oder Furcht vor Erfahrungen
Spirituelle Erfahrungen kommen in ganz verschiedenen Formen und, wenn wir effektive Yoga-Übungen nutzen, werden derartige Erfahrungen immer mit Reinigung und Öffnung in uns in Verbindung stehen. Kommen Erfahrungen, sind wir immer geneigt uns Gedanken darüber zu machen. Wie wir sie betrachten, wird immer eine Funktion unseres Verständnisses des zugrunde liegenden Yoga-Prozesses sein und davon, wie ausgeprägt der innere Zeuge bei uns bereits ist.

Sind die Erfahrungen dramatisch, wenn wir von einem großen Energiestrom durchspült werden oder eine Vision von unserer unermesslichen Weite und Einheit mit allen Dingen haben, identifizieren wir uns vielleicht mit der Erfahrung. Es kann zu einer Art von Vernarrtheit kommen oder vielleicht sogar zu etwas Furcht vor dem, in was wir da hineingeschlittert sind, besonders wenn der innere Energiefluss exzessiv wird, was zu ganz unterschiedlichen physischen und psychologischen Symptomen führen kann, die man auch als Kundalini-Symptome bezeichnet.

Sind wir an die Übungen vom Blickwinkel unseres begrenzten Selbst herangegangen, anstatt vom Blickwinkel des Zeugen, werden wir vielleicht auf eine Weise vernarrt, die einer romantischen Verliebtheit vergleichbar ist. Jede Verliebtheit geht natürlich vorbei und in der Zwischenzeit werden wir gut beraten sein, unseren Übungen vor den Erfahrungen den Vorzug zu geben. Sind wir bei den sitzenden Übungen, können wir ganz einfach die Übungen, die wir machen, den auftauchenden Visionen oder Energieerfahrungen vorziehen. Sind wir mit unseren täglichen Aktivitäten beschäftigt, können wir ganz einfach mit unserer Arbeit fortfahren, wie immer diese aussehen mag.

Überwältigen uns Erfahrungen so weit, dass wir fürchten, die Kontrolle über unser Leben zu verlieren, kann es hilfreich sein, sich weiter im Leben zu engagieren, besonders in Handlungen, die erden. Dazu zählen vor allem körperliche Aktivitäten und Handlungen, die für andere nützlich sind. Gleichzeitig können wir zeitweise die Arten von Aktivitäten verringern, die den spirituellen Energiefluss stimulieren, wie z.B. die Teilnahme an spirituellen Zusammenkünften und zu viele spirituelle Übungen. In vielen früheren Lektionen haben wir bereits erwähnt, dass wir diese Art der zeitweisen Reduzierung spiritueller Stimulation Selbstabstimmung nennen. Diese Form der Regulierung findet bei den Fortgeschrittenen Yoga Übungen besonders dort Beachtung, wo eine Integration kraftvoller Übungen in selbstbestimmter Form angewandt wird.

Vernarrtheit und Furcht werden in dem Maße geringer, wie der innere Reinigungsprozess voranschreitet und wir eine natürliche Integration des Göttlichen in uns im täglichen Leben finden. Deshalb ist es am besten, unser Leben ohne Veränderung weiterzuführen, wie immer unsere spirituellen Erfahrungen aussehen mögen. Letztendlich geht es bei der Erleuchtung um die Vermählung des Spektakulären mit dem Gewöhnlichen. Übrig bleibt das spektakuläre Gewöhnliche.

Über-Analysieren und Über-Philosophieren
Ob wir schon spirituelle Erfahrungen machen oder nicht, das ständige Analysieren und Philosophieren über unser Dasein (Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft) wird uns nicht viel nutzen. Tatsächlich ist diese Neigung die verbreitetste Form der nicht-beziehungsvollen Selbst-Analyse.

Stellt sich eine Erfahrung ein, ob körperlich, mental oder emotional, werden wir dazu neigen, sie zu analysieren. Es ist gut, wenn man eingesehen hat, dass das Verfolgen dieser Neigung bis hin zur Obsession nur ein gewöhnlicher Fallstrick des Versandes ist.

