Lektion T45 – Tantra, sitzende Übungen und innerer Liebesakt

Frage: Ich lese mehr und mehr über Übungen und praktiziere auch selbst deine Techniken. Nur bezüglich einer Sache fühle ich wirklich anders: Wenn ich bisher mein tägliches Morgen-Pranayama gemacht habe, erzeugte mein Atmen nicht notwendigerweise sofort diese Stille in meinem Kopf. Doch nachdem ich die Rückhaltemethode eingesetzt und meine sexuelle Energie kanalisiert habe, haben sich meine Pranayamas enorm verbessert. Denn schon nach einer Runde Pranayama verspüre ich eine erhabene Stille. Ich kann das nicht so leicht beschreiben, ich höre zu denken auf und fühle mich, als ob mein Verstand ein wenig nach außerhalb des Gehirns hinausreicht, wenn das eine zutreffende Beschreibung ist.

Dennoch taucht in meinem Geist immer wieder eine Frage auf, von der ich fühlte, dass ich vielleicht eine Antwort darauf erhalten könnte, wenn ich dir davon erzähle. Der menschliche Körper muss seine inneren männlichen und weiblichen Energien ausgleichen (Shakti und Shiva-Energien), das stimmt doch? Nun, wenn das einmal erreicht ist, werden wir zu neutralen Wesen. Wir sind dann innerlich ausgeglichen. Wir sind nicht mehr nur innerlich männlich oder innerlich weiblich, sondern beides – wir werden zu beiden oder keinen. Wenn das geschieht, wozu dient dann unser physischer Körper?

Sobald wir z.B. einmal die innere Ausgeglichenheit erreicht haben, dann sind wir weder männlich noch weiblich, oder? Wir werden zu Licht-Wesen. Wozu und warum haben wir dann also einen physischen Körper?

Das sind nur einige Gedanken, die durch meinen Kopf schwirren. Je mehr ich aber studiere und kontempliere, desto mehr Fragen tauchen auf. Es wäre so schön, wenn ich mit deiner Hilfe ein tieferes Verständnis erlangen könnte.

Antwort: Ah, du hast Erfahrungen damit gemacht, dass zwischen tantrischen Methoden und den sitzenden Übungen eine Verbindung besteht. Ja, dies ist die zusätzliche Dimension, die uns Brahmacharya bringen kann. Wenn ich Brahmacharya sage, meine ich natürlich nicht Zölibat. Ich meine die Erhaltung und Kultivierung sexueller Energie, denn darum geht es bei der Rückhalte-Methode und der langen vor-orgasmischen Kultivierung. Das funktioniert, nicht wahr? Sobald du fortgeschrittenes Siddhasana für Frauen und Mudras und Bandhas in deine sitzenden Übungen mit aufnimmst (vielleicht hast du das bereits getan?), wirst du schließlich für die gesamte Zeit der Wirbelsäulenatmung, Meditation, Samyama u.s.w. eine innere vor-orgasmische Kultivierung haben. Am Ende werden die sexuelle Kultivierung und die Kultivierung ekstatischer Leitfähigkeit ein und dasselbe sein und ständig ablaufen, sogar außerhalb der Übungspraxis. Es wird zu einem automatischen Bestandteil unseres biologischen Funktionierens. Dies ist das andauernde innere Liebesspiel.

Geht der Prozess weiter, verschwinden die männlichen und weiblichen Anteile in uns nicht. Sie integrieren sich im Inneren weiter. Während unsere inneren Einstellungen und unsere Sexualität äußerlich vielleicht ausgeglichener werden, werden wir nicht androgyn in dem Sinne, dass wir asexuelle Wesen sind. Ganz im Gegenteil. Wir werden zum Spielfeld des ständigen Liebesaktes zwischen den weiblichen und männlichen Energien in uns – eine anhaltende Orgie von Shakti und Shiva-Energien. In etwas weltlicherer Ausdrucksweise ist das die Vereinigung von ekstatischer Leitfähigkeit und innerer Stille. Dieser innere Prozess der Erleuchtung wurde auch die Vereinigung von Verzückung mit der Leere im Inneren des menschlichen Wesens genannt. Schreiten wir weiter voran, geht das auch immer so weiter und der Körper (das menschliche Nervensystem) ist Tummelplatz dafür. Wir würden den Körper also gerne hierbehalten, damit wir diesen Prozess soweit es geht weiterführen können. Schließlich würden wir den Körper auch gerne behalten, um weiter dienen zu können. Kommen wir der Erleuchtung näher, finden wir uns mit den kombinierten Eigenschaften unerschütterlicher innerer Stille, ekstatischer Glückseligkeit und ausströmender göttlicher Liebe wieder. Dann wird uns alles um uns herum genauso lieb, wie unser eigenes SELBST. Natürlicherweise würden wir also gern bleiben und das Aufkommen göttlicher Freude in jedermann so gut wir können anregen. Dies sind auch die Gründe dafür, dass ein Weiser weiter in seinen Körper lebt. Es ist eine natürliche Entwicklung, die wir beschleunigen, indem wir sie mit unseren Yoga-Übungen düngen und wässern. Den heiligen Tempel (unser menschliches Nervensystem) würden wir uns alle gern so lange wie möglich voll zu Nutze machen. Wir tun dies für uns selbst und zum Wohle von jedem anderen.

Ich wünsche dir anhaltenden Erfolg auf dem von dir gewählten spirituellen Pfad. Viel Spaß!

Der Guru ist in dir.

Über den Autor

Yogani

Yogani ist ein anonymer US Amerikaner, der 2003 begann, im Internet sein spirituelles Wissen in Form von Lektionen zu veröffentlichen und damit auf einen großen Kreis Interessierter weltweit traf. Im Laufe der Jahre entstand Daraus eine umfassende Bibliothek zu allen Aspekten des Yoga. Inzwischen gibt es viele Übersetzungen in andere Sprachen. Die Lektionen sind immer noch kostenlos abrufbar. Heute gibt es auch Bücher, Hörbücher, Ebooks und im Englischen eine PLus-Mitgliedschaft sowie ein gut besuchtes Forum.

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