Das heißt nun nicht, dass wir niemals analysieren oder in den heiligen Schriften und den Philosophien, die im Laufe der Jahrhunderte niedergeschrieben wurden, Bestätigung für unseren Pfad suchen. Wird jedoch die Analyse und die Philosophie das Ziel unseres Pfades, dann schwenken wir auf eine Tangente ab, und das kann unser Engagement für die Yoga-Übungen und die beziehungsvolle Selbst-Analyse untergraben. Schleichen sich das Analysieren und Philosophieren bis zu einem Ausmaß ein, dass sie selbst zum Ziel werden, dann sind wir in ein Reich eingetreten, in dem wir Luftschlösser bauen und das ist eine nicht-beziehungsvolle und keine effektive spirituelle Übung.

In diesem Fall sollten wir nur beobachten und das übermäßige Analysieren loslassen, um statt dessen mittels der sitzenden Übungen den Zeugen zu kultivieren und danach hinauszugehen, um unser Leben in Fülle zu leben.

Das Übertreiben der Selbst-Analyse oder anderer Yoga Übungen
Ein üblicher Fehler, den der Verstand auch macht, ist die Vorstellung, dass, wenn uns ein wenig einer bestimmten Übung etwas vorwärtsbringt, dann wird uns viel mehr davon noch viel weiter vorwärtsbringen.

Haben wir uns z.B. gefragt: »Wer bin ich?«, und ein Geistesblitz kommt, dann folgern wir daraus möglicherweise, dass wir uns 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche fragen sollten: »Wer bin ich?«.

Genauso, wenn wir die tiefe Meditation zweimal am Tag 20 Minuten lang machen (eine ausgeglichene Übungsweise), und bemerken wir, dass der innere Zeuge ganz deutlich wahrzunehmen ist, dann schlussfolgern wir vielleicht, dass eine viel längere und häufigere Meditation besser sein wird.

In beiden Fällen (die ununterbrochene Selbst-Analyse oder ununterbrochene tiefe Meditation) tappen wir in einen mentalen Fallstrick, der in Wirklichkeit unsere spirituelle Entwicklung verlangsamen kann. Das Übertreiben der Übungen führt nur zu einer exzessiven Reinigung und Belastung, was unsere Fähigkeit zum effektiven Praktizieren beschränkt, bis wieder ein Gleichgewicht hergestellt ist.

Obwohl einige Lehrer über die Möglichkeit einer augenblicklichen Erleuchtung reden, dass alles, was wir sind, im Hier und Jetzt greifbar ist, braucht es in Wirklichkeit doch einige Zeit, bis sich unser Nervensystem zu den größeren Möglichkeiten im Inneren aufschließt. Das ist jedoch ein Prozess, der auf besonderen Wegen beschleunigt werden kann, allerdings nicht mit selbstgefälligen Träumereien, dass mehr immer besser ist. Der Pfad zur Erleuchtung ist ein Prozess, der Zeit in Anspruch nimmt, gleich welchen Methoden wir folgen, und es gibt nur wenige Abkürzungen, die die Notwenigkeit der Selbstabstimmung bei den Übungen umgehen können.

Rom wurde nicht an einem Tag erbaut; genauso wenig kann der Prozess der menschlichen spirituellen Transformation an einem Tag abgeschlossen werden. Sind wir beharrlich und wenden wir geprüfte und wahre Methoden langfristig an, dann stellen sich die Ergebnisse unweigerlich ein. Die Reise zur Erleuchtung ist ein Marathon und kein Sprint.

Die Illusion des Erreichens oder des Angekommenseins
Die Erleuchtung, die direkte Erkenntnis dessen, was wir sind, ist bescheiden und macht keine Verlautbarungen über sich selbst. Sie zeigt sich nur in der barmherzigen Hilfestellung, die zum Wohle aller angeboten wird. Umgekehrt können dort, wo nur angenommen wird, dass man sie erreicht hat oder man angekommen ist, die Handlungen dementsprechend verzerrt sein. Dies führt zu strengen Lehren, Missionierung, Sektiererei und zu einem Wechsel im Fokus von spirituellen Übungen hin zu der Person, von der man annimmt, dass sie angekommen ist. Das ist ein weit verbreiteter Fallstrick des Verstandes, der im Lehrer, dem Schüler oder auch beiden auftreten kann.

Identifiziert sich das Bewusstsein mit dem Verstand, ist der Drang groß, sich zum Sieger über die Kräfte der Unwissenheit zu erklären. Das bringt natürlich noch mehr Unwissenheit hervor. Auf der Ebene des Verstandes kann man keine Erleuchtung erklären. Das Funktionieren des Verstandes kann man nur als Symptom der aus dem Inneren kommenden Erleuchtung ansehen oder auch von ihrer Abwesenheit. Wir können vielleicht folgern, dass es zu einem inneren Fließen kommt oder nicht, doch können wir niemals mit Sicherheit behaupten, dass wir ans Ziel gelangt sind, denn dies ist etwas, das über die Domäne des Verstandes hinausgeht.

Laut Definition geht die Motivation wie auch das Ziel der wahren Selbst-Analyse über den Verstand hinaus zum bleibenden inneren Zeugen, der niemals etwas mutmaßt oder verkündet. Er ist einfach.

Ist da irgendwo ein Verkünden im Gang, ist es weise zu fragen: »Wer verkündet da?«, und das dann in die Stille gehen zu lassen.

Das Ablehnen von Übungen
Es gibt seltene Fälle von Individuen, die etwas erreichen, was aussieht wie ein erleuchteter Zustand in diesem Leben, ohne dass sie sich viel oder auch überhaupt mit spirituellen Übungen anstrengen. Es ist nur natürlich, wenn diese Einzelpersonen von ihrem einzigartigen Blickwinkel her die Idee vertreten, dass man für die Erleuchtung keinerlei Übungen bräuchte. Diese Menschen wiederholen immer wieder: »Man muss überhaupt nichts tun. Du bist bereits dort.«

Das ist wie bei dem New Yorker, der eines Tages auf wundersame Weise in Los Angeles aufwacht, und nicht weiß, wie er dorthin gelangt ist, und dann all seine Freunde in New York anruft und ihnen erzählt, dass sie doch dasselbe auch tun können. Wenn sie nur …

Diese Art von Lehren sind gelindegesagt fehlerhaft. Auch wenn das Ziel ein wahres sein mag, die Mittel werden für fast alle unzureichend sein. Wenn uns ein Lehrer also erzählt, dass es zum Erreichen der Erleuchtung nichts braucht und wir finden uns nicht wie versprochen in diesem Augenblick dort wieder, dann wird es weise sein, zusätzliche Mittel in Betracht zu ziehen, die zur Verfügung stehen. In diesem Fall sind die Folgerungen des »Erleuchteten« ein mentaler Fallstrick (ja, so etwas ist auch diesen eigen) und wenn jemand derartigen Lehren unter Ausschluss von allem anderen folgt, ist das ein mentaler Fallstrick im Schüler.

Ein übliches Symptom der Illusion, angekommen zu sein, kann der Verlust der Wertschätzung für spirituelle Übungen sein. Dies ist eines der größten Risiken für fortgeschritten Übende – dass man in den Glauben verfällt, die Reise zur Erkenntnis sei abgeschlossen. Der nächste Gedanke, den der Verstand hervorbringen wird, ist: »Ich brauche nicht mehr zu praktizieren.« Und wo immer wir uns auf dem Pfad zu diesem Zeitpunkt befinden, das ist auch der Punkt, an dem wir mehr oder weniger verharren werden, bis wir genügend aufwachen, um zu erkennen, dass unser spiritueller Fortschritt nie ein Ende findet und dass deshalb auch die Notwendigkeit für spirituelle Übungen niemals ein Ende haben wird. Die Übungen mögen sich entsprechend unserer anhaltenden Reinigung und Öffnung verändern. Doch sie werden in der einen oder anderen Form immer notwendig sein.

Der Grund dafür besteht in der Tatsache, dass es so etwas wie eine individuelle Erleuchtung im ultimativen Sinne nicht gibt. Kommen wir der individuellen Erleuchtung näher, beginnen wir zu erkennen, dass wir all das sind, was uns umgibt. Dann sehen wir den Bewusstseinszustand all jener um uns herum als unseren Zustand an. Deshalb werden wir nie vollkommen erleuchtet sein, solange nicht auch alle anderen erleuchtet sind. Aus diesem Grund arbeiten sogenannte erleuchtete Menschen zum Vorteil aller weiter. Ihre Befreiung ist keine vollkommene, bis jeder befreit ist. Das Gleiche gilt für uns. Entlang des Wegs kann man sehr viel Freude und Erfüllung finden, solange wir mit unseren Übungen fortfahren. Das bringt uns eine immer größere Ausweitung ins Unendliche!

Die Nicht-Dualitätsfalle – das Leugnen der Welt
Einige Weise sagen uns, die Welt sei nicht real, sondern nur eine Projektion, die sich mittels der Sinne und der Wahrnehmung von Objekten durch die Identifikation unseres Bewusstseins ergibt. Andererseits wurde auch behauptet, dass die Wahrnehmung 100% der Realität ausmacht, und dies ist genauso wahr. Unsere Realität ist das, was wir als real ansehen. Doch der Weise wird sagen, dass das alles Illusion ist und dass wir, sobald wir einmal die Maschine der Identifikation unseres Bewusstseins mit unseren Wahrnehmungen auseinanderlegen, wir entdecken, dass hier überhaupt nichts ist.

Gut, das ist wahr. Das haben wir in der Quantenphysik der Schulabgangsjahrgänge gelernt. Doch ist dies eine nützliche Sicht auf die Welt? Können wir mit einer derartigen Sichtweise weiterhin funktionieren, wenn wir dies ausschließlich auf der Ebene des Intellekts halten? Das ist nicht sehr wahrscheinlich.

Auch wenn die Logik der Nicht-Dualität fehlerfrei sein mag, ist die Annahme, dies könne augenblicklich von jedem erkannt werden, nicht richtig. Jene Lehrer, die die Wahrnehmungen anderer (100% von deren Realität) nicht berücksichtigen und sich weigern, diese dort abzuholen, wo sie sich befinden, sind nicht in der Lage, diesen zu helfen. Tatsächlich kann man Schülern sogar schaden, wenn man sie dazu ermuntert, weit über das hinauszugreifen, wo sie sind, wenn man ihnen keine Zwischenschritte anbietet.

Versuchen wir zu laufen, bevor wir Gehen gelernt haben, wissen wir, dass wir auf die Nase fallen und vielleicht in ernste Schwierigkeiten geraten werden mit unserer Motivation und Fähigkeit, in der Welt zu funktionieren. Für die überwiegende Mehrheit jener, die Selbst-Analyse praktizieren, wäre es destruktiv, an der Verleugnung der Welt zu arbeiten. Obwohl man sicherlich in dem Konzept der Einheit (ohne einem Zweiten) Inspiration finden kann, ist es ein riesiger Fallstrick, zu versuchen, dies im Verstand zu leben. Der Grund dafür ist, dass die Einheit (Nicht-Dualität) keine Angelegenheit des Verstandes ist. Sobald wir versuchen, das dort zu leben, ergibt sich, dass für uns ein Großteil unseres Lebens keine Bedeutung mehr hat, und wir erfahren eine falsche Zurückweisung des täglichen Lebens, was sehr ungesund ist. Das ist die nicht-beziehungsvolle Selbst-Analyse von ihrer schlechtesten Sorte.

Das Paradoxe dabei ist, dass die Erfahrung des Einsseins äußerst bedeutungsvoll ist in allen Aspekten des Lebens. Sie ist die Quelle aller Liebe und allen Teilens in der Einheit. Der nicht-duale Zustand ist eine Erfahrung von Einheit, von ausstrahlender Liebe und Zusammenschluss – keine Trennungserfahrung und auch keine Verleugnung der Welt.

Führen wir die Selbst-Analyse bei Anwesenheit des Zeugen aus, tappen wir nicht in die Falle, das Leben zu verleugnen, wie es ist. Stattdessen werden wir feststellen, dass wir immer mehr in den Zustand kommen, das Leben selbst zu werden, wie es ist, und das kann man auch mit den Worten umschreiben: In der Welt, jedoch nicht von der Welt sein. Dies ist die wirkliche Einheit, wahre Nicht-Dualität, wahres Advaita-Vedanta. Nicht die teilende, nicht-beziehungsvolle Form der Selbst-Analyse, die zu Jahren von Kampf und Elend führen kann. Es gibt noch einen viel besseren Weg, die heilige Verkündigung der Weisen zu bekräftigen, dass »Alle EINS sind«. Diesen Weg wollen wir gehen!

Der Guru ist in dir.

Über den Autor

Yogani

Yogani ist ein anonymer US Amerikaner, der 2003 begann, im Internet sein spirituelles Wissen in Form von Lektionen zu veröffentlichen und damit auf einen großen Kreis Interessierter weltweit traf. Im Laufe der Jahre entstand Daraus eine umfassende Bibliothek zu allen Aspekten des Yoga. Inzwischen gibt es viele Übersetzungen in andere Sprachen. Die Lektionen sind immer noch kostenlos abrufbar. Heute gibt es auch Bücher, Hörbücher, Ebooks und im Englischen eine PLus-Mitgliedschaft sowie ein gut besuchtes Forum.

